Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat den Maximalbetrag bei den Ergänzungsleistungen für Aufenthalte in Alters- und Pflegeheimen angepasst – mit weitreichenden Folgen, warnt Curaviva-Verbandspräsident Sandro Zamengo.
Sprengstoff versteckt sich zuweilen gut. «Positionspapier zur Totalrevision des Ergänzungsleistungsgesetzes und zur Verordnung zum Ergänzungsleistungsgesetz» heisst die Mitteilung, die der Verband Curaviva Baselland am Montag an Baselbieter Gemeindeverwaltungen, Landräte und Medien in der Region versandte. Curaviva Baselland vertritt die Interessen der 35 Baselbieter Alters- und Pflegeheime – und damit von 3500 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und 300 Lernenden.
Curaviva bittet die Empfänger-Gemeinden darum, «das Factsheet an den Gemeindepräsidenten und die zuständigen Gemeinderäte weiterzuleiten».
Diese sollten es sich womöglich trotz des sperrigen Titels einmal ansehen. Denn es steht Brisantes im Text. Es geht um das Geschäft 2016-167, mit dem der Regierungsrat die Kostenstruktur der Pflegeheime verändern will. Die Regierung schreibt in ihrer Vorlage, dass zwar «die Kostenstrukturen der Pflegeheime … teilweise nicht unmittelbar verbessert werden». Aber Kosteneinsparungen würden sich «mittel- bis langfristig einstellen», verspricht die Regierung.
Doch Curaviva sieht das komplett anders und schlägt Alarm.
Obergrenze wird teuer für grosse Gemeinden
Worum geht es? 3000 Menschen leben in Baselbieter Heimen. Tendenz steigend – im Baselbiet nimmt der Anteil der älteren und ältesten Einwohner stetig zu. Entsprechend steigen auch die Kosten weiter an.
Am 31. Mai 2016 unterbreitete der Baselbieter Regierungsrat dem Landrat das Geschäft 2016-167. Es sieht vor, dass eine Obergrenze eingeführt wird für die anrechenbaren Kosten für Aufenthalt und Betreuung für Bewohnerinnen und Bewohner in einem Pflegeheim oder Spital bei Ergänzungsleistungen (EL) – eine Obergrenze von 170 Franken. Und: Zwischen den Gemeinden soll «fiskalische Äquivalenz» eingeführt werden. Damit soll gewährleistet werden, dass «für jede Gemeinde der Anreiz stark ansteigt, die finanzielle Steuerung der eigenen Heime wahrzunehmen.»
Die komplizierten Worte bedeuten schlicht: Der Ansatz ist für alle Gemeinden gleich – für gross und klein, für reich und arm. Ganz egal, was der Betrieb eines grossen Betriebes kostet. Und wie Curaviva schreibt, ungeachtet dessen, dass, «die demografische Entwicklung diese Zusatzbelastung in den nächsten 25 Jahren massiv verschärfen» werde. Es sei zwar «unbestritten», dass man eine Obergrenze einführen müsse – aber die vom Kanton Basel-Landschaft vorgesehene sei viel zu tief. Curaviva möchte eine EL-Obergrenze von 210 Franken pro Tag (bzw. bei 220 Franken für Demenzplätze).
«Der Kanton gibt die Verantwortung an die Gemeinden ab»
In der Vernehmlassung von Geschäft 2016-167 meldeten laut Geschäftsbericht einzig die SP und die Grün-Unabhängigen Vorbehalte gegenüber dem Geschäft an.
Sandro Zamengo, Präsident Curaviva Baselland, wünscht sich grösseren Widerstand. «Der Regierungsrat des Kantons Baselland hat den Maximalbetrag von 170 Franken pro Tag bei den anrechenbaren Kosten für Aufenthalt und Betreuung für Bewohnerinnen und Bewohner in einem Pflegeheim oder Spital bei den Ergänzungsleistungen vorgeschlagen. Das soll so per 1.1.2018 in Kraft treten», erklärt er. «Mit den Vorbereitungen, zum Beispiel Anpassungen der Gemeindereglemente, wird damit schon nächstes Jahr begonnen.»
