Soll Geheimhaltungspflicht für Agenten noch gelten?

Bis Donnerstag gibt sich die 9. Kriminalkammer am Bezirksgericht Luxemburg Zeit, um ein Urteil über eine Frage zu fällen, die im «Bommeleeër»-Prozess von entscheidender Bedeutung sein dürfte.

Gesprengter Strommast in Luxemburg: Der Anschlag von 1986 wird derzeit in einem Prozess behandelt. (Bild: Tageblatt)

Bis Donnerstag gibt sich die 9. Kriminalkammer am Bezirksgericht Luxemburg Zeit, um ein Urteil über eine Frage zu fällen, die im «Bommeleeër»-Prozess von entscheidender Bedeutung sein dürfte.

Es geht um die Ausser-Kraft-Setzung von Artikel 16 des Geheimdienstgesetzes, laut dem jedem strafrechtliche Konsequenzen drohen, der Unbefugten geheimdienstrelevante Informationen zugänglich macht.

Ebenfalls stellt sich in diesem Kontext die Frage nach dem Schutz der Quellen des Geheimdiensts und der Zugänglichkeit von Akten ausländischer Geheimdienste in den SREL-Archiven. Die Verteidigung, die bereit ist, mit dieser Sache vor das Verfassungsgericht und sogar vor den Menschenrechtsgerichtshof zu ziehen, hatte ein sofortiges Urteil in dieser Angelegenheit gefordert, weil sie befürchtet, dass sich Geheimdienstmitarbeiter auf diesen Artikel berufen könnten, um Aussagen vor Gericht zu verweigern.

Rechte der Verteidigung über dem Geheimdienstgesetz?

Laut Me Gaston Vogel würde das die Rechte der Verteidigung einschränken. Rechte, die in internationalen Rechtsnormen festgehalten sind und deshalb über dem Geheimdienstgesetz stehen, argumentierte die Verteidigung. Diese ist überhaupt nicht darüber angetan ist, dass in den Dokumenten, die vom Geheimdienst, respektive von der parlamentarischen SREL-«Enquête»-Kommission ans Gericht und an die Prozessparteien gingen, dauernd Passagen geschwärzt sind.

«Unmöglich» findet die Verteidigung auch den Umstand, dass in der Dokumentation über «Stay Behind» (SB), die Geheimdienstdirektor Patrick Heck dem Gericht am 30. April zustellte, viele Seiten fehlen, respektive völlig unleserlich seien. Als der beigeordnete Staatsanwalt Georges Oswald dann noch ankündigte, er habe am Morgen von Heck weitere Dokumente erhalten, wurde die Verteidigung noch ungehaltener.

Immer wieder bemängelte sie, dass sie nicht informiert werde, wenn neue Akten zur Verfügung stünden. Da deren Zahl quasi täglich zunehme, hatte Me Vogel bereits zu Anfang des 32. Verhandlungstages eine Prozesspause von drei Wochen respektive eine Verschiebung «sine die» gefordert.

Kurs für Umgang mit Sprengstoff

Allein die Aufarbeitung der bislang stets vernachlässigten SB-Spur werde lange Zeit in Anspruch nehmen. Am vergangenen Freitag waren bekanntlich Dokumente aufgetaucht die belegen, dass Geheimdienstagenten bei einem SB-Kurs in England im April 1979 auch eine Einweisung in den Umgang mit Sprengstoff erhielten. Ausserdem wurde beim SREL eine Art Handbuch (auf deutsch) zum Bau von Sprengsätzen gefunden.

Alles Dokumente, die die Ermittler umgehend hätten dazu veranlassen müssen, die Geheimdienst- und SB-Spur näher zu untersuchen. Übrigens hätten sie – wenn die Dokumente damals bekannt waren – den parlamentarischen Geheimdienstkontrollausschuss, der 2008 einen Bericht über SB anfertigte, zu einer anderen Schlussfolgerung verleiten müssen. Die Verteidigung, die davon ausgeht, dass die Akten Parlament und Justiz vorenthalten wurden, will nun sämtliche Personen vorladen lassen, die an dem SB-Training in Großbritannien teilnahmen und im SREL für das Netzwerk verantwortlich waren.

Die Leute könnten vielleicht auch Aufschluss darüber geben, wer im Juni 1980 bei einem Treffen hochrangiger NATO-Vertreter und nationaler SB-Verantwortlicher aus zehn Ländern dabei war. Auf der Tischordnung werden lediglich Vornamen genannt. Aus Deutschland zum Beispiel sassen Ernst, Lothar, Guido und Peter mit am Tisch. Wer hinter diesen Namen steckt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Tarnnamen sind, dürfte für den «Bommeleeër»-Prozess nicht uninteressant sein.

Letzterer ist gestern für zwei Tage ausgesetzt worden. Das bedeutet, dass die Aufarbeitung der «Stay Behind»-Spur und die Anhörung von Zeugen frühestens kommende Woche beginnen kann.

Glaubwürdigkeit des Zeugen belastet

Seine beiden Schwestern und seine Ex-Frau belasten den Zeugen Andreas Kramer schwer, der Mitte März in einer eidesstattlichen Erklärung und später vor Gericht versicherte, sein Vater stecke nicht nur hinter den «Bommeleeër»-Attentaten, sondern auch hinter dem Anschlag auf das Oktoberfest 1980 sowie jenem im Bologna im August 1980. Wie wort.lu meldete, halten die Familienangehörigen Kramers Aussagen nicht für glaubhaft. Er habe in der Vergangenheit mehrmals Unwahrheiten verbreitet. Weitere Justizbeihilfeersuchen um Informationen über Kramer und dessen Vater, der im BND verantwortlich für den deutschen «Stay Behind» gewesen sein soll, sind noch anhängig. Richterin Conter meinte gestern, ohne ein psychiatrisches Gutachten werde das Gericht die Spur Kramer nicht weiter führen.

Die Verteidigung kritisierte ihrerseits, dass die Aussagen der vernommenen Personen nicht zurück behalten werden könnten, schliesslich liege Andreas Kramer mit diesen Personen über Kreuz. Unerhört findet Me Vogel, dass im Bericht spekuliert wird, Kramer Junior könne seine Aussage aus «monetären Gründen» gemacht haben.

Die Verteidigung hätte sich stattdessen gewünscht, etwas mehr über Kramer Senior zu erfahren. Auch der Vergleich der DNA von Andreas Kramer mit DNA, die auf «Bommeleeër»-Erpresserbriefen gefunden wurde, liegt vor. Die Spezialistin kommt zum Schluss, dass zumindest teilweise Ähnlichkeiten nicht ausgeschlossen werden können.

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