Unsere Leuchttürme – zur Debatte um die Uni Basel

Der Uni Basel mangle es an Lichtgestalten, jammert die BaZ und stösst damit eine unsinnige Debatte an, denn sie lenkt von den wirklichen Problemen der Alma Mater am Rhein ab.

(Bild: Pro Leuchtturm Basel)

Der Uni Basel mangle es an Lichtgestalten, jammert die BaZ und stösst damit eine unsinnige Debatte an, denn sie lenkt von den wirklichen Problemen der Alma Mater am Rhein ab.

Was ist ein Basler Leuchtturm? Der Roche-Turm ist gewiss einer, und zwar im doppelten Sinn – real und symbolisch. Am unteren Ende der Stadt hätte er einen Zwillingsbruder bekommen sollen, wenn es nach einem 2014 lauthals verkündeten Projekt gegangen wäre: einen riesigen Leuchtturm (125 Meter plus 30 Meter Antenne) in Kleinhüningen, der an Sehnsuchtsgefühle appelliere. Daraus ist bisher allerdings nichts geworden.

Nun ist aber im trendigen Marketing-Sprech von weiteren und anderen Basler Leuchttürmen die Rede, von solchen am Nadelberg, an der Maiengasse, am Bahnhof: von Uni-Leuchttürmen nämlich, die es einmal gegeben habe und die heute leider nicht mehr so recht leuchten würden. Vielleicht auch nicht mehr so weit, um in Liestal wahrgenommen zu werden.

Leuchttürme könnten einzelne Institute (etwa das Europainstitut im Gellert) oder einzelne Projekte (zum Beispiel Eikones am Rheinsprung) sein. Nun aber soll es um die Frage gehen, ob einzelne Professoren und neuerdings erfreulicherweise vermehrt auch Professorinnen Leuchttürme sind, wie dies in guten alten Zeiten (allerdings ohne Frauen) mit den Grossprofessoren der Fall war, dem Philosophen Jaspers, dem Theologen Barth, dem Germanisten Muschg, dem Historiker Bonjour, dem Biologen Portmann etc.

Unsinnige Debatte, neu aufgemischt

Solche Diskussionen gab es schon früher. Damals redete man aber nicht von Leuchttürmen, sondern von Sternen. Je nach Zählweise war vom Drei- oder Fünfgestirn (die oben Genannten) die Rede. Ungerade musste die Zahl offenbar sein. Die Zahl war und ist aber willkürlich und die Zählung falsch. Natürlich haben sich auch in der jetzt laufenden Debatte sogleich Leser gemeldet und – an sich zu Recht – weitere Namen genannt, die «vergessen gingen», zum Beispiel den bekannten Staatsrechtler Max Imboden. Man hätte auch einen Edgar Salin und andere vermissen können.

Der BaZ ist es gelungen, eine unsinnige Debatte neu aufzumischen. Der Altrektor musste schiefe Vorstellungen korrigieren, und der Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät musste an die veränderten Gegebenheiten und die dennoch erbrachten Leistungen erinnern. Seine Stellungnahme wurde von der Neurektorin ins Netz gestellt – und die BaZ konnte über den von ihr erzeugten Effekt selbstzufrieden sein.

Widersprüchliche Klage

Die Klage der BaZ ist in typischer Weise widersprüchlich: Einerseits sieht es so aus, als ob sie eine bessere und in Form von «Grösse» mehr Geisteswissenschaft und so etwas wie universitäre Heroen wünschte. Andererseits dient dieser scheinbar wohlmeinende Wunsch dazu, die heutigen Leistungen der Basler Geisteswissenschaften anzuzweifeln.

Nicht zufällig wird diese Wissenschaftssparte aufs Korn genommen. Deren Nutzen wird insbesondere auf dem rechten Politflügel gern infrage gestellt wegen ihrer gesellschaftskritischen Funktion und der angeblich auf dem Arbeitsmarkt schwer zu vermittelnden Akademiker – was allerdings der Realität völlig widerspricht.

Es besteht die Tendenz, den Nutzen von Geistes- und Kulturwissenschaften zu unterschätzen.

Aus dieser bekannten Abneigung hat die SVP Schweiz im Frühjahr 2015 eine Halbierung der Studienplätze und einen Numerus Clausus für die Geistes- und Sozialwissenschaften gefordert. Dadurch hat sie die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) gezwungen (was nicht nur schlecht ist), mit einer Gegenaktion auf einer neu geschaffenen Website den Wert und Nutzen dieses Wissenschaftsbereichs darzulegen.

Unter dem Aspekt des einfach verstandenen Nutzens besteht die Tendenz, in falschen Vergleichen mit Natur- und Medizinwissenschaft den Nutzen von Geistes- und Kulturwissenschaften zu unterschätzen, obwohl man von ihnen viel profitiert.

Zahlreiche Professoren und ein speziell hoher Anteil der Philosophisch-Historischen Fakultät leisten auch heute und sogar vor allem heute einen direkten gesellschaftlichen Beitrag: in der Volkshochschule, der Seniorenuniversität, der Kinderuniversität, in der Uni-Nacht und an Maturitätsinformationstagen, im Café Scientifique und in zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen.

Die BaZ meinte, ohne dies selber wirklich beurteilen zu können, auch die internationale Strahlkraft infrage stellen zu dürfen. Mitglieder der angesprochenen Fakultäten sind in elektronischen und traditionellen Medien an vorderster Front präsent. Einige haben sich als Pioniere auch dem neuen, international nutzbaren Instrument des «Mooc» – kostenlose Onlinekurse mit hohen Teilnehmerzahlen – zugewandt. 

Gerade in der Wissenschaft ist nicht nur Populäres gut. Auch kaum bekannte Wissenschaftler leisten exzellente Arbeit.

Auch wenn die Redaktion am Aeschenplatz es vielleicht nicht gemerkt hat, die Welt hat sich im elektronischen Zeitalter stark verändert. Auch die Uni, sie ist vernetzter geworden. Wie schief die Vergleiche zwischen dem Ehedem und Heute im angesprochenen Punkt sind, zeigt ein Versuch, sich Jaspers in der Web-Welt surfend oder Barth ein Formular für einen Drittmittel-Antrag ausfüllend vorzustellen – und umgekehrt heutige Wissenschaftler mit falschen Leuchtturm-Erwartungen nur noch als Glühwürmchen zu sehen.

Es hat etwas Populistisches, wenn gesellschaftliche Sichtbarkeit zum ersten oder gar einzigen Beurteilungskriterium gemacht wird. Aber es entspricht einem Trend, dem auch die Universitäten unterworfen sind. Dem muss die schlichte Wahrheit entgegengehalten werden, dass gerade in der Wissenschaft nicht nur Populäres gut ist und auch kaum bekannte Wissenschaftler exzellente Arbeit leisten.

Aber es gibt ihn auch in der Wissenschaft, den Zwang zur Selbstanpreisung und zur Perfektionierung des blossen Anscheins, was, weil anderes überboten werden muss, eskalierend immer weiter weg von der Substanz führt. Das hat zur Folge, dass neben Forschung und Lehre ein grosser Aufwand für den Verkauf der eigentlichen Leistungen aufgewendet werden muss.

Die richtige Debatte

Die von der BaZ angestossene Debatte ist – einmal mehr – eine falsche, weil sie von den wirklich brennenden Problemen ablenkt. Probleme, die da sind: der von den basellandschaftlichen Finanznöten ausgehende Sparzwang und der von der Uni in der Folge verhängte Anstellungsstopp.

Da führt ein anderes Blatt, die «bz Basel» die richtige Debatte und verleiht mit Frontpage-Beiträgen dem allgemeinen Stopp für Neubesetzungen von Professuren die nötige Aufmerksamkeit beim lieben Basler Publikum. Zuerst war nur davon die Rede, eine vakante Botanik-Professur nicht neu zu besetzen. Jetzt wird offenbar eine umfassende Sparübung eingeleitet, sei es aus Budgetsorgfalt, sei es, um auf Liestal indirekten Druck auszuüben.

Die «bz Basel» spricht völlig zu Recht von einem Desaster, einem Imageschaden für die Uni wie auch für den Wirtschaftsstandort Basel. Während man sich in Zürich überlegt, die Lohnskala zu flexibilisieren, um die weltbesten Wissenschaftler an Bord zu holen, kann man in Basel von einer Regierungsratskandidatin hören, man könne sich auch mit den «zweitbesten und entsprechend günstigeren» Professoren begnügen.

Ein Leutturm ist immer nur eine halbe Sache. Es braucht auch ein Umfeld, das sein Licht nutzt.

Wir könnten uns bei dieser Gelegenheit (BaZ sei Dank) überlegen, was ein Leuchtturm ist, und wir können die technischen Angaben alle auch symbolisch, das heisst auf die Universität und die ganze Gesellschaft übertragbar, begreifen. Es geht darum, im Schiffsverkehr Positionsbestimmungen zu ermöglichen, vor Untiefen zu warnen, Fahrrinnen zu markieren.

Solche Türme müssen eine gewisse Höhe haben, also errichtet man sie – um die Baukosten tief zu halten – vorzugsweise auf Anhöhen, wobei es allerdings auch sinnvoller sein kann, sie an tiefer gelegenen Stellen zu errichten, wenn sie dadurch in klareren Luftschichten stehen.

Damit kommen wir zu einem ganz wesentlichen Punkt: Ein Leuchtturm ist immer nur eine halbe Sache, und er wäre nichts, wenn es nicht auch als Pendant den Schiffsverkehr gäbe. In unserer Problemstellung sind das die Gesellschaft (und die Wirtschaft), die das Licht auch nutzen.

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Der Autor ist Verfasser einer Uni-Geschichte der Jahre 1960–1985 und zusammen mit Susanna Burghartz Co-Produzent einer 2010 zum 550-jährigen Jubiläum erarbeiteten Online-Unigeschichte.

Ein PS zu ganz anderem: zum Wahlergebnis in den USA, zur Repression in der Türkei, noch immer zum Krieg in Syrien u.a.m., da kommt mir das Gedicht von Bert Brecht in den Sinn:

«Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume (oder Basler Leuchttürme) fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschliesst!»

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