«Charlie Hebdo» kommt nach den Terroranschlägen nicht zur Ruhe. Der Mohammed-Zeichner Luz verlässt die Zeitschrift und hinter den Kulissen tobt ein Streit ums Geld.
Er war ein «Überlebender», eine Stütze der Redaktion. Renald Luzier, genannt Luz, der nach dem mörderischen Attentat des 7. Januar das viel gerühmte grüne Charlie-Cover mit Mohammed («Alles ist vergeben») geschaffen hatte, verlässt Charlie Hebdo.
Der 43-jährige Zeichner gab in der Zeitung «Libération» bekannt, er sei erschöpft, zittere die meiste Zeit und verbringe seine schlaflosen Nächte mit Fragen, was die ermordeten Kollegen Charb oder Cabu an seiner Stelle machen würden. Zuvor schon hatte Luz erklärt, er werde den Propheten nicht mehr zeichnen. «Damit ist Schluss, er interessiert mich nicht mehr.»
Sein Abgang folgt auf eine Polemik, die in Paris seit Tagen wütet. Der Soziologe Emmanuel Todd unterstellt der Solidaritätsbewegung «Je suis Charlie», die nach den Terroranschlägen millionenfach auf die Strasse gegangen war, sie vertrete eine gehobene weisse Mittelklasse, aber nicht die Arbeiter und Immigranten. Dieser Vorwurf wiegt in Paris ebenso schwer wie die Kritik anglophoner PEN-Schriftsteller, die Mohammed-Karikaturen seien islamophob oder «rassistisch».
Streit zwischen Basis und Direktion
Die «Charlie»-Macher geraten also zunehmend zwischen die Fronten. Und sich selber in die Haare. 15 der verbliebenen 20 Angestellten haben schon im März die Umwandlung des Unternehmens in eine Genossenschaft verlangt. Heute gehört «Charlie Hebdo» zu 40 Prozent dem Chefredaktor Laurent Sourisseau (alias «Riss»), zu 40 Prozent Charbs Eltern und zu 20 Prozent dem Finanzdirektor Eric Portheault.
Die Basis wirft ihnen in einem Beitrag in «Le Monde» vor, eigenmächtig zu handeln. So hätten sie die umstrittene Kommunikationsagentin Anne Hommel angeheuert, die schon Politstars wie Dominique Strauss-Kahn oder den wegen Steuerflucht gestrauchelten Budgetminister Jérôme Cahuzac beraten habe. «Das sind nicht unsere Werte», meinte ein Charlie-Angestellter.
«30 Grossmäuler im Kapital – das wäre unmöglich zu managen», erwiderte der Anwalt der Aktionäre und wirft der Basis implizit vor, es gehe ihr ums Geld. Zuvor meist vor dem Konkurs stehend, hat «Charlie Hebdo» nach den Attentaten auf einen Schlag zwölf Millionen Euro eingenommen. Die Auflage ist nach der millionenschweren «Überlebens-Ausgabe» wieder auf 170’000 gesunken; das ist aber immer noch mehr als die 50’000 verkauften Exemplare normaler Ausgaben.
«Ich erhalte Morddrohungen und jetzt will mich auch noch die Direktion auf die Strasse stellen – bravo, Charlie!»
Die «Charlie»-Redaktion gibt den Vorwurf zurück: Frühere Aktionäre wie Philippe Val hätten sich den Sondergewinn von einer Million Euro aus hohen Auflagen im Gefolge erster Mohammed-Karikaturen von 2007 persönlich unter den Nagel gerissen. Nach den Anschlägen von Anfang Jahr hatte der nun ausscheidende Luz bereits von «vergifteten Millionen» gesprochen.
Und das Gift verbreitet sich immer mehr. Vergangene Woche liess die Direktion verlauten, sie gedenke die Redakteurin Zineb El Rhazoui wegen – nicht präzisierter – «schwerer Fehler» zu entlassen. Die unter Polizeischutz stehende Religionssoziologin konterte höhnisch: «Ich erhalte Morddrohungen, ich muss bei Freunden oder im Hotel übernachten, und jetzt will mich auch noch die Direktion auf die Strasse stellen – bravo, Charlie!» Die Direktion krebste diese Woche zurück und spricht nicht mehr von Entlassung, sondern von einer blossen Vorladung.
Manche fragen sich inzwischen, wie das Blatt unter diesen Umständen überhaupt noch erscheinen kann. Aber das fragen sie sich eigentlich seit seiner Gründung im Jahre 1970.