Todesstrafe gegen Mursi bestätigt, aber hängen wird der Ex-Präsident wohl nicht

Ein Gericht in Kairo hat das international kritisierte Todesurteil gegen den entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi bestätigt. Das Urteil ist ein weiterer Beleg, dass die Sisi-Regierung an ihrer harten Haltung gegenüber den Islamisten festhält.

Muslim Brotherhood members wave with the Rabaa sign, symbolizing support for the Muslim Brotherhood, with other brotherhood members at a court in the outskirts of Cairo, Egypt, June 2, 2015. An Egyptian court postponed on Tuesday issuing a final ruling over a death sentence recommendation for former Islamist President Mohamed Mursi and other top Muslim Brotherhood leaders in a case related to a 2011 mass jail break. The judge said the case was postponed to June 16. REUTERS/Amr Abdallah Dalsh TPX IMAGES OF THE DAY

(Bild: REUTERS/Amr Abdallah Dalsh)

Ein Gericht in Kairo hat das international kritisierte Todesurteil gegen den entmachteten Präsidenten Mohammed Mursi bestätigt. Das Urteil ist ein weiterer Beleg, dass die Sisi-Regierung an ihrer harten Haltung gegenüber den Islamisten festhält.

Mohammed Mursi soll hängen. Nach den Empfehlungen des Mufti, der höchsten religiösen Instanz, hat der Vorsitzende Richter Shabaan al-Shamy am Dienstag die definitiven Urteile in einem Massenprozess bekannt gegeben.

Angeklagt waren der ehemalige Präsident und 165 Kader der Muslimbrüder. Sie sollen einen Gefängnisausbruch während der Wirren der Revolution 2011 organisiert und dabei auch mit Hamas und Hizbollah zusammengearbeitet haben.

Mursis Todesstrafe vom 16. Mai und mehrere Todesurteile für hochrangige Kader wurden nun bestätigt. Der ehemalige Präsident hat zudem in einem weiteren Prozess eine lebenslängliche Strafe wegen Spionage erhalten. Gegen die Urteile kann noch Rekurs eingelegt werden.

Abschreckung wirkt weiter

Bis ein Todesurteil durch den Strick gegen Mursi vollzogen werden könnte, ist es noch ein langer Weg, aber die Drohung, die eine abschreckende Wirkung auf seine Anhänger haben soll, bleibt aufrecht. Mit Mursi steht nicht nur ein Individuum vor Gericht, sondern ein ganzes Regime.

Die erste Fassung des Richterspruches mit dem Todesurteil hatte bereits weltweit Empörung ausgelöst, weil es einen demokratisch gewählten Präsidenten betraf. Und der dürfte auch gemäss der ägyptischen Verfassung nicht einfach von einem gewöhnlich Gericht abgeurteilt werden. Der Präsident des Deutschen Bundestages Nobert Lammert hatte es nicht bei Worten belassen und aus Protest den ägyptischen Präsidenten Abdelfattah al-Sisi bei dessen Besuch vor wenigen Tagen in Berlin nicht empfangen.

Sisi wie auch andere Regierungsvertreter relativieren diese Todesurteile immer wieder, indem sie betonten, dass es ja noch Rekursmöglichkeiten gebe. Damit bestätigen sie indirekt die Vorwürfe, dass die Justiz politische Urteile fällt. Amnesty International etwa sprach im Mai von einer Charade, die auf ungültigen Prozeduren beruhe.



Former Egyptian President Mohamed Mursi waves during his appearance in court on the outskirts of Cairo, Egypt, June 2, 2015. An Egyptian court postponed on Tuesday issuing a final ruling over a death sentence recommendation for former Islamist President Mohamed Mursi and other top Muslim Brotherhood leaders in a case related to a 2011 mass jail break. The judge said the case was postponed to June 16. REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

Wurde erneut zum Tode verurteilt – dass Mursi aber je durch den Strick sterben könnte, ist dennoch nicht anzunehmen. Die Regierung würde das Risiko von neuen, gewalttätigen Unruhen wohl nicht eingehen. (Bild: AMR ABDALLAH DALSH)

Justiz als Instrument der Unterdrückung

Dass Mursi je durch den Strick sterben könnte, ist dennoch nicht anzunehmen. Die Führung würde das Risiko von neuen, gewalttätigen Unruhen wohl nicht eingehen. Die Justiz mit ihren harschen Urteilen, oft in unfairen Massenprozessen gefällt, bleibt aber ein wichtiges Instrument in den Bestrebungen der neuen – von der Armee gestützten – Machthaber in Kairo, die Organisation der Muslimbrüder nicht nur zu schwächen, sondern bis in die Grundfesten zu zerstören.

Diese Bestrebungen halten seit der Entmachtung Mursis und der blutigen Auflösung der Protestlager seiner Anhänger im Sommer 2013 unvermindert an. Derzeit gibt es Säuberungswellen in verschiedenen Ministerien. Eben wurden wieder Dutzende meist karitative Organisationen geschlossen, ebenso wie die Touristikfirma eines angesehenen Fussballidols. In den Gefängnissen sitzen über 15’000 Anhänger der Muslimbrüder – ihre Organisation wurde inzwischen als Terrororganisation eingestuft –, und fast täglich kommen neue dazu.

Nach dem jüngsten Richterspruch könnte sich der Trend zu Gewalt noch verstärken.

Die Kampagne der Unterdrückung hat Wirkung gezeigt. Die Organisation ist geschwächt und die Führung sendet konfuse Signale aus. Die Koordination zwischen dem inländischen und dem ausländischen Arm scheint immer schwieriger. Regelmässig verbreitet die Regierung in Kairo Meldungen, es seien neue Zellen ausgehoben worden, die Informationen über die Sicherheitskräfte gesammelt und Anschläge vorbereitet hätten.

Tatsächlich gibt es Anzeichen einer Radikalisierung auf Seiten der Muslimbrüder, vor allem bei der jungen Generation. Eine Gruppe junger Mitglieder hatte kürzlich dazu aufgerufen, sich an Soldaten und Richtern zu rächen. Nach dem jüngsten Richterspruch könnte sich der Trend zu Gewalt noch verstärken. Dies ist eine Entwicklung, die warnende Stimmen schon länger vorausgesagt hatten. Auf Seiten der Islamisten, aber auch auf der Seite der Regierung haben die Hardliner das Sagen. Auch in der breiten Bevölkerung gibt es keine Sympathie für die Islamisten, die trotz ihrer kurzen Regierungszeit pauschal für alle Probleme des Landes nach der Revolution von 2011 verantwortlich gemacht werden.

Druck von aussen auf Sisi?

Präsident Sisi hat auch ein Jahr nach seinem Amtsantritt keine politische Vision, wie er mit dem politischen Islam verfahren will; ein Thema, das wichtig ist in der ägyptischen Gesellschaft. Sisi denkt nur in Sicherheitskategorien, andere Antworten hat er keine. Ob er sich einer Verständigung mit den Islamisten noch lange verschliessen kann, hängt auch von den Entwicklungen in der Region ab.

Ein entscheidendes Wort hat da der König von Saudi-Arabien als wichtiger Geldgeber der ägyptischen Regierung. In mehreren Krisen der Region zeichnet sich ab, dass die lokale Organisation der Muslimbrüder in politische Lösungen einbezogen werden sollen. Das gilt für den Jemen und auch für Libyen. Wenn Riad zum Schluss kommt, für die ägyptische Stabilität wäre eine Annäherung an die Muslimbrüder ebenfalls von Vorteil, müsste sich Sisi wohl bewegen.

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