Syriza ist der Preis der Sparpolitik

Die Wahl der Linkspartei Syriza setzt nicht nur ein Zeichen gegen die radikale Sparpolitik der europäischen Troika. Sie ist auch ein demokratischer Aufstand gegen Griechenlands korrupte politische Klasse und die Macht der Oligarchie.

Greek Prime Minister Alexis Tsipras addresses a news conference after meeting European Parliament President Martin Schulz (not pictured) at the EU Parliament in Brussels February 4, 2015. REUTERS/Francois Lenoir (BELGIUM - Tags: POLITICS BUSINESS HEADSHOT)

(Bild: FRANCOIS LENOIR)

Die Wahl der Linkspartei Syriza setzt nicht nur ein Zeichen gegen die radikale Sparpolitik der europäischen Troika. Sie ist auch ein demokratischer Aufstand gegen Griechenlands korrupte politische Klasse und die Macht der Oligarchie.

Nach dem Wahlsieg der griechischen Linkspartei Syriza überschlagen sich in den deutschen Medien hysterische Kommentare. Dabei fällt zweierlei auf. Erstens tut man so, als könne Griechenland die Europäische Union «erpressen». Zweitens gibt man sich schockiert ob der Wahl des Koalitionspartners. Daneben finden sich allerdings auch leisere Töne, deren spezifisches Merkmal darin besteht, auf Tatsachen zu rekurrieren.

Zum ersten Punkt muss aus meiner Sicht klargestellt werden, dass die Politik der «Troika» (Vertreter des Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank und der Europäischen Kommission) von Anfang an nichts anderes als autoritäre Nötigung war, frei nach dem Motto: «Wenn ihr nicht macht, was wir wollen, dann kommt der Staatsbankrott.»  Dieses Spiel wiederholte sich bei der Auszahlung jeder Tranche. Und was wollte die Troika? Die Durchsetzung einer radikalen Sparpolitik. Und ganz nebenbei setzte Deutschland durch, dass deutsche Rüstungsgüter trotzdem gekauft werden müssen.

Die Reichen tragen keine Last

Aus heutiger Perspektive dürfte eigentlich jedem klar sein, dass die Sparpolitik gescheitert ist. Zwar hat Griechenland viel gespart (der strukturelle Haushaltsüberschuss beträgt 4 Prozent), aber die Überschuldung ist angewachsen (177% des Bruttoinlandsprodukts). Der Preis, der gezahlt wurde: Das Bruttoinlandsprodukt ist im Vergleich zu 2008 um 25 Prozent eingebrochen, Löhne Renten und Sozialleistungen unterliegen einer massiven Kürzung, die Gesundheitsversorgung gibt es nur gegen Vorauszahlung, die Investitionen liegen bei null.

Parallel zum Einbruch des Bruttoinlandsprodukts stieg die Arbeitslosigkeit auf 25%, die Jugendarbeitslosigkeit liegt sogar bei 50%. Langzeitarbeitslose bekommen keinerlei soziale Unterstützung. Welche Belastungen mussten Reiche und Superreiche tragen? Keine. Es gibt kein vernünftiges Steuerrecht. Wenn Sparpolitik dazu führt, dass ein zu hoher sozialer Preis gezahlt werden muss, die Überschuldung anwächst und nicht erkennbar ist, woher ein Wachstum kommen soll, das die Schuldenabtragung ermöglichen könnte, dann scheitert sie. Nur Menschen, die vom Konzept «Sparen hilft aus der Krise» auf dogmatische Weise überzeugt sind, lassen sich von Tatsachen nicht überzeugen. Aber war das auch ex ante absehbar? Für meine Partei zumindest schon.

Die angebliche Vertretbarkeit von «Grexit» heisst nichts anderes, als dass Banken mit öffentlichen Geldern gerettet wurden.

Schliesslich hat die «Rettungspolitik» der Troika dazu geführt, dass die deutschen und französischen Banken ihren Anteil an den griechischen Staatsanleihen entsorgen konnten. Wenn heute munter über die «Verkraftbarkeit» eines «Grexit» diskutiert wird, so verbirgt sich dahinter die Aussage, dass mit öffentlichen Geldern wieder einmal Banken gerettet worden sind. Damit hat der deutsche Staat wiederholt Politik im Interesse der grossen Finanzkonzerne gemacht.

Die Frage lautet ganz einfach, ob wir dem Süden Europas weiterhin Geld geben zum Abbau oder endlich zum Aufbau, sprich für sinnvolle Investitionen in die Wirtschaft.

Wie muss man nun den Wahlsieg von Syriza deuten? Ganz offensichtlich handelt es sich um einen demokratischen (!) Aufstand gegen eine oktroyierte falsche Politik, die zur Zerstörung des Sozialstaats und zu einer katastrophalen wirtschaftlichen Entwicklung geführt hat. Es ist ein Votum gegen die korrupte politische Klasse und die Macht der Oligarchie. Und natürlich: Es ist auch ein Signal, dass Schluss sein muss mit einer Politik gegen die übergrosse Mehrheit der Bevölkerung.

Keine Alternative zur Anel

Der andere Punkt, auf den sich deutsche Kommentatoren beziehen, ist die Wahl des Koalitionspartners von Syriza: die «Unabhängigen Griechen» (Anel). Zweifellos handelt es sich bei der Anel um eine rechtskonservative, populistische Partei. Um es offen zu sagen: Meine Wunschpartnerin wäre diese Partei bestimmt nicht. Aber: Die sich bisher die Herrschaft teilenden Parteien Nea Dimokratia und Pasok haben mehr als toleriert, auch durch persönliche Verflechtungen, dass im Staat Bestechlichkeit um sich griff und er zur Beute einer Oligarchenclique geworden ist.

Die einzige weitere Linkspartei, die nicht mit dem Establishment verbandelt ist, ist die KKE. Leider verweigert diese Partei Syriza jede Unterstützung. Jede Alternative zur Anel hätte darin bestanden, auf zentrale Programmpunkte verzichten zu müssen. In der dramatischen Lage Griechenlands kann man mit Wählerinnen und Wählern nicht so umgehen, wie einige deutsche Zeitungen es gern hätten.

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