Ständerat nimmt NSA-Skandal ernst

Eine Expertenkommission soll die US-Spionage in allen elektronischen Netzen untersuchen und Möglichkeiten zum «Schutz vor Cyberrisiken» aufzeigen. Das hat der Ständerat gegen den Willen der Landesregierung beschlossen.

Wie viel Schweiz weiss die NSA? Eine Expertenkommission soll für ein scharfes Bild sorgen. (Bild: NSA)

Eine Expertenkommission soll die US-Spionage in allen elektronischen Netzen untersuchen und Möglichkeiten zum «Schutz vor Cyberrisiken» aufzeigen. Das hat der Ständerat gegen den Willen der Landesregierung beschlossen.

«Edward Snowden hat die grösste Überwachungsmaschinerie der Menschheitsgeschichte entlarvt», stellte der St. Galler SP-Ständerat und Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner vor dem Ständerat fest: Der weltweite, flächendeckende Spionageangriff der USA «in bis anhin nicht für möglich gehaltenem Ausmass» auf die Internet und Telefonzentralen stelle auch die Gesellschaft und vor allem die Wirtschaft unserer Landes vor neue Herausforderungen. Angezapft und ausspioniert werde auch das europäische Swift-Rechenzentrum in Diessenhofen (TG), über das alle IBAN (International Bank Account Number)-Zahlungen abgewickelt werden.

In seiner Antwort auf seine Motion für eine Expertenkommission zu dieser komplexen Problematik zeige der Bundesrat, dass er angesichts dieses Skandals ebenso überfordert sei, wie seine Verwaltung und die zuständigen Dienste, sagte Rechsteiner weiter.

Bundesrat Ueli Maurer zeigte sich in der Einschätzung der Sache teils mit Rechsteiner einverstanden. Er betonte jedoch: «Die Problematik ist inzwischen ins Bewusstsein gedrungen.» Mit dem neuen Informationsschutzgesetz und dem ebenso nun aufgegleisten Nachrichtendienstgesetz werde der Bundesrat den neuen Erkenntnissen voll Rechnung tragen. Eine Expertenkommission sei zum jetzigen Zeitpunkt weder nötig noch das richtige Mittel.

Die Datenbanken der Geheimdienste

Doch der Rat will der Sache auf den Grund gehen: Er stimmte Rechsteiner mit 21 zu 15 Stimmen recht deutlich zu. Die vorangegangene Debatte über «Zuständigkeiten im Bereich des zivilen Nachrichtendienstes» hatte ebenfalls gezeigt, dass im Bereich der Geheimdienste grundsätzlich einiges im Argen liegt. Es ging dabei um das Gesetz ein «Informationssystem äussere Sicherheit (ISAS).

Ueli Maurers Nachrichtendienst des Bundes (NDB) betreibt diese gewaltige Datenbank, in der auch «besonders schützenswerte» Daten über «natürlich und juristische Personen, Organisationen und Gegenstände sowie Ereignisse» gespeichert werden. Der NDB kann dieses ISAS auch mit dem ISIS, dem «Informationssystem Innere Sicherheit» verknüpfen «um systemübergreifende Datenabfrage» und Auswertungen zu ermöglichen.

Sonderrechte für fremde Dienste

Brisant ist in dem neuen Gesetz die Bestimmung über die «Weitergabe von Personendaten»: Der NBD kann seine Informationen nämlich sowohl an «inländische Behörden» weitergeben, als auch an «ausländische». Und sogar auch «an Dritte». Er kann dies auch «in Abweichung von den datenschutzrechtlichen Bestimmungen» tun. Vorab an Staaten mit denen die Schweiz diplomatische Beziehungen unterhält, oder «wenn ein Gesetz oder eine internationale Vereinbarung dies vorsieht».
 
Solche «Vereinbarungen» haben die Schweizer Dienste mit über hundert – teils auch dubiosen bis kriminellen – «Partner-Diensten». Und der Bundesrat soll die «Zugriffsrechte» auf archivierte Geheimdienstdaten «fest legen» dürfen. Diese Archiv-Daten unterliegen einer 50-jährigen Schutzfrist, bevor die Öffentlichkeit darin Einsicht nehmen kann.

Und oft auch danach noch nicht: «Die Einsicht in Archivgut, das aus dem direkten Verkehr mit Ausländischen Sicherheitsdiensten stemmt, bedarf der Zustimmung des betroffenen Sicherheitsdienstes» steht in dem Gesetz nämlich auch. Konkret: Wer dereinst wissen will, was derzeit der US-Geheimdienst NSA in Kollaboration mit seinem Schweizer «Partner» NDB hierzulande alles ausschnüffelt, der wird die NSA fragen müssen, ob sie das erlaube. 

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