Tal unter Zugzwang

Kaum zur Ruhe gekommen, muss das Homburgertal schon wieder um seine Bahn kämpfen.

Obwohl die SBB die Strecke immer wieder als Ausweichroute brauchen, steht das «Läufelfingerli» schon wieder auf der Abschussliste (Bild: Nils Fisch)

Kaum zur Ruhe gekommen, muss das Homburgertal schon wieder um seine Bahn kämpfen.

An der Bundesfeier schien die S-Bahn am unteren Hauenstein endlich gerettet. Unter dem Beifall der Politprominenz taufte das versammelte Homburgertal einen Zug auf den Namen «Läufelfingerli». Der Läufelfinger Gemeinderpräsident Dieter Forter sprach von einem Freudentag. SBB-Vertreter Michel Berchtold betonte, wie wichtig für Randregionen gute Verbindungen in die Zentren seien.

Doch kaum haben die SBB den modernen Gelenktriebwagen auf der ursprünglichen Strecke zwischen Olten und Sissach eingefahren, kommt schon der nächste Angriff auf die Nebenlinie. Diesmal veröffentlicht das Bundesamt für Verkehr im Auftrag des Bundesrats eine Sparliste. Auf dieser sind die unrentablen Bahnstrecken verzeichnet, die ihre Kosten höchstens zur Hälfte decken. Bei 175 Linien will der Bund prüfen, ob sich diese nicht günstiger mit einem Bus betreiben liessen. Auch auf der Liste: das «Läufelfingerli», das gerade mal 20 Prozent seiner Kosten einfährt.

Dieter Forter ärgert sich über den neusten Angriff aus Bern. Versucht doch die Gemeinde seit Jahren, das Dorf zu beleben. So öffnete nicht zufällig der erste Tierfriedhof der Schweiz vor gut zehn Jahren in Läufelfingen seine Pforten. Zahlreiche Kleinbetriebe bieten im 1300-Seelen-Dorf Arbeitsplätze an.

Der ewige Kampf zermürbt, weckt aber Kampfeslust im Homburgertal.

Das brachliegende Areal einer abgewanderten Baumaterialfirma übernahm die Gemeinde gleich selbst und machte sich auf die Suche nach Investoren. Diese fragen immer zuerst, ob der verkehrstechnische Anschluss gewährleistet sei.

Erst vor zwei Jahren schien die Zukunft der Bahn endlich gesichert: Die SBB investierten vier Millionen Franken, erhöhten Perrons, frischten Bahnhöfe auf. Schliesslich dient die Linie der Bahn als Ausweichroute für Schnellzüge: Ist der Abschnitt zwischen Sissach und Olten durch den Hauenstein-Basistunnel wegen Bauarbeiten oder einer Störung blockiert, weichen die Fernverkehrszüge über die alte Hauensteinlinie aus. Deshalb müssen die SBB die Infrastruktur der Strecke sowieso pflegen. Ob dann noch ein von Kanton und Bund bezahlter Gelenktriebwagen die Strecke befährt, macht keinen grossen Unterschied mehr.

Dennoch musste die Theologin und ehemalige Läufelfinger Gemeinde­präsidentin Margrit Balscheit jahrelang um das «Läufelfingerli» kämpfen: «Seit 30 Jahren will uns alle paar Jahre wieder jemand die Bahn wegnehmen. Das zermürbt, weckt aber auch Kampfeslust.» Wenn es darum geht, um den Bahnanschluss zu kämpfen, sind im Nu Unterschriften gesammelt. Die geteilte Empörung über die Arroganz und Ignoranz der Zentren schweisst zusammen.

Blick aufs Ganze verloren

«Oft stehen nur die Kosten im Fokus. Dabei geht der Blick aufs Ganze ver­loren», kritisiert Margrit Balscheit. Denn gerade der öffentliche Verkehr zeigt beispielhaft, dass die Hauptachsen von den Zuströmen der Neben­linien profitieren. Wer diese abschneidet, verliert automatisch auf den Hauptlinien Bahnfahrer an die Strasse­. Der Ofenbauer Stefan Zemp, der während Jahren Stammkunde des «Läufelfingerli» war, schüttelt denn auch den Kopf: «Immer wieder fordern wirtschaftliche Zentren von Randregionen, sie sollten innovativ sein. Gleichzeitig torpedieren sie ­deren Anstrengungen, indem der ­Service public infrage gestellt oder ­abgebaut wird.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12

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