Trip in die Baselbieter Heimat

Sissach, Durchfahrtsort für Reisende, die es durch den Hauenstein nach Süden zieht. Aber wieso nicht einfach mal aussteigen und die bebende Seele des Baselbieters von oben betrachten? Das geht nirgends besser als hier.

(Bild: Andreas Schwald)

Sissach, Durchfahrtsort für Reisende, die es durch den Hauenstein nach Süden zieht. Aber wieso nicht einfach mal aussteigen und die bebende Seele des Baselbieters von oben betrachten? Das geht nirgends besser als hier.



Sissach, Metropole des Oberbaselbiets: Wer hier lebt, glaubt, es fehle ihm an wenig.

Sissach, Metropole des Oberbaselbiets: Wer hier lebt, glaubt, es fehle ihm an wenig. (Bild: Andreas Schwald)

Heimat. Was zum Henker ist das bloss? Ein Gefühl? Ein Ort? Das, was auf der ID steht, hinter diesem schrecklichen alten Foto, das einen als den ausweist, der man von Amtes wegen ist? 

Wenn dem so ist, dann kann ich ja von Amtes wegen glücklich sein, denn hier steht «Sissach BL», der Ort, an dem ich aufgewachsen bin, der Ort, an dem meine Eltern wohnen, und der Ort, an dem ich den Lokaljournalismus lernte.

Reisen wir also in die Heimat. Kommen Sie nur mit: Die Baselbieter sind gar nicht so leid, wie sie der Städter gerne macht. Natürlich sind sie etwas konservativ, die Landschäftler. Das mag der Stolz sein und die Geschichte, die uns 1834 aus der Knechtschaft der edlen Städter befreite. Kein Wunder, sitzt das noch in den Knochen. So nach 182 Jahren.




Wir haben den Ex-Kollegen Andreas Schwald in die alte Heimat geschickt: nach Sissach – und auch zur «Volksstimme», seiner journalistischen Heimat. Die haben dort auch schon Cat-Content. (Bild: Andreas Schwald)

Wir nehmen also den Zug, wie die Pendler, die jeden Morgen Richtung Stadt fahren und abends wieder zurück. Wie die Ausflügler an den Wochenenden, zu denen wir jetzt halt auch gehören. Wo wir schon dabei sind: Nehmen Sie ruhig Funktionsjacke und Trekkingschuhe mit.

Willkommen in Sissach. Hier, wo sich die Bäche des Homburgertals und des Diegtertals zwischen üppig grünen Hügelflanken in die Ergolz ergiessen. «Metropole des Oberbaselbiets» nannte vor Jahren ein Banntagsredner die Gemeinde, als er auf der über alles thronenden Kanzel der Sissacher Fluh stand und ihm die Sonne auf den Hut knallte.

Die Achse der Grünen

Hört, hört, dachten wir damals als junge Lokalreporter der «Volksstimme», was für eine hübsche Zeile für unsere Zeitung, während die hiesigen Männer daneben zustimmend brummten und schon mittelstark angetrunken Gemeinschaft zelebrierten (es war der erste richtige Halt auf der Route). Das gefiel irgendwie allen dort, auch dem letzten SP-Regierungsrat des Baselbiets, der ursprünglich aus dem Emmental kam und in Sissach seine zweite Heimat fand.

Und da steigen wir jetzt hoch. Natürlich nicht ins Emmental, sondern auf die Sissacher Fluh.




Das Ziel ist die Fahne im Wind: immer in Richtung Norden, hoch zur Sissacher Fluh. (Bild: Andreas Schwald)

Vom Bahnhof aus gehen wir stracks gen Norden. Wir passieren die Öko-Siedlung, wo Regierungsrat Isaac Reber wohnt, gewinnen an Höhe und erblicken bald den Hof von Nationalrätin Maya Graf. Das ist die Achse der Grünen, denn Sissach ist ganz schön politisch, aber es ist auch eine schöne Achse ins Grüne. Sie führt uns immer höher, auf etwas über 700 Meter über Meer. Sollten Sie eine Wurst eingepackt haben: Hier können Sie relativ ungestört grillieren. Für alle anderen hat es eine Beiz.




