Tiefere Grenzgänger-Löhne sind illegal

Schweizer Firmen, die nur Grenzgängern den Lohn senken, verstossen gegen das Gesetz. Das Kantonsgericht Baselland bestätigte ein erstinstanzliches Urteil: Die Kündigung von sechs Grenzgängern der Firma Stöcklin Logistik aus Aesch war missbräuchlich.

Fünf der sechs Grenzgänger, die vor dem Baselbieter Kantonsgericht Recht bekamen. (Bild: Matieu Klee)

Schweizer Firmen, die nur Grenzgängern den Lohn senken, verstossen gegen das Gesetz. Das Kantonsgericht Baselland bestätigte ein erstinstanzliches Urteil: Die Kündigung von sechs Grenzgängern der Firma Stöcklin Logistik aus Aesch war missbräuchlich.

Acht, zweiundzwanzig, ja sogar dreissig Jahre hatten sechs Grenzgänger für die Aescher Fördertechnik-Spezialistin, Stöcklin Logistik, gearbeitet. Jetzt sahen sie ihren ehemaligen Chef und Verwaltungsratspräsidenten, Urs Grütter, vor dem Baselbieter Kantonsgericht wieder.

Die Stöcklin Logistik AG informierte im Juni 2010 ihre Belegschaft, die Firma leide stark unter der Eurokrise. Deswegen frage die Geschäftsleitung die Grenzgänger an, ob diese bereit wären, eine Lohneinbusse von sechs Prozent hinzunehmen und zwar so lange, bis der Euro wieder auf einen Kurs von 1.50 Schweizer Franken steige. 114 der 120 angeschriebenen Grenzgänger kreuzten auf dem Formular «Ja» an. Die sechs, die sich weigerten, bekamen im September die Kündigung. Sie hätten das Angebot ausgeschlagen, deswegen werde ihnen jetzt gekündigt, schrieb das Unternehmen.

Klassischer Fall einer Rachekündigung

Das hätte die Firma besser bleiben lassen. Denn für die Mehrheit der Richter vor dem Baselbieter Kantonsgericht war der Fall spätestens damit klar: eine missbräuchliche Rachekündigung. Dass die Firma den sechs Grenzgängern mit der Kündigung doch noch einen Vertrag anbot, aber mit noch schlechteren Bedingungen als jene für die übrigen Grenzgängerkollegen (die Lohnsenkung sollte selbst bei einem Kurs von 1.50 nicht mehr aufgehoben werden), machte die Sache noch offensichtlicher: Da sollten ein paar undankbare Arbeiter bestraft werden, die nicht bereit waren auf Lohn zu verzichten, weil die Firma nach Sparmöglichkeiten suchte. «Ein klassischer Fall einer Rachekündigung», sagte Richter Dieter Freiburghaus.

Mit zwei gegen eine Stimme befand das Baselbieter Kantonsgericht, die damals ausgeprochenen Kündigungen seien missbräulich. Das Gericht bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil. Doch damit nicht genug. Auch die Lohnsenkung für einen Teil der Arbeitnehmer, nämlich für die Grenzgänger, sei gesetzeswidrig, befand das Gericht. Einem Teil der Belegschaft nur wegen deren Wohnort den Lohn zu senken, verstosse gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Darin ist ausdrücklich festgehalten, dass ausländische Arbeitskräfte nicht diskriminiert werden dürfen. Vergeblich hatte der Firmenanwalt plädiert, unterschiedliche Lebenskosten dürfe ein Arbeitgeber bei der Lohnhöhe berücksichtigen.

Kündigungen waren gleich zweifach missbräuchlich

Das Gericht befand mit zwei gegen eine Stimme, der Arbeitgeber dürfe das Währungsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer abwälzen. Vor allem aber dürfe nicht einfach ein Teil der Belegschaft für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden, nur weil diese nicht in der Schweiz wohnten. «Die Eurokrise darf nicht auf dem Buckel eines Teils der Belegschaft ausgetragen werden», sagte der vorsitzende Richter Edgar Schürmann.

Einzig Richter René Borer versuchte dagegenzuhalten und beantragte etwa, die wegen der missbräuchlichen Kündigung nachzuzahlenden Monatslöhne auf ein Minimum von einem Monat zu beschränken. Allerdings bemühte er sich vergeblich um juristische Argumente, die seine Richterkollegen überzeugt hätten. Er argumentierte vielmehr politisch: «Am Ende haben wir in der Schweiz Verhältnisse wie in Frankkreich oder Deutschland, wo Arbeitgeber nicht mehr bereit sind, Arbeitnehmer anzustellen.»

Das Gericht reduzierte zwar die nachzuzahlenden Monatslöhne, doch das Strafmass bewegt sich noch immer nahe beim Maximum von 6 Monatslöhnen mit einmal 6, drei Mal 5, einmal 4 und 2 Monatslöhnen, welche die Stöcklin den Gekündigten noch zusätzlich zahlen muss.

Nur in einem Punkt kam das Gericht der Aescher Firma entgegen: Obwohl die Firma während Jahren gegen den Gesamtarbeitsvertrag verstiess, indem sie die Belegschaft 41 statt 40 Stunden pro Woche arbeiten liess, muss sie keine Überstunden nachzahlen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Nach der schriftlichen Urteileröffnung haben beide Parteien die Möglichkeit, den Fall vor das Bundesgericht zu ziehen. Die Gewerkschaft Unia, welche die Entlassenen unterstützt hat, zeigte sich in einer Stellungnahme «hoch erfreut über das klare Signal des basellandschaftlichen Kantonsgerichts in Sachen Eurolöhne».

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