Verbotenes Insektizid im Futter für Zuchtlachse

Die Schweiz erlaubt seit 1. Juli wie die EU zehnmal mehr Rückstände hormonaktiver Endosulfane als bisher. Ein Erfolg der norwegischen Zuchtlachs-Industrie.

Sieg der Fischzuchtindustrie: Lachse (im Bild ein norwegischer Lachs) dürfen neu zehnmal höhere Dosen von Endosulfan enthalten. (Bild: Wikimedia/Hans-Petter Fjeld/CC)

Die Schweiz erlaubt seit 1. Juli wie die EU zehnmal mehr Rückstände hormonaktiver Endosulfane als bisher. Ein Erfolg der norwegischen Zuchtlachs-Industrie.

Die Schweiz erlaubt seit dem 1. Juli zehnmal mehr Rückstände von Endosulfan als bisher. Das hormanaktive Insektizid kann vor allem im Futter für Zuchtlachse nachgewiesen werden. Besonders für Schwangere und Kinder sei Zuchtlachs «bedenklich», wenn er mit Endosulfan belastet ist, sagt Jérome Ruzzin, Forscher an der norwegischen Universität Bergen. Die massive Erhöhung der erlaubten Rückstände im Futtermittel stellt der Biologe in Zusammenhang mit anderen Schadstoffen: «Das Niveau von Umweltgiften im Zuchtlachs ist im Verhältnis zu andern Lebensmitteln so hoch, dass man etwas unternehmen muss.»

Das hormonaktive Insektizid Endosulfan gehört wie DDT, Dioxine oder PCB zu den chemischen Verbindungen, die sich nur schwer und sehr langsam abbauen, in Organen von Tieren und Menschen anreichern, krebsfördernd sind und den Hormonhaushalt und die Fortpflanzung von Tieren und Menschen stