20 bewaffnete Serben wurden am Sonntag festgenommen, weil sie einen Putsch geplant haben sollen. Messenger-Dienste und die Website des grössten Oppositionsmediums waren am Wahltag zeitweise nicht erreichbar. NGOs berichten von Unregelmässigkeiten bei den Wahlen.
Die Wahlen in Montenegro sind durch einen angeblichen Putschversuch überschattet worden. Die Polizei nahm 20 Serben fest, die geplant haben sollen Premierminister Milo Djukanović zu kidnappen, die Kontrolle über das Parlament zu ergreifen und den «Sieg gewisser Parteien» zu verkünden. Gemeint ist die prorussische und proserbische Demokratische Front (DF).
Als Anführer der mutmasslichen Putschisten wurde laut Medienberichten der frühere serbische Gendarmerie-General, Bratislav Dikić, identifiziert, der sich in einem Veteranenverband engagiert und öffentlich gegen den Beitritt Montenegros zur Nato geäussert hat. Laut Angaben der montenegrinischen Behörden wurde die mit zahlreichen Waffen und Munition ausgestattete Gruppe am Grenzübergang zwischen Serbien und Montenegro festgenommen. Das Innenministerium rief die Bürger des Landes auf, nach den Wahlen zuhause zu bleiben.
Unregelmässigkeiten während den Wahlen
Der proserbische DF-Vorsitzende Andrija Mandić bezeichnete die Erklärung der Polizei als «billige Propaganda». Serbiens Ministerpräsident Alexander Vučić zeigte sich überrascht, «dass dies heute geschieht», und sagte, es sei besser, dass «ich mir drei Mal auf die Zunge beisse und schweige».
Die Beziehungen zwischen Serbien und Montenegro sind seit Jahren angespannt. Montenegro erklärte sich nach einem knappen Referendum im Jahr 2006 für unabhängig und löste sich damit aus dem gemeinsamen Staat mit Serbien. Ausserdem hat Montenegro die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt, das von Serbien weiterhin als Teil des eigenen Staatsgebiets angesehen wird.
Ein Teil der Bevölkerung in Montenegro steht in Fundamentalopposition zum Nato-Beitritt des Landes, der bald anstehen soll. Vor allem die proserbischen Kräfte im Land wollen nicht dem Militärbündnis beitreten, von dem sie 1999 noch bombardiert wurden. Die Wahlen wurden von vielen als ein Referendum über den Beitritt zur Nato gesehen.
«Auf viele Personen wurde Druck ausgeübt, zur Wahl zu gehen, und mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht.» –
Am Wahltag stellten viele Montenegriner fest, dass Messenger-Dienste wie WhatsApp und Viber nicht mehr funktionierten. Sie wurden blockiert – auf Anordnung der staatlichen Behörden, die sich unter der Kontrolle der amtierenden Regierung befinden. Auch die Website des grössten Oppositionsmedium Vijesti war zeitweise nicht zu erreichen.
Die Wahlbeteiligung war für südosteuropäische Verhältnisse mit 73,2 Prozent verdächtig hoch für die Region. Der Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien in Graz, Florian Bieber, erklärt im Gespräch: «Sowohl die Regierung als auch die Opposition haben diese Wahl sehr wichtig genommen. Allerdings wurde auf viele Personen auch Druck ausgeübt, zur Wahl zu gehen, und mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes gedroht.»
Ob Staatsdiener in Montenegro wählen gehen, kontrollieren Personen vor den Wahllokalen, wie die Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation CDT (Centar za demokratsku transiciju) berichten. Das Kreuz sollen sie natürlich bei der Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) des amtierenden Premierministers Milo Djukanović machen. Darüber hinaus berichtet die CDT über Stimmenkauf vor den Wahllokalen.
Der ewige Premier bleibt an der Macht
Vor allem am Vormittag sollen die Montenegriner fleissig gewählt haben. Kritiker glauben, dass die falschen Stimmen zu diesem Zeitpunkt ausgezählt wurden. Darauf deuten auch die Recherchen der NGO Mans hin. Die Organisation konnte mehrere Personen auf den Wählerlisten identifizieren, die längst verstorben sind. Darüber hinaus waren verschiedene Wähler mit denselben Fingerabdrücken registriert. Es deutet viel darauf hin, dass manche zwei Stimmen für die DPS abgegeben haben.
Der Oppositionspolitiker Nedeljko Rudović von der Partei Ključ (Schlüssel) kommentierte den Wahlausgang: «Auf uns wurden Attacken und starker Druck ausgeübt. Diese Wahl kann nie und nimmer als frei und fair bezeichnet werden.»
Unregelmässigkeiten? Für Präsident Milo Djukanovic haben laut NGOs sogar die Toten gestimmt. (Bild: Keystone/Boris Pejovic)
Trotz aller Unregelmässigkeiten erreichte die DPS des amtierenden Premierministers Milo Djukanović nur 36 der 81 Mandate im montenegrinischen Parlament. Darüber hinaus kann Djukanović mit den vier Sitzen der Minderheitenvertreter der Bosniaken, Kroaten und Albanern rechnen, die sich sicher keinem proserbischen Bündnis anschliessen werden.
Mithilfe einer weiteren sozialdemokratischen Partei käme eine Koalition unter Milo Djukanović auf 42 der 81 Mandate und somit zu einer sehr knappen Mehrheit. Die prorussische DF kommt als grösste Oppositionspartei auf 18 Mandate.
Florian Bieber kommentiert den Wahlausgang: «Damit hat es in Südosteuropa wieder ein Langzeitherrscher geschafft, sich an der Macht zu halten. Das ist ermutigend für andere autoritäre Figuren in der Region.» Darüber hinaus kritisiert Bieber, die EU schaffe sich die falschen Feinde und sei öffentlich sehr zurückhaltend, wenn es um Kritik an Djukanović gehe. «In Montenegro wird die EU von vielen daher als Komplize eines autoritären Herrschers und nicht als Reformmotor gesehen. Die EU droht es sich mit den eigentlich proeuropäischen Kräften im Land zu verscherzen.»
Zweifelhafte Ehrung
Milo Djukanović ist seit 1991 an der Macht und kann nun mit vier weiteren Amtsjahren rechnen. Kritiker werfen ihm einen diktatorischen Regierungsstil, Korruption und enge Kontakte zur organisierten Kriminalität vor.
Das Journalistennetzwerk des Organized Crime and Corruption Reporting Project etwa hat Djukanović 2015 zum Mann des Jahres in der Kategorie «organisiertes Verbrechen» gewählt. Sie «würdigen» damit seine Leistungen, eine repressive Atmosphäre geschaffen zu haben sowie einen sicheren Hafen für die organisierte Kriminalität mitten in Europa.