Tankstellen fürchten um ihre Existenz

Ein Volksentscheid sollte eigentlich die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops erwirken. In Basel passierte das Gegenteil: Die Verwaltung verlangt von sämtlichen Tankstellen auf Kantonsgebiet, die Shops am Sonntag und in der Nacht zu schliessen.

Bald zappenduster? Tankstellenshop am Kannenfeldplatz. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Ein Volksentscheid sollte eigentlich die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops erwirken. In Basel passierte das Gegenteil: Die Verwaltung verlangt von sämtlichen Tankstellen auf Kantonsgebiet, die Shops am Sonntag und in der Nacht zu schliessen.

Wenige Hundert Meter trennt die Coop-Tankstelle an der Reinacherstrasse beim Dreispitz von einer Socar-Tanke auf Münchensteiner Boden. Beide führen ähnliche Produkte in ihren Auslagen, beide dürften eine ähnliche Kundschaft ansprechen. Doch nur einer der beiden Shops darf auch künftig sonntags offen sein, vom anderen verlangen die Behörden die Schliessung. 

Die gesetzliche Grundlage ist bei beiden Shops dieselbe, gelegt wurde sie mit einem Volksentscheid 2013, als die Schweiz einer Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops zustimmte. Das zumindest dachten die Stimmbürger, auch in Basel-Stadt, das mit 57 Prozent Ja sagte.

Doch während im Baselbiet bis auf einen Standort auch in Zukunft sämtliche Tankstellenshops rund um die Uhr offen sein dürfen, lag bei den Pächtern der Basler Tankstellen die Aufforderung im Briefkasten, «den gesetzeskonformen Zustand wiederherzustellen». Sprich: die Shops an Sonntagen und ab 23 Uhr zu schliessen.

Verzweifelte Reaktionen

Die Aufforderung (auf der Rückseite des Artikels zu finden) erhalten haben alle 18 Tankstellen mit integrierten Shops. Erste Reaktionen fielen verzweifelt aus. Vor allem wegen der verlangten Schliessung am Sonntag fürchten die Pächter der Tankstellen nun um ihre Existenz.

Um zu verstehen, wie aus einer Liberalisierung eine Verschärfung werden konnte, muss man zurückschauen:

Nachdem das Bundesgericht 2010 mehreren Zürcher Tankstellen den Dauerbetrieb untersagt hatte, verlangte die bürgerliche Mehrheit im Parlament eine Änderung des Arbeitsgesetzes. Ein Referendum der Gewerkschaften und Kirchen dagegen verwarf das Volk. Der Entscheid des Bundesgerichts war wenig plausibel: Zwar durften die Tankstellen weiterhin ein Bistro und die Zapfsäulen in den Sperrzeiten betreiben, die Regale mit Lebensmitteln und Haushaltsprodukten mussten aber abgedeckt werden, um die Mitarbeiter zu schonen.

Pendlerverkehr gilt nicht

Zu genau dieser Situation kommt es nun wieder in Basel, da nur Tankstellenshops an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr in den Genuss der Liberalisierung kommen. «Wir sind der Meinung, dass es in Basel nur auf der Autobahn starken Reiseverkehr gibt», sagt Antonina Stoll, Mitglied der Geschäftsleitung des zuständigen Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA). Pendler- und Ortsverkehr gelten gemäss Bundesgericht explizit nicht. 

Kurioserweise konnten Basler Tankstellenshops vor der Abstimmung problemlos am Sonntag geöffnet sein. Damals seien auch schon Gesetze verletzt worden, wirft Stoll ein. «Doch es hat niemand so genau hingeschaut, die Shops wurden toleriert.» Nach der Volksabstimmung sei dies nicht mehr möglich, nun müsse der vom Gesetz verlangte Zustand hergestellt werden.

Baselbiet und Zürich zeigen sich grosszügig

Doch dieser Zustand wird in Basel-Stadt anders interpretiert als in anderen Kantonen. Im angrenzenden Baselbiet würden sämtliche Tankstellenshops bis auf einen an Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr liegen, lautet die Erklärung von Eva Pless, Leiterin der Abteilung Arbeitsrecht, und sie fügt zufrieden an: «Bei uns läuft die Umsetzung problemlos.»

Anders als in Basel-Stadt habe Baselland die Hauptverkehrwege bereits vor der Abstimmung definiert, eine Überprüfung habe ergeben, dass alles gesetzeskonform sei. So will der Kanton beispielsweise beim Bachgraben, wo ein grosser Tankstellenshop von Coop steht, eine Hauptverkehrsachse mit starkem Reiseverkehr ausgemacht haben.

Auf die Nachfrage, ob dort nicht bestenfalls Pendlerverkehr durchrolle, erwidert Pless: «Falsch, dort hat es Reiseverkehr nach Frankreich.» Schliesslich räumt sie ein, dass das Baselbiet eine «lebbare» Umsetzung des Gesetzes vorgenommen habe.

Auch der Kanton Zürich interpretiert das restriktive Gesetz freizügig: Dort gelten sämtliche Kantonsstrassen als Hauptverkehrswege mit starkem Reiseverkehr. Von der Umsetzung des Gesetzes sei keine einzige Tankstelle betroffen, erklärt das zuständige Amt auf Anfrage. 

Szenario wie bei den Raucherbeizen

Nach ersten empörten Rückmeldungen der Benzinzapfer, die geltend machen, ohne das Sonntagsgeschäft im Shop die Tankstelle dichtmachen zu müssen, geht man auch in Basel nochmals über die Bücher. Die enge Definition der Hauptverkehrsachsen mit starkem Reiseverkehr würde nochmals überdacht, versichert Antonina Stoll vom AWA.

Bis einzelne Shops definitiv schliessen müssen, werde noch viel Zeit vergehen, beschwichtigt Stoll. Sie rechnet mit einem ähnlich langen Verfahren wie bei den Fümoarbeizen, die trotz Rauchverbot jahrelang in ihren Lokalen weiterrauchen liessen, bis schliesslich das Bundesgericht dem Ganzen ein Ende setzte. «Bis ein allfälliger Rekurs rechtsgültig abgelehnt ist, können die Shops weitermachen», so Stoll versöhnlich.

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