Spitzenjob für verurteilten Betrüger bei Baselworld

Ein Messedirektor wird wegen Veruntreuung verurteilt. Der Schaden geht in die Hunderttausende Franken. Doch die Messe hält an ihm fest.

A golden painted bus arrives at the world watch and jewellery show 'Baselworld' in Basel, Switzerland, on Thursday, March 8, 2012. Baselworld opens its doors from March 8 to 15, 2012. 1815 exhibitors from 41 countries will show their latest collections. ( (Bild: GEORGIOS KEFALAS)

Ein Messedirektor wird wegen Veruntreuung verurteilt. Der Schaden geht in die Hunderttausende Franken. Doch die Messe hält an ihm fest.

Mehrfache Veruntreuung, Urkundenfälschung und versuchter Betrug: Wegen all dieser Delikte verurteilte das Basler Strafgericht einen leitenden Angestellten der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld zu 90 Tagessätzen bedingt à 460 Franken. Begangen hatte er die Delikte in seinem Nebenjob bei der «EL Immobilien AG». Das Gericht befand ihn und seinen Kompagnon für schuldig, Mängelprotokolle von Mietern gefälscht und das Geld für Mietzinsdepots eingesteckt zu haben. Dieses Urteil fällte das Gericht 2009, doch jetzt zeigen Recherchen der TagesWoche, dass die Firma auch nach dem Urteil frisch fröhlich weiter geschäftete und der effektiv angerichtete Schaden noch viel grösser ist.

Ein Auszug aus dem Betreibungsregister der inzwischen Konkurs gegangenen Firma von 2010 listet Forderungen von 700 000 Franken auf. Da ist etwa die Firma Buchschacher Liegenschaften, die nach eigenen Angaben einen Schaden von rund 400 000 Franken erlitt. Buchschacher hatte 2007 eine Liegenschaft an der Colmarerstrasse gekauft. Mieterin sämtlicher zwölf Wohnungen war die «EL Immobilien».

«Etwas vom Übelsten»

Ihr Geschäftsmodell bestand darin, möblierte Wohnungen teurer unterzuvermieten, vorwiegend an Ausländer. Die befristeten Mietverträge liefen dann bis kurz vor der Baselworld. Während der Messe quartierte die «EL Immobilien» stattdessen Angestellte von Uhrenfirmen ein. Danach konnten die alten Mieter ihre Wohnungen wieder zurückmieten. «Wie die ‹EL Immobilien› mit Mietern umgesprungen ist, in jede Trickkiste gegriffen hat, ist etwas vom Übelsten, das ich bis jetzt gesehen habe», sagt Kathrin Bichsel, Präsidentin des Mieterverbands Basel-Stadt.

Rendite von 542 Prozent

Das Geschäft war lukrativ: Während der Messe kassierte die «EL Immobilien» zum Beispiel 6500 Franken für eine 2-Zimmer-Wohnung an der Klingentalstrasse, die sie von G. I. (Name der Redaktion bekannt) für 1200 Franken gemietet hatte. Das entspricht einer Rendite von 542 Prozent. Der Messedirektor gestand denn auch vor Gericht, er habe in fünf Jahren mit seinem Nebenjob 1,2 Millionen Franken verdient.

Doch selbst diese Rendite war der «EL Immobilien» offenbar zu tief, denn schliesslich bezahlte sie den Eigentümern keine Mieten mehr. So verlor die Firma Buchschacher gegen 400 000 Franken, G. I. nach eigenen Angaben über 60 000, M. T., die ihre Liegenschaft am Riehenring an «EL Immobilien» vermietet hatte, über 50 000 Franken. Aber auch die Firma, von welcher die «EL Immobilien» das Mobiliar geleast hatte, musste 150 000 Franken abschreiben. Auf 50 000 Franken beziffert die Firma, die die Internetanschlüsse eingerichtet hatte, ihren Schaden. Deren Techniker stiessen bei ihren Einsätzen ausserhalb der Messezeit auf gutzahlende Mieterinnen aus dem horizontalen Gewerbe und installierten Modems neben Kondomen und Gleitcreme.

Unter falschem Namen

Für seinen Nebenjob bei der «EL Immobilien» benutzte der leitende Angestellte der Baselworld jeweils den falschen Namen «Marc Martin». Mit den Vorwürfen der TagesWoche konfrontiert, verzichtete er genauso auf eine Stellungnahme wie die Messe. Diese erklärte nur: «Mit dem Urteil vom Juni 2009 ist der Fall für unser Unternehmen abgeschlossen.»

Auch beim Kanton Basel-Stadt, mit 33,5 Prozent Hauptaktionär der Messe, will sich niemand äussern. Zuständig sei Messe-Verwaltungsratspräsident Ueli Vischer. Dieser verweist auf die Stellungnahme der MCH Group nach dem Urteil im Jahr 2009: Damals erklärte die Messe, das Messegeschäft sei nicht direkt betroffen.

Baselworld ist «leider unverzichtbar»

Doch der Messe droht ein massiver Imageverlust: Dazu genügt nur schon, dass sich bei Partnerfirmen und Kunden das Gerücht verbreitet, die Messe halte nur deshalb an ihrem Direktor fest, weil dieser zu viel über allfällige heikle Interna wisse. Dies ausgerechnet jetzt, da mehrere Aussteller die Geschäftspraktiken der Baselworld kritisieren, die sie zwinge, mit Firmen zusammenzuarbeiten, an deren Umsatz wiederum die Messe beteiligt sei. Bis jetzt kann sich die Baselworld dieses Gebaren nur leisten, weil sie für viele der Branche «leider unverzichtbar» ist, wie es ein Chef einer Schweizer Uhrenfirma formulierte. Trotzdem: Hat es den Ausstellern an der glitzernden Fassade der Baselworld zu viele Flecken, drohen nach jenem des Luxuskonzerns Richemont weitere Abgänge.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.03.12

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