Allzeit bereit – auch für Klöpfer: der Grillplatz auf der Fluh. (Bild: Andreas Schwald)

Und wenn Sie dann so von der Kanzel schauen, von ganz vorne, wo es hinter dem Geländer stotzig abwärts geht, dann stimmen Sie dem Banntagsredner sicher zu: Ein bisschen metropolig ist es hier schon, so wie sich das Tor zu den Talschaften präsentiert.

Aber pscht jetzt, mir wei luege: nämlich auf die wunderbare Weite, wo Sie Ihr stadtgetrübtes Auge an satten Juraketten laben können. Vielleicht verstehen Sie dann ein bisschen besser, warum der Baselbieter gopfertuschmi manchmal so ein sturer Siech ist: Wer das alles hat, der glaubt, ihm fehle es an wenig.




Pscht … mir wei nur luege. (Bild: Andreas Schwald)

Das Schloss? Erbaut von einem Städter

Wir steigen wieder ab. Ist Ihnen zu heiss, besuchen Sie doch die Badi im Osten, wo Sie ein paar stramme Exemplare turnvereinsgestählter Wädli bestaunen können. Mögen Sie es erhabener, spazieren Sie nach Westen: zur Schlossanlage Ebenrain.




Ein Märchenschloss – mit gierigen Gänsen: Schloss Ebenrain. (Bild: Andreas Schwald)

Die gehörte auch mal einem Städter, nämlich dem Seidenbandfabrikanten Martin Bachofen, wurde aber Mitte des 20. Jahrhunderts vom Kanton übernommen und dient jetzt unter anderem als Repräsentationsbau für Empfänge der Regierung. Oder als Märchenkulisse für Hochzeiten. Vorsicht übrigens beim Weiher: Die Gänse hier sind ganz schön gierig. Mann, was hatten wir früher Angst vor denen.




Entspannen lässt sich gut im Park des Schlosses, gleich daneben liegt die Landwirtschaftsschule Ebenrain – mit stattlichen Fruchtbäumen. (Bild: Andreas Schwald)

Abgesehen davon weist die Gemeinde neben einer ordentlichen Auswahl an rustikalen Beizen auch ein respektables Henkermuseum auf, das dem lokalen Tätowierer gehört, eine Kunsteisbahn, deren morsches Holzdach mittlerweile grössere Berühmtheit erlangt hat als die Eishockey-Mannschaft, die darunter spielen sollte, sowie eine Reihe saisonaler Anlässe, die von ortsansässigen Vereinen organisiert werden.




Das ist jetzt vielleicht schon etwas knapp, aber seien Sie versichert: Die örtlichen Vereine lassen sich regelmässig etwas einfallen. (Bild: Andreas Schwald)

Das alles ist irgendwie diese «Heimat». Ein Gefühl, gebunden an einen Ort, den man besser zu kennen glaubt als jeden anderen. An einen Ort, von dem man glaubt, dass er einen ebenso kennt. Ja, es ist dieses überaus seltsame Gefühl, das einen überfällt, wenn man in den Zug steigt, um einen Ort zu verlassen, den man gar nie richtig verlassen kann. Sie kennen das. Und dennoch wage ich zu behaupten: Der Sissacher kennt das stets ein bisschen besser. 

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Einkehren: Bergwirtschaft Sissacherfluh, Fluehmatten, Sissach, 061 971 13 71, info@sissacherfluh.ch. Montag bis Donnerstag 9 bis 23 Uhr, Freitag und Samstag 9 bis 24 Uhr, Sonntag 9 bis 21 Uhr, Freinacht auf Anfrage.

Abschalten: Schwimmbad Sissach, Teichweg 66, Sissach. Montag bis Freitag: 9 bis 20 Uhr; Samstag und Sonntag inkl. Feiertage 9 bis 19 Uhr.

Abstürzen: Billard & Music-Club Joker, Bahnhofstrasse 19, Sissach.

Hinlegen:




(Bild: Andreas Schwald)

Hotel Restaurant zur Sonne, Hauptstrasse 83, Sissach, 061 971 27 55. Eine Nacht im Einzelzimmer ab 125 Franken, im Doppelzimmer ab 200 Franken, Ausnahmen während der Basler Messen.

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