Sandro Zamengo, Direktor Alterszentrum Am Bachgraben Allschwil/Schönenbuch und Präsident des Verbands Curaviva Baselland.
Laut Zamengo seien sich manche Gemeinden womöglich noch nicht im Klaren darüber, was da auf sie zukomme: «Faktisch zieht sich der Kanton damit vollständig aus der Finanzierung der Altersversorgung zurück, gibt die Verantwortung an die Gemeinden ab», so Zamengo. «Ich weiss nicht, ob alle Gemeinden schon richtig mitbekommen haben, was da auf sie zukommt. Aber gerade für bevölkerungsreiche Gemeinden in Stadtnähe – Allschwil, Binningen, Oberwil, Therwil, Muttenz etc. – bedeutet dieser Entscheid jährliche Mehrkosten in Millionenhöhe.»
Rechenbeispiele
Dies, so Zamengo, weil die bisher gültige Solidarfinanzierung nur noch bis zur EL-Obergrenze ziehe. Der Altersheim-Leiter gibt ein Beispiel: «Angenommen, die Rundum-Betreuung einer dementen Person kostet 300 Franken pro Tag: Wenn Sie dafür nur noch 170 Franken bekommen, und 50 Franken pro Tag sind aus dem Einkommen und Vermögen der Person gedeckt – dann werden die fehlenden 80 Franken in Zukunft jeden Tag von der Gemeinde gedeckt werden müssen.»
Bis anhin, so Zamengo, habe der Kanton an die EL zwei Drittel der Kosten, die Gemeinde einen Drittel bezahlt.
Der Verband habe durch eine externe Firma errechnen lassen, dass der Tax- und der Kosten-Durchschnitt für die relevanten EL-Leistungen (Hotellerie und Betreuung) im Kanton Basel-Landschaft rund 207 Franken für «normale» Heime, im Bereich Demenz rund 220 Franken pro Tag betragen. «Der Kanton schiesst da mit seinen 170 Franken voll unten rein», moniert Zamengo, und fügt an: «Im Kanton Basel-Stadt liegen die vergleichbaren Taxen ab 2017 bei 190.10 Franken pro Tag für «normale» Heime und bei 213.10 Franken für «Demenzheime». Es kann ja nicht sein, dass wir im Nachbarkanton 40 Franken drunter sind.» Es werde für die Gemeinden, die die Differenz berappen müssten «brutal».
Für Zamengo ist der Entscheid des Baselbieter Regierungsrats ein «politischer Entscheid, der im momentanen Sparwahn gründet». Das Argument der finanziellen Steuerung lässt er nicht gelten: «Man suggeriert, die Gemeinden hätten nun ein Steuerungsinstrument in der Hand, um die Kosten ihrer Heime zu senken oder zu lenken. Doch die Leistungsvereinbarungen zwischen den Alterszentren und den Gemeinden gibt es schon seit 15 Jahren – die Gemeinden haben längst ein funktionierendes Instrument. Der Kanton streut den Gemeinden bloss Sand in die Augen.»
Am Ende, so befürchtet der Interessenvertreter, seien die Heime das schwächste Glied in der Kette. Sandro Zamengo: «Wenn dann etwas nicht funktioniert, falls die Leistung nicht mehr stimmt, dann wird man bei uns reklamieren. Es muss verhindert werden, dass diese Sparübungen einfach auf uns abgewälzt werden.» Das Altersheim-Geschäft sei nicht lukrativ, man könne nicht einfach 40 Franken runter. «Sonst können Sie keine Abschreibungen mehr machen für Sanierungen, neue Betten, Ausbau oder Geld sprechen für Weiterbildung oder irgendwann wieder Lohnerhöhungen – nichts. Und all das geht in einem Kanton, dessen Bevölkerung rasch überaltert, unmöglich auf.»