Ungaren schufteten für 8 statt 32 Franken

Drei Ungaren arbeiten für einen Stundenlohn von 8 statt 32 Franken auf Baustellen in der Region Basel – unter anderem auch auf einer Baustelle des Kantons. Der Arbeitgeber schuldet den Männern insgesamt fast 50’000 Franken.

Ein viel zu tiefer Lohn, fehlende Sozialleistungen und Überstunden - Milán G., Ferenc Lörinc und Bálint M. (v. l. n. r.) besprechen am Tag vor ihrer Rückreise nach Ungarn bei der Unia das weitere Vorgehen. (Bild: Stefan Bohrer)

Drei Ungaren arbeiten für einen Stundenlohn von 8 statt 32 Franken auf Baustellen in der Region Basel – unter anderem auch auf einer Baustelle des Kantons. Der Arbeitgeber schuldet den Männern insgesamt fast 50’000 Franken.

Seit dem Wochenende sind die drei Männer wieder zurück in Ungarn, bei ihren Frauen und Kindern. Während den letzten Monaten waren die gelernten Maler zu einem Tiefstlohn auf verschiedenen Baustellen in der Region tätig. Unter anderem beim Neubau der Hochschule für Gestaltung auf dem Dreispitz-Areal, wie sie erzählen.

Angestellt waren die drei bei der Firma Filber GmbH in Winterthur. Der Chef des Unternehmens, ebenfalls ein Ungar, warb im Internet für Arbeit in der Schweiz und versprach einen attraktiven Stundenlohn von über 20 Franken. Die Männer meldeten sich auf das Inserat und landeten gemeinsam in einer Wohnung in der Nähe von Lörrach.

Die anfänglichen Versprechen ihres Arbeitgebers lösten sich rasch in Luft auf: Die monatliche Miete für die Wohnung von rund 300 Franken pro Person zog ihnen der Arbeitgeber direkt vom Lohn ab. Statt für 20 Franken pro Stunden setzten sich die Männer für knapp acht Franken jeden Morgen ins Auto und fuhren eine halbe Stunde über die Grenze in die Schweiz, wo sie an immer wieder neuen Baustellen eingesetzt wurden.

Auf Arbeitsunfall folgt die Kündigung

Auf einer Baustelle in Allschwil quetscht Bálint M.* Mitte Juni einen Finger in einer Kabelrolle ein. Kaum vertraut mit seinen Rechten, weiss er nicht, ob er einen Arzt aufsuchen darf. Sein Arbeitgeber rät ihm davon ab, sagt M.

Als er weiter auf einen Arztbesuch drängt, fordert ihn sein Chef auf, nach Ungarn zurückzureisen, gemeinsam mit seinem Landsmann und Wohnungsgenossen Milán G.* Schliesslich folgt für die beiden die Kündigung.

Tamás S.*, der dritte im Bunde, ist bereits seit vier Jahren als Wanderarbeiter in Westeuropa unterwegs. Er ist von der Kündigung nicht betroffen, solidarisiert sich aber mit seinen beiden Arbeitskollegen und Mitbewohnern.

Die Reaktion ihres Arbeitgebers auf den Arbeitsunfall beunruhigt ihn. Tamás S. vermutet, sie seien möglicherweise «schwarz» angestellt und macht sich Sorgen, er könnte bei einer Arbeitskontrolle seine Aufenthaltsbewilligung verlieren. Die kommenden Tage sollte er auf der Baustelle beim Novartis-Campus arbeiten. Einer Baustelle, wie er sagt, wo es regelmässige Kontrollen gebe.

Lohnschulden über 50’000 Franken

Schliesslich melden sich die drei Männer bei der Gewerkschaft Unia. Trotz massiven Drohungen ihres Arbeitgebers, wie sie berichten. Bei einer Abklärung durch die Gewerkschaft erhärtet sich der Verdacht von Tamás S.: Die Unia vermutet bei allen drei Männern Schwarzarbeit: Alles deutet darauf hin, dass der Arbeitgeber keinerlei Sozialversicherungen geleistet hat, sagt die Gewerkschaft.

Zudem ist den Arbeitern massiv zu wenig Lohn ausbezahlt worden: Gemäss Gesamtarbeitsvertrag (GAV) hätten sie Anspruch auf einen Stundenlohn von 32.29 Franken. Tatsächlich erhielten die Männer einen Nettolohn von 7.96 Franken.

Gemäss Berechnungen der Unia schuldet der Arbeitgeber den drei Männern insgesamt knapp 50’000 Franken. Bei der Gewerkschaft geht man nicht davon aus, dass dieser den Betrag «freiwillig» bezahlen werde.

Die Ungaren hoffen auf neue Arbeit in der Schweiz

In einem nächsten Schritt will die Gewerkschaft den Betrag gerichtlich einfordern. «Sollte das Unternehmen Konkurs gehen», sagt Gewerkschaftssekretär Andreas Besmer, «werden wir auf die Solidarhaftung pochen.» Die neue Massnahme des Bundesrates, wonach Erstunternehmer künftig für ihre Subunternehmen haften, tritt allerdings erst am 15. Juli in Kraft.

Die Arbeiter haben aber nicht nur viel zu wenig verdient, sie haben auch viel zu viel gearbeitet – gemäss den Arbeitsprotokollen bis zu 60 Stunden pro Woche. Auch das ein deutlicher Verstoss, gegen das geltende Arbeitsrecht.

Der erneute Lohn-Skandal stärkt die Gewerkschaft in ihren bisherigen Forderungen: Es brauche die zwingenden Anmeldung aller Arbeiter vor Arbeitsaufnahme bei den zuständigen Behörden und Stellen, mehr und effektivere Kontrollen sowie verbesserten Zugang der Gewerkschaften auf die Baustelle, schreibt sie in ihrer Mitteilung.

Die drei Arbeiter aus Ungarn wollen sobald wie möglich in die Schweiz zurückkommen und zu gesetzeskonformen Bedingungen eine neue Arbeitsstelle finden. In Ungarn, sagen die drei, sei es zur Zeit beinahe unmöglich, im Baugewerbe eine Arbeitsstelle zu finden.

Kanton will Konsequenzen ziehen

Der Kanton Basel-Stadt zeigt sich beunruhigt über die Berichte der drei Ungaren. Man werde überprüfen, ob die Filber GmbH tatsächlich auf der Baustelle auf dem Dreispitzareal als Subunternehmen unter Vertrag gestanden habe, sagt Thomas Blanckarts, Leiter des Hochbauamtes Basel. «Je rascher wir das wissen, desto besser.»

Der zuständige Generalunternehmer habe vor einigen Wochen gegenüber dem Kanton Schichtbetrieb angemeldet, um den engen Zeitplan einzuhalten. Daraufhin habe das Hochbauamt den CEO des Generalunternehmens in einem Brief dazu gemahnt, sich trotz dem Zeitdruck an alle gesetzliche Vorgaben zu halten.

«Sollte sich herausstellen, dass die Berichte der ungarischen Arbeiter stimmen, dann hat das Konsequenzen», sagt Blanckarts. Auch eine Kündigung des Vertrages mit dem Generalunternehmen sei in diesem Fall nicht ausgeschlossen. «Die geschilderten Arbeitsbedingungen sind für uns ein absolutes No-Go.»

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