Gewerkschaftshotels würden selbst die von den Gewerkschaften geforderten Mindestlöhne bei einem Fünftel ihrer Angestellten nicht einhalten, schreibt heute der Tages-Anzeiger. Die Unia widerspricht.
Die Gewerkschaftshotels «Hotel Bern» und «Freienhof» in Thun zahlten einem Fünftel ihrer Angestellten weniger als 4000 Franken. Dies schreibt der Tages-Anzeiger in seiner heutigen Ausgabe. Das ist deshalb brisant, weil die Gewerkschaften einen Mindestlohn von eben diesen 4000 Franken fordern. So zitiert das Blatt denn auch den SP-Ständerat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes Paul Rechsteiner, der an der 1. Mai-Kundgebung in Basel gesagt hatte: Angestellte mit einem Lohn von unter 4000 Franken verdienten zuwenig, «um davon leben zu können, anständig leben zu können.»
Die beiden Hotels in Bern und Thun gehören mehrheitlich den Gewerkschaften. Die Gewerkschaft Unia, Mehrheitsaktionärin der Hotels, veröffentlichte umgehend eine Richtigstellung: Es sei falsch, dass ein Fünftel der Mitarbeitenden weniger verdiene, als es die gewerkschaftliche Mindestlohninitiative fordere. Der Tages-Anzeiger habe falsch gerechnet, den 13. Monatslohn schlicht nicht berücksichtigt. Die Mindestlohninitative verlangt 4000 Franken Mindestlohn bei 12 Monatslöhnen, bei 13 sind es umgerechnet knapp 3700 Franken. (13 x 3700 Franken sind 48’100 Franken Jahreslohn. Das entspricht umgerechnet auf zwölf Monate einem Monatslohn von 4008 Franken. Die Stellungnahme der Gewerkschaft im Wortlaut auf der Rückseite dieses Artikels.)
Tiefster Lohn tatsächlich unter dem geforderten Mindestlohn
«Die Hotels Bern und Freienhof zahlen Löhne, die spürbar über dem Mindestlohn des Gesamtarbeitsvertrags und über dem Branchen-Niveau liegen», schreibt die Unia. Allerdings erfüllt eine Gruppe der Angstellten die Anforderungen der Mindestlohninitiative tatsächlich nicht, wie Pressesprecher Hans Hartmann auf Nachfrage der TagesWoche bestätigt: Der tiefste Lohn überhaupt, der Einstiegslohn für Ungelernte liegt noch «ganz knapp unter den Forderungen der Mindestlohinitiative», sagt Hartmann. Es fehlen noch hundert Franken: 3600 Franken bei 13 Monatslöhnen statt 3700.
Wie viele Angestellte zu diesem tiefsten Lohn arbeiten, konnte der Pressesprecher nicht beziffern. Es seien aber mit Sicherheit sehr viel weniger als zwanzig Prozent. Ab 2014 verspicht die Unia Besserung: Dann sollen diese Tiefstlöhne noch einmal angehoben werden und damit alle Löhne in den Hotels der Mindestlohninitiative entsprechen.