Die CVP lässt die Mitte im Stich. Jetzt kommt die Retourkutsche: Die ehemaligen Verbündeten treten bei den Regierungsratswahlen mit einem eigenen Kandidaten gegen die CVP an.
Thomi Jourdan ist anders. Er ist nicht einfach Ökonom, er ist auch Sozialarbeiter. Er ist von einer Kleinstpartei, der Evangelischen Volkspartei EVP, und er ist noch nicht einmal 40 Jahre alt, aber dennoch bereits alt Landrat mit acht Jahren Erfahrung, der im Parlament einen bleibenden Eindruck hinterliess.
Jourdan tritt gegen den 52-jährigen Anton Lauber an. CVP-Mitglied, Dr. iur., seit Urzeiten Präsident des Personalverbandes der Baselbieter Polizei, Oberst a.D., Gemeindepräsident von Allschwil und bereits Grossvater eines Enkelkindes.
Doch davon lässt sich Jourdan nicht beeindrucken: «Ich möchte das Unmögliche wagen und den Baselbieter Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern aufzeigen, warum ich die bessere Wahl bin», schreibt er sehr selbstbewusst auf seiner Website am selben Tag, an dem ein Mitte-Links-Bündnis seine Kandidatur bekannt gibt. So tönt keiner, der seine Kandidatur lediglich als Alibi versteht, sich aber eigentlich keine Chancen auf einen Sieg ausrechnet.
Doch selbst wenn der Jungspund aus Muttenz gegen das politische Urgestein aus Allschwil wie von Politbeobachtern prophezeit eine deutliche Niederlage einfahren sollte, dürfte seine Kandidatur die politische Landschaft im Baselbiet dennoch nachhaltig verändern.
Bewahrer gegen Erneuerer
Unterstützung erhält Jourdan von all denjenigen Parteien, die sich nicht länger damit begnügen wollen, einfach nur weiter nach Sparmöglichkeiten zu suchen, sondern den Halbkanton erneuern und verändern wollen: Grüne, Sozialdemokraten, Grünliberale und EVP.
Deren Basis wird zwar die Nomination noch absegnen müssen, doch diese Parteien haben bereits ein starkes Signal ausgesendet: eine breite Allianz von Mitte-Links als direktes Gegenstück zur Bürgerlichen Zusammenarbeit, die den Kanton jahrzehntelang geprägt hat. Es tritt an ein Bewahrer gegen einen Erneuerer, heisst die Botschaft.
Nach der Wahl droht der CVP das böse Erwachen.
Besonders heikel ist diese Konstellation für die CVP. Rein rechnerisch sollte sie zwar dank Unterstützung von FDP und SVP ihren Kandidaten problemlos in die Regierung bringen. Doch danach droht der Mitte-Partei das böse Erwachen.
Den Nationalratssitz von Elisabeth Schneider-Schneiter hat sie vor eineinhalb Jahren nur dank ihrer Bündnispartner und einer Listenverbindung mit BDP, GLP und EVP erobert. Aus eigener Kraft hätte es die CVP nicht geschafft. Die Partnerparteien holten zusammen fast doppelt so viele Parteistimmen wie die CVP allein. Es ist nicht schwer auszurechnen, dass die CVP bei den nächsten Nationalratswahlen in zwei Jahren ohne Unterstützung, sprich ohne Listenverbindung, den Sitz von Schneider-Schneiter kaum wird halten können.
Doch die Weichen für diese Wahlen werden bereits jetzt mit dem Regierungsratswahlkampf gestellt. Zwar geben sich die Parteistrategen offiziell zurückhaltend und wollen sich alle Optionen offen halten. Doch schon jetzt ist schwer vorstellbar, dass etwa die Grünliberalen sich noch einmal mit der Rolle des Steigbügelhalters für die CVP begnügen.
Ausgerechnet für die CVP, die im ersten Wahlgang um die Ballmer-Nachfolge vorbehaltlos den SVP-Kandidaten Thomas Weber unstützte und nicht den Grünliberalen Gerhard Schafroth. Ausgerechnet für die CVP, die ihr Image als Bewahrer-Partei mit dem wieder aufgelegten bürgerlichen Wahlbündnis zementierte. Ausgerechnet für die CVP, die vor dem zweiten Wahlgang der FDP und SVP demonstrativ die Treue schwor bis ins Jahr 2015. Dann sind Erneuerungswahlen des National- und Regierungsrats.
Ausgepumpte Sozialdemokraten
Mit der Jourdan-Kandidatur hingegen wird auf der linken Seite des politischen Spektrums die Zusammenarbeit zwischen Linken und den Mitteparteien GLP und EVP gefestigt. Selbst wenn diese Allianz bei der bevorstehenden Persönlichkeitswahl noch nicht einschenken sollte, bei den Nationalratswahlen dürfte das anders sein.
Den Sozialdemokraten kommt die Kandidatur des Mitte-Politikers Jourdan nach der herben Niederlage von Eric Nussbaumer gelegen. Ihnen fehlt es bis hin zur Basis an Motivation – und an finanziellen Mitteln. Zudem machen sich die SP-Strategen keine falschen Hoffnungen: Wenn Nationalrat Eric Nussbaumer gegen einen Rechtsaussenpolitiker mit knapp zweijähriger Erfahrung im Landrat keine Chance hatte, wird ein SP-Kandidat oder eine -Kandidatin gegen Anton Lauber aus der politischen Mitte erst recht nicht gewinnen.
«Wen wir auch aufgestellt hätten, er wäre verheizt worden», sagt Parteisekretär und Landrat Ruedi Brassel. Dass Grüne und Linke dem Juniorpartner EVP den Vortritt überlassen, hat aber auch taktische Gründe: Die «ökologischen Kräfte der Mitte» sollen an Linke und Grüne gebunden werden. Zwar ist das nicht schriftlich vereinbart wie beim bürgerlichen Pendant. Links-Grün aber hofft unverkennbar, der gemeinsame Wahlkampf mit Thomi Jourdan schweisse nachhaltig zusammen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.04.13