Nach einem Schuldspruch gegen al-Masry-Fans aus Port Said für ihre Beteiligung an tödlichen Fussball-Tumulten brachen in Port Said Unruhen aus, bei denen mindestens 30 Menschen starben und 300 verletzt wurden. Die ägyptische Armee ging in Stellung.
Die Jubelgesänge und Feuerwerke der Ahly-Ultras vor ihrem Club in Zamalek waren weit herum zu hören, als ein Richter das lange erwartete Urteil verkündete. Gegen 21 Anhänger des Fussballclubs al-Masry aus Port Said verhängte er die Todesstrafe. Das Urteil wird an den Grossmufti weitergeleitet, der einer Exekution zustimmen muss. Die Verurteilten mussten sich zusammen mit 52 weiteren Angeklagten für die schlimmste Fussball-Tragödie Ägyptens verantworten.
Im Februar des letzten Jahres hatten nach einem Fussball-Spiel der beiden Clubs Masry-Fans nach ihrem 3:1-Sieg das Spielfeld gestürmt. Bei der anschliessenden Panik und gewaltsamen Zusammenstössen starben 72 Menschen, fast alles Ahly-Ultras. Das Urteil gegen die restlichen Angeklagten hat der Richter auf den 9. März angesetzt. Auch im Gerichtssaal in der Polizei-Akademie in Kairo kam es zu Freudenausbrüchen unter den Familienangehörigen der Opfer.
Verschwörung des alten Regimes?
Ganz andere Szenen spielten sich in Port Said an. Dort versuchte eine aufgebrachte Menge das Gefängnis zu stürmen, in dem die Angeklagten untergebracht sind. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften, in deren Verlauf schon um die Mittagszeit 16 Tote, darunter zwei Polizisten, und über 50 Verletzte zu beklagen waren. Die Masry-Fans versuchten auch andere staatliche Einrichtungen in Port Said zu stürmen. Die Menschen der Hafenstadt waren vor allem aufgebracht, weil die harschen Todesurteile nur «gewöhnliche» Personen betrafen und nicht die ebenfalls angeklagten neun Sicherheitsoffiziere und drei Mitglieder der Masry-Clubleitung.
Die Ahly-Fans hatten damals behauptet, Mitglieder des gestürzten Mubarak-Regimes hätten die Ausschreitungen provoziert. Seit dieser Tragödie wird in Ägypten kein Club-Fussball mehr gespielt. Am 2. Februar soll nach mehreren Anläufen, die durch Ultras verhindert wurden, die Liga ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen, bestätigte der Fussballverband am Samstag.
Im Internet entspannte sich sofort eine heftige Diskussion, ob mit diesem Urteil Gerechtigkeit oder Rache geübt worden sei. Viele würden die Todesurteile nur begrüssen, lautete eine Vermutung, weil sie sich vor weiteren Gewalttaten der Ahly-Ultras gefürchtet hätten. Diese waren am letzten Mittwoch bereits zu Tausenden durch Kairo gezogen, hatten die Börse und die Metro blockiert und vor weiterem Chaos gewarnt, sollten die Urteile nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfallen. «26. Januar Blut» lautete die Warnung, die sie an vielen Orten der Nilmetropole aufgemalt hatten. Die Furcht war in Kairo zu spüren, es waren nur wenige Leute unterwegs, nachdem bereits die Demonstrationen am Freitag zum zweiten Jahrestag der Revolution des 25. Januar in mehreren Städten in Gewalt ausgeartet waren und ebenfalls mindestens elf Tote, die Mehrheit davon in Suez, gefordert hatte.
Ultras als Miliz der Revolution
Die ägyptischen Fussball-Ultras sind seit der Revolution zu einer wichtigen gesellschaftlichen Kraft geworden. Es gibt sie seit 2007 und sie hatten beim Ausbruch der Revolution bereits viel Erfahrung im Kampf gegen die Sicherheitskräfte. Einen Entscheid als Gruppe an der Revolution teilzunehmen, hat es nie gegeben. Sie waren es aber gewohnt, sich gegen Ungerechtigkeiten aufzulehnen und für Freiheit zu kämpfen, und so sind die Ultras so etwas wie die Miliz der Revolution geworden. Dabei haben die Rivalitäten zwischen den Anhängern der grossen Clubs in Kairo, Zamalek mit den White Knights und Ahly mit den Ahlawys, aufgehört.
Die Tragödie von Port Said hatte zur Folge, dass die Ultras neuen Zulauf in grosser Zahl erhalten haben. Zählte der harte Kern früher einige Tausend, sind es jetzt Zehntausende. Die Ultras sind heute stärker als jede Partei und die Polizei, und die Trennung zwischen Sport und Politik gelingt nicht mehr scharf.