So sollen die Städte zu mehr politischem Einfluss kommen

Nach der Ablehnung des Familienartikels durch das Ständemehr will SP-Nationalrat Andi Gross unser Abstimmungssystem modernisieren: Die fünf bevölkerungsstärksten Kantone sollen je eine zusätzliche Standesstimme und einen zusätzlichen Sitz im Ständerat erhalten.

(Bild: Hansjörg Walter)

Nach der Ablehnung des Familienartikels durch das Ständemehr will SP-Nationalrat Andi Gross unser Abstimmungssystem modernisieren: Die fünf bevölkerungsstärksten Kantone sollen je eine zusätzliche Standesstimme und einen zusätzlichen Sitz im Ständerat erhalten.

54 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer sagten Ja – und dennoch wurde der Familienartikel diesen Sonntag versenkt. Erst zum neunten Mal in der Geschichte des Bundesstaates wurde eine Vorlage mit dem Ständemehr und gegen den Willen des Volksmehrs entschieden. Bereits am Sonntag entspann darum sich eine rege Debatte über Sinn und Unsinn des doppelten Mehrs, das in der Tendenz die kleinen Kantone bevorzugt. Philippe Wampfler schlug in seinem Blog eine Renovation des Ständemehrs vor, der Berner Politikberater Mark Balsiger ging sogar noch weiter: 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung lebten in Städten und der Agglomeration, twitterte er am Sonntag, «man sollte wieder einmal über das Ständemehr nachdenken».

Dieser Meinung ist auch der Zürcher SP-Nationalrat Andi Gross. Es gehe ihm nicht darum, das Abstimmungsresultat vom Sonntag umzudrehen, «ich bin kein schlechter Verlierer». Aber er will die Debatte in eine konstruktive Richtung lenken. Gross plädiert für den Föderalismus und das Prinzip des Ständemehrs – aber in einer neuen Form. «Wir müssen das Ständemehr modernisieren, wenn wir es nicht ganz verlieren möchten.» Das Ziel von Gross sind die Verhältnisse von 1848, als der Bundesstaat gegründet wurde. Damals galt die Stimme eines Urners dank dem Ständemehr etwa 30 Mal soviel wie die eines Zürchers. Heute ist das Verhältnis etwa 45:1.

Ein zusätzlicher Ständeratssitz

Um das ursprüngliche Grössenverhältnis wieder herzustellen, sollen nun die bevölkerungsreichsten Kantone gestärkt werden. In einer der nächsten Fraktionssitzungen der SP (morgen Dienstag oder in einer Woche) wird Gross darum folgenden Vorschlag zur Debatte stellen (wie auch das Bundeshausradio bereits getwittert hatte): Die fünf bevölkerungsstärksten Kantone (Zürich, Genf, die beiden Basler Halbkantone, Waadt, Bern) sollen je eine zusätzliche Standesstimme (im Fall von Basel-Stadt wäre es eine halbe) und je einen zusätzlichen Sitz im Ständerat erhalten. «Das hätte den Vorteil, dass wir niemanden etwas wegnehmen müssten; das ganze System aber wieder ausbalanciert würde», sagt Gross. Sein eigenes System hat Gross dabei noch nicht ganz ausbalanciert: Die Kantone St. Gallen und der Aargau haben mehr Einwohner als Genf und die beiden Basel. «Das ist ein Irrtum, aber kein Denkfehler. Ich werde mir noch überlegen, was man mit den Aargauern machen soll», sagt Gross, selbst ein gebürtiger Aargauer.

Ralph Straumann hat im Nachgang zu der Abstimmung über den Familienartikel eine eindrückliche Karte zum Ständemehr erstellt.

Artikelgeschichte

4.3.2013, 16:00 Uhr – Zwei Irrtümer korrigiert: Gross meint die beiden Basel gemeinsam (nicht nur Basel-Stadt, wie in einer ersten Version des Artikels). Ausserdem haben die Kantone St. Gallen und Aargau mehr Einwohner als Genf und die beiden Basel.

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