«Unsere Jungs waren so stolz»

Das bulgarische Roma-Team Vladislavovo spielte im Spartak Stadion von Varna gegen die Auswahl des Chemikalienherstellers Solvay Sodi. Und die gesamte TagesWoche-Redaktion fieberte mit.

Die Mannschaft von links nach rechts. Stehend: Sebastiyan, Strachiel, Michael, Moice, Micho, Iliya. Kauernd: Isus, Rocko, Pancho und Nasco.

Das bulgarische Roma-Team Vladislavovo spielte im Spartak Stadion von Varna gegen die Auswahl des Chemikalienherstellers Solvay Sodi. Und die gesamte TagesWoche-Redaktion fieberte mit.

Die Gegner des Chemikalienproduzenten Solvay Sodi erwiesen sich als unerwartet hartnäckig. Bald lagen die Kicker aus dem Roma-Slum Vladislavovo drei Tore hinten gegen die Fabrikarbeiter, sichtlich beeindruckt von der physischen Stärke der Solvay-Auswahl. Die Partie schien bereits gelaufen, eine Blamage unausweichlich.

Showdown im Spartak Stadion von Varna: Soda-Fabrik gegen Vladislavovo.

Showdown im Spartak Stadion von Varna: Soda-Fabrik gegen Vladislavovo. (Bild: Rebecca Zorko)

«Es wurde schnell klar, dass wir es hier mit einem ernsthaften Gegner zu tun haben», analysiert Team-Sprecherin Rebecca Zorko die kritische Anfangsphase der Partie. 

Eine mögliche Erklärung für die anfängliche Schwäche: Der Mannschaftsbus war im Feierabendstau von Varna steckengeblieben, erst unmittelbar vor Anpfiff (4. April um 18 Uhr, lokale Zeit) gelangte man ins Spartak Stadion der bulgarischen Schwarzmeerstadt. Hätte man den Bus früher besteigen, den Stau einkalkulieren können, ja müssen? Hätte, hätte, Fahrradkette.

Denn, um auf den Punkt zum kommen: Vladislavovo drehte die Partie, am Schluss resultierte ein 8:7-Erfolg. «Mit jeder Minute gewannen unsere Spieler an Selbstvertrauen, so dass sie ihre Chancen schliesslich in Tore ummünzen konnten», meldet Frau Zorko aus Varna und konstatiert: «Es war eine grosse Überraschung, unsere Jungs waren so stolz.»

Und wir erst! Im Sommer 2012 hatten wir die heutigen Spieler auf einer Reportage über das Leben im Roma-Slum kennengelernt. Wir besuchten den Deutschen Frank Abbas, der dort mit der kleinen NGO Hilendarski ein wichtiges Projekt unterhält. Er organisiert mit seinen jugendlichen Roma-Helfern Schulunterricht, Krankenversorgung und das Gemeinwesen im von den Behörden gemiedenen Aussenbezirk. Mit dem Ziel, der nachkommenden Generation eine Zukunft ausserhalb von Müllsammeln, Betteln oder organisierter Kriminalität zu ermöglichen. 

Sorry, dass wir die kleinen Grössen vergessen haben.

Sorry, dass wir die kleinen Grössen vergessen haben. (Bild: Rebecca Zorko)

Auf Wunsch von Abbas – und weil wir bei Real Madrid abgeblitzt sind – hat die TagesWoche mit Unterstützung des Birsfeldner Sportgeschäfts Visam Sport den kickenden Jungs von Vladislavovo einen Satz Trikots und ein paar Bälle gestiftet, die nun zum ersten Mal zum Einsatz kamen.

Das Fazit von Rebecca Zorko, einer Mitarbeiterin von Abbas: «Was für ein Spiel! Das bedeutete so viel für uns. Gibt es einen besseren Weg, Roma und Bulgaren zusammenzubringen, als mit einem gemeinsamen Fussballspiel?»

Sepp Blatter hätte seine helle Freude an dieser Story.

Mehr Bilder der Partie und Informationen zum Roma-Projekt gibt es auf der Webseite der NGO Hilendarski.

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