Spanien träumt vom Clásico im Finale

Vor zehn Jahren endete das Jahrzehnt der italienischen Dominanz im Fussball mit einem Sieg von Real Madrid. Seither sind die spanischen Clubs das Non-Plus-Ultra im Clubfussball – trotz aller Rekorde blieb eines aber aus: Barcelona gegen Real Madrid in einem Finale.

Real Madrid's Cristiano Ronaldo celebrates after scoring against Sevilla during their Spanish first division soccer match at Ramon Sanchez Pizjuan stadium in Seville, southern Spain, May 2, 2015. REUTERS/Marcelo del Pozo (Bild: Reuters/MARCELO DEL POZO)

Vor zehn Jahren endete das Jahrzehnt der italienischen Dominanz im Fussball mit einem Sieg von Real Madrid. Seither sind die spanischen Clubs das Non-Plus-Ultra im Clubfussball – trotz aller Rekorde blieb eines aber aus: Barcelona gegen Real Madrid in einem Finale.

Das Champions-League-Finale 1998 gewann Real Madrid gegen Juventus Turin durch ein Tor von Predrag Mijatovic. Die Zeitgenossen debattierten über eine mögliche und bis heute nicht einwandfrei geklärte Abseitsposition. Nicht ahnen konnten sie, dass dieses Endspiel zwischen zwei Rekordmeistern gleichzeitig eine Zeitenwende bedeuten würde.

Zu Ende ging die Hegemonie des italienischen Clubfussballs, der in den zehn Jahren zuvor vier Champions-League-Sieger gestellt hatte, neun Champions-League-Finalisten und sieben Uefa-Cup-Gewinner. Stattdessen übernahm Spanien. Sechs weitere Champions-League-Titel sowie sieben Uefa-Cups (Europa Leagues) stellten die Vereine aus Madrid, Barcelona, Valencia und Sevilla seither in ihre Vitrinen.

Juve-Fans werden noch immer sagen: «Ganz klar – Offside».

An der Schwelle zum «grössten Spiel, das je erträumt wurde»

Wo Juventus am Dienstag gegen Real sein erstes Halbfinale seit 2003 spielt (20.45 Uhr / SRF2), ist die Teilnahme der beiden spanischen Premiumvertreter an den Final Four daher kaum eine Nachricht: Für Real ist es das fünfte in den letzten fünf Jahren, für Barcelona das achte in den letzten zehn. «Barça und Madrid sind die beiden besten Teams Europas», verkündet die Zeitung «Sport» und sieht die Menschheit «an der Schwelle des grössten Spiels, das je erträumt wurde».

Gemeint ist nicht die Revanche für 1998 in Turin, nicht mal die Heimkehr von Pep Guardiola am Tag darauf in Barcelona – sondern die mögliche Krönung der spanischen Fussball-Herrlichkeit am 6. Juni in Berlin: ein Clásico im Champions-League-Finale. Den hat es trotz aller Rekorde noch nie gegeben.

Die spanische Ära stand vor ihrem Ende

Wann immer sich die Möglichkeit dazu ergab, ging es grandios daneben. 2012 sahen sich auch schon alle im Endspiel, ehe binnen zweier Tage erst Guardiolas Barça von Roberto Di Matteos Chelsea eliminiert wurde und dann José Mourinhos Real von Heynckes‘ Bayern. Im Jahr darauf erlebte ein morsches Barcelona gegen die Bayern sein Waterloo (0:7) und konnte Real mit den letzten Zuckungen der Mourinho-Ära den Tor-Poker von Dortmunds Robert Lewandowski nicht übertrumpfen.

Manche sahen da schon ein Ende des spanischen Zeitalters gekommen. Doch zwei Jahre später amtiert Real als Titelverteidiger, liefern sich sein Ronaldo und Barças Messi weiter ihre epischen Fernduelle (aktueller Torstand: 53:51), und haben die Katalanen mit Messi, Neymar und Luis Suárez das fulminanteste Sturmtrio der neueren Geschichte beieinander.



Barcelona's Neymar celebrates after scoring a goal against Cordoba during their Spanish first division soccer match at El Arcangel stadium in Cordoba, Spain, May 2, 2015. REUTERS/Javier Barbancho

Ist jeden Spieltag in der Meisterschaft gefordert: Neymar. (Bild: Reuters/JAVIER BARBANCHO)

Das Kribbeln des letzten Spieltages – vier Runden vor Schluss

In der Liga liefern sich die spanischen Giganten derzeit einen Zweikampf für die Ewigkeit. 21 der letzten 21 Punkte hat Madrid geholt, 31 der letzten 33 der FC Barcelona (die Tabelle). Auch die um zwei Zähler besser positionierten Katalanen dürfen sich nicht mal ein Remis erlauben, sie würden wegen des verlorenen direkten Vergleichs dann hinter Real fallen, und so lag am Wochenende schon das typische Kribbeln eines letzten Spieltags in der Luft – nur dass es erst der viertletzte Spieltag war.

Barça legte nachmittags mit einem 8:0 bei Absteiger Córdoba vor, wobei die Partie bis zum ersten Tor kurz vor der Halbzeit durchaus ihre Tücken hatte. Madrid retournierte abends, indem es die schwerste Festung der Liga einnahm, mit einem hochintensiven 3:2 beim zu Hause seit 34 Spielen ungeschlagenen Sevilla. «Wir müssen in jedem Spiel unser Leben geben», formulierte Sergio Ramos danach in angemessener Dramatik.

Der Vorteil des frühen Meisterschafts-Titels

Genau das könnte sich allerdings in Europa noch als Problem erweisen, denn die Gegner stehen bereits als Meister fest und können in der Liga alle Kräfte schonen. Auf Madrid etwa wartet dagegen schon das nächste Spitzenspiel gegen Valencia. Gleichwohl traut man Juventus die Rolle des Partybreakers in Spanien noch weniger zu als den ersatzgeschwächten Bayern.

«Berlin ist noch weit weg», bekannte zwar routinemässig Reals Viertelfinal-Held «Chicharito» Hernández. Andererseits klang es schon ein wenig gönnerhaft, wie er hinzufügte: «Wir respektieren jeden Gegner, als ob er der beste wäre. Wir wissen, dass alle gegen Madrid besonders motiviert sind.»

Die Geschichte spricht für Juve



Juventus' players celebrate at the end of their Serie A soccer match against Sampdoria at the Marassi stadium in Genoa, Italy May 2, 2015. Juventus won a fourth successive Serie A crown, and their first under coach Massimiliano Allegri, by beating Sampdoria 1-0 on Saturday. REUTERS/Stefano Rellandini TPX IMAGES OF THE DAY

Der Schein trügt: «Wir freuen uns über die Meisterschaft», sagte Gigi Buffon (2 v.l.), «aber wir denken schon seit Tagen an Madrid.» (Bild: Reuters/STEFANO RELLANDINI)

Noch unkomplizierter begegnet man der Angelegenheit in der Sportpresse. «Das nenne ich ‹Road to Berlin›», jubelte in Anlehnung an das Uefa-Turniermotto der «As»-Redakteur Tomás Roncero, ein bekannter Prediger des Madridismus, nachdem er am Fernsehen die Halbfinalauslosung verfolgt hatte: «Eine Autobahn in den Himmel.»

Das Video von der Szene landete auch in Italien, sorgte dort für ein bisschen Empörung – und für weitere Motivation. Nicht dass die Spieler derer noch bedurft hätten. «Wir freuen uns über die Meisterschaft», sagte Kapitän Gigi Buffon, nachdem die am Samstag besiegelt wurde: «Aber wir denken schon seit Tagen an Madrid.»

Makrotendenzen und Mikroergebnisse sind im Fussball schliesslich nicht immer deckungsgleich. Zweimal begegneten sich Real Madrid und Juventus Turin seit jener Zeitenwende von 1998 in K.O.-Runden. Beide Male siegten die Italiener.

Nächster Artikel