Solothurn gibt flächendeckende Integrationsvereinbarungen auf

Die SVP will in Basel-Stadt flächendeckend Integrationsvereinbarungen einführen. Genau so also, wie es der Kanton Solothurn bis vor Kurzem tat. Mittlerweile ist man dort aber von dieser Praxis abgerückt.

Soll nach dem Willen der Basler SVP Pflichtstoff werden für Migranten aus Drittstaaten: Deutschkurse. (Bild: Keystone)

Die SVP will in Basel-Stadt flächendeckend Integrationsvereinbarungen einführen. Genau so also, wie es der Kanton Solothurn bis vor Kurzem tat. Mittlerweile ist man dort aber von dieser Praxis abgerückt.

Im zum Prinzip erhobenen Föderalismus geht zuweilen der Blick zur Seite verloren. Statt in Basel-Stadt die Integration von Migranten neu zu erfinden, wie es die SVP mit ihrer Integrationsinitiative fordert, könnte man sich bequem bei den Erfahrungen anderer Kantone, namentlich des Kantons Solothurns, bedienen.

Wie die SVP für Basel-Stadt verlangt, wurden dort in den letzten fünf Jahren mit Migranten, die aus Drittstaaten zugezogen sind, konsequent Integrationsvereinbarungen abgeschlossen. Alle anderen Ausländergruppen können aus rechtlichen Gründen nicht verpflichtet werden. In den Vereinbarungen wird der Erhalt oder die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung an absolvierte Sprach- und Integrationskurse geknüpft. Genau dasselbe verlangt die SVP in ihrer Initiative, über die in Basel am 30. November abgestimmt wird.

Davon ausnehmen will die SVP befristet angestellte Expats, Forschende, Professoren und Studenten, und Leute, deren Sprachkenntnisse und berufliche Stellung eine reibungslos verlaufende Integration wahrscheinlich erscheinen lassen.

Spardruck erzwingt Effizienz

In Solothurn ist die Debatte – auch unter akutem Spardruck – bereits einen Schritt weiter. Nach fünf Jahren des Ausprobierens kam die Regierung letzte Woche zum Schluss: Die Ressourcen lassen sich effizienter einsetzen.

In Solothurn werden Integrationsvereinbarungen künftig nur noch «als spezifisches Mittel eingesetzt», wie Claudia Hänzi, Leiterin des Amts für soziale Sicherheit, auf Anfrage erklärt. Dafür werden bis auf ausländische Ehepartner von Schweizern sämtliche Zuwanderer zu Erstgesprächen eingeladen. Diese Gespräche werden vor allem als Service verstanden, zum Stillen des Informationsbedarfs. Ein ähnliches System schlägt die Basler Regierung in ihrem Gegenvorschlag zur SVP-Initiative vor.

«Es ist nicht zielführend, flächendeckend Integrationsvereinbarungen abzuschliessen.»


Claudia Hänzi, Amtsleiterin soziale Sicherheit in Solothurn

Nach fünf Jahren Praxis, in denen man «eine ganze Menge über die Bedürfnisse der Migranten gelernt» hat, befindet Hänzi: «Es ist nicht zielführend, flächendeckend Integrationsvereinbarungen abzuschliessen.» Entscheidend für ein rasches Zurechtfinden sei eine sorgfältige individuelle Abklärung. «Wir schauen mit der Person gemeinsam, wo sie sprachlich und beruflich steht, was sie braucht und wie sie gefördert werden kann.» Ziel sei immer, einen Konsens zu finden. 

Eigenverantwortung spielt

Dort einzugreifen, wo die Eigenverantwortung spiele, sei sinnlos, sagt Hänzi. Und das sei häufiger der Fall, als man vermuten würde. So werde ein Klima des Vertrauens geschaffen, was es Zugewanderten erleichtere, Fuss zu fassen. 

Ganz auf Sanktionen verzichten will Solothurn auch in Zukunft nicht. «Doch die kommen immer erst am Schluss», sagt Hänzi. Integrationsvereinbarungen würden dort abgeschlossen, «wo wir auf die bekannten Systeme stossen». Also wo die Zugewanderten auf eine Diaspora treffen, die isolierend wirkt.

Im Fokus sind etwa Ehefrauen, bei denen nicht klar sei, unter welchen Bedingungen die Ehe geschlossen. Will heissen: Wo die Frau kaum Kontakt ausserhalb der Familie hat und auch nicht haben soll, greifen die Behörden ein und knüpfen Aufenthaltstitel an den Besuch von Deutsch- und Integrationskursen.

Pflicht kann auch Hilfe sein

Auch hier gelangten die Solothurner zu einer interessanten Erkenntnis: «Die Pflicht wird als Hilfeleistung verstanden. Der verpflichtende Rahmen befreit die Betroffenen davon, sich in der Familie zu rechtfertigen, wenn sie einen Kurs besuchen wollen, und er hilft ihnen, die eigene Zurückhaltung und Scheu zu überwinden.» Das Feedback falle fast immer sehr positiv aus. 

Das ganze Paket an Integrationsmassnahmen von der ersten Einladung über die Abklärungen bis allenfalls zur Vereinbarung ist in Solothurn anders als in Basel nicht umstritten: «Bei uns stand das nie unter Beschuss, es steckt schlicht kein Sprengstoff drin.» 

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