Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement hat heimlich ein Telefon- und Internet-Überwachungssystem bestellt. Bei einer US-Firma, die mit der NSA zusammenarbeitet. Sicherheitspolitiker greifen sich an den Kopf – und wollen den Fall thematisieren.
Das neue System, mit dem Schweizer Polizeien die Telefon- und Internet-Kommunikation künftig überwachen wollen, kostet 13 Millionen Franken. Das Departement Sommaruga (EJPD) hat am 18. Dezember klammheimlich einen entsprechenden Liefervertrag mit einer Firma unterzeichnet, deren Namen EJPD-Generalsekretär Matthias Ramsauer weiterhin weder bestätigen noch dementieren will.
Sicherheitspolitiker schütteln den Kopf
Das wundert wenig: Das Unternehmen «Verint», dessen Namen die Westschweizer Zeitung «Le Temps» am Mittwoch enthüllt hat, ist dermassen dubios, dass Sicherheitspolitiker den Fall sofort thematisieren wollen: «Nächsten Montag und Dienstag haben wir Sitzung in der Sicherheitskommission», sagte etwa der Zürcher SVP-Nationalrat Hans Fehr. «Da werde ich die Sache zur Sprache bringen; es geht schliesslich um die Souveränität und Sicherheit unseres Landes.»
Fehrs Sorge ist berechtigt: die Firma Verint nämlich, die das System der Schweiz liefern soll, hat den Hauptsitz in den USA. Die Firma arbeitet mitunter für Geheimdienste der USA und Israels – und mit diesen zusammen. Verint steht konkret im Verdacht, die grössten Telefonfirmen der USA angezapft zu haben – im Auftrag der NSA. Gegen den Gründer von Verint hat auch die US-Polizei schon wegen dem Verdacht auf Korruption und Geldwäscherei ermittelt. Die Berner Polizistin und SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler, die ebenfalls der Sicherheitskommission angehört, ärgert sich: «Das ist unglaublich! Da müssen wir sofort schauen, was noch zu machen ist.»
Verseuchte Hardware made in USA
Der Waadtländer SP-Nationalrat Jean-Christoph Schwaab witzelt gegenüber «Le Temps»: Wer bei einer Firma wie Verint Geräte bestelle, könne «den Schlüssel dazu gerade so gut gleich der NSA übergeben», dem inzwischen weltweit berüchtigten US-Geheimdienst. Der Zürcher Spezialist für Computer- und Datensicherheit, Guido Rudolphi, bestätigt Schwaabs Befürchtungen: «Alle Geräte aus den USA haben sogenannte Backdoors (Hintertüren) eingebaut, durch die Geheimdienste alles ausschnüffeln können.» Derart verseuchte Hardware könnten auch die besten Fachleute im Nachhinein nicht sicher machen, betont er: «Diese Backdoors sind wie elektronische Schläfer – man bemerkt sie bestenfalls, wenn sie von aussen aktiviert werden.»
Das weiss offenbar auch Ramsauer. Dennoch behauptet er, Verint sei die vertrauenswürdigste der Anbieterinnen. Rudolphi dementiert das klar: «Die Leute beim Bund wählen nur einfach die bequemste Standardlösung», sagt er. Dabei hätte die Schweiz selber die besten Spezialisten für sichere Systeme. An der ETH gebe es sogar eine spezialisierte Abteilung. Sie heisst «Computer Science Information Security and Cryptography Research Group».
Fatale Signale an US-Schnüffler
Wenn schon, sollte der Bund die Millionen-Aufträge im heiklen IT-Bereich in Zusammenarbeit mit solchen Fachleuten möglichst im eigenen Land vergeben, findet Hans Fehr. Sicherheitspolitiker und IT-Fachleute warnen zudem vor «fatalen politischen Signalen». Wenn der Bundesrat nämlich nach all den Enthüllungen über illegale bis kriminelle Praktiken der US-Schnüffeldienste gleich wieder in den USA heikle Hard- und Software bestelle, signalisiere er damit vor allem dies: Dass er nichts gelernt habe – und sich alles gefallen lasse. Und das gehe gar nicht.