TagesWoche-Wahlumfrage: Cramer brilliert, Wessels muss zittern

Steht die rot-grüne Mehrheit auf der Kippe? Muss Wessels in den zweiten Wahlgang? Die repräsentative Wahlumfrage der TagesWoche und der «bz Basel» offenbart manche Überraschung.

Neuling Conradin Cramer (LDP) und amtierender Baudirektor Hans-Peter Wessels (SP): Beide strahlen, doch nur einer der beiden Regierungsratskandidaten kann zuversichtlich in die Zukunft blicken.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Steht die rot-grüne Mehrheit auf der Kippe? Muss Wessels in den zweiten Wahlgang? Die repräsentative Wahlumfrage der TagesWoche und der «bz Basel» offenbart manche Überraschung.

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Noch etwas mehr als sechs Wochen, dann wird in Basel gewählt. Und zum ersten Mal überhaupt gibt es bereits im Vorfeld belastbare Indizien dafür, wie es um die politischen Mehrheitsverhältnisse in dieser Stadt steht. 

Bleibt die Basler Regierung in links-grüner Hand oder stehen wir vor der bürgerlichen Wende? Die TagesWoche und die «bz Basel» haben zusammen mit dem Forschungsinstitut Sotomo eine repräsentative Online-Umfrage durchgeführt – und die Ergebnisse halten einige Überraschungen bereit.

Würde heute gewählt, dann könnten in einem ersten Wahlgang nur fünf der sieben Regierungssitze besetzt werden. Sotomo weist in der Auswertung der Umfrage für jeden Kandidaten den Stimmenanteil am Total aller gültigen Eingaben aus. Fünf Bisherige treten an, doch nur vieren gelingt es auf Anhieb, ihren Sitz zu behalten. So kommt SP-Baudirektor Hans-Peter Wessels in der ersten Runde nur auf 48 Prozent der Stimmen und muss demnach in einen zweiten Wahlgang.

Während sich Eva Herzog, Christoph Brutschin (beide SP) und Lukas Engelberger (CVP) einigermassen sicher fühlen dürfen, erreicht Baschi Dürr (FDP) mit 51 Prozent das absolute Mehr nur haarscharf. Erfahrungsgemäss legen diejenigen Kandidaten, deren Namen bereits bekannt sind, gegen Ende des Wahlkampfes noch zu. Die Resultate der Bisherigen dürften sich bis zum Wahlsonntag also noch verbessern.

Wackelkandidat Wessels, Darling Cramer

Herzog gelingt gemäss Umfrageresultaten, wie schon vor vier Jahren, mit 63 Prozent das eindeutig beste Resultat. Dicht auf den Fersen der SP-Regierungsrätin, und das ist die zweite Überraschung, ist Neuling Conradin Cramer (59 Prozent). Diesem scheint am 23. Oktober ein grosser Wahlerfolg bevorzustehen, lässt er doch den langjährigen Regierungsrat Brutschin ebenso hinter sich wie die Listenkollegen Engelberger und Dürr.

Cramer ist das, was man «Everybody’s Darling» nennen könnte, er geniesst Sympathien quer durch die verschiedenen politischen Lager. Von der FDP bekommt der LDPler noch mehr Stimmen als deren eigener Kandidat Dürr. Und gar jeder vierte SP-Anhänger schreibt Cramers Name auf den Wahlzettel. Es ist ein «ungewöhnlich gutes Resultat für einen Neukandidierenden», schreiben die Studienautoren von Sotomo in ihrer Auswertung der Umfrage.

Cramer selbst freut sich, wenn auch verhalten, über sein Abschneiden in der Umfrage. «Das Ergebnis ist eine schöne Überraschung.» Er breche darüber zwar nicht in Jubel aus, denn es stelle lediglich eine Momentaufnahme dar. «Auch haben wir in Basel noch wenig Erfahrung mit solchen Umfragen», sagt Cramer. «Es ist aber auf jeden Fall ein motivierendes Signal.»

Die dritte Überraschung versteckt sich im Rennen um die Nachfolge von Guy Morin. Hier liegen die Grüne Elisabeth Ackermann und der SVPler Lorenz Nägelin praktisch gleichauf. Spektakulär ist diese Nachricht vor allem für Nägelin, der einen Stimmenanteil von 40 Prozent erzielt. Damit schneidet er weitaus besser ab, als dies anderen SVP-Kandidaten in Basel bisher gelungen ist. Das bürgerliche Viererticket scheint also zu funktionieren. Weit abgeschlagen und damit chancenlos sind offenbar Heidi Mück (BastA!) und Martina Bernasconi (GLP). Dies obwohl Mück dank breiter SP-Unterstützung auf beachtliche 32 Prozent Stimmenanteil kommt.

Dürr löst Morin als Regierungspräsident ab

Im zweiten Rennen, der Wahl eines Regierungspräsidenten, sind die Verhältnisse klar. Laut Umfrage erhält Baschi Dürr 44 Prozent der Stimmen und darf sich dank einem komfortablen Vorsprung auf die zweitplatzierte Elisabeth Ackermann relativ sicher fühlen. Da jedoch auch Dürr das absolute Mehr noch nicht erreicht, würde es hier ebenfalls zu einem zweiten Wahlgang kommen. Dies liegt vor allem daran, dass der Anteil Vereinzelter zum jetzigen Zeitpunkt noch recht gross ausfällt. Je näher die Wahl rückt, desto kleiner fällt dieser Anteil jedoch erfahrungsgemäss aus, was Dürr und Ackermann letztlich zugute kommen sollte.

Auffällig ist auch, dass Dürr seit seinem letzten Versuch, das Präsidialdepartement zu übernehmen, kaum Sympathien gewonnen zu haben scheint. Bereits damals erzielte er nur rund 40 Prozent der Stimmen und wurde vom weitaus populäreren Grünen Guy Morin (57 Prozent) abgehängt.

So funktionierte die Umfrage

Die Umfrage von TagesWoche und «bz Basel» zu den Regierungs- und Grossratswahlen lief zwischen dem 25. und 31. August 2016 auf den Websites beider Zeitungen – durchgeführt wurde sie vom Schweizer Institut Sotomo.

Teilgenommen haben 2321 Personen – rund 1800 Resultate waren auswertbar. Da es sich um eine freiwillige Befragung (opt-in-survey) handelt, wäre die Stichprobe per se nicht repräsentativ. Deshalb wurde sie von Sotomo gewichtet, was eine hohe soziodemografische und politische Repräsentativität gewährleistet. Sotomo erreicht mit seinen Online-Umfragen in anderen Kantonen jeweils eine hohe Genauigkeit, somit lassen sich im Vorfeld von Wahlen und Abstimmungen präzise Momentaufnahmen erstellen. Das Institut verwendet laut eigenen Angaben «statistische Verfahren gemäss dem neuesten Stand der Wissenschaft».

Die TagesWoche und «bz Basel» werden kurz vor dem Wahltermin eine zweite Umfrage-Welle lancieren.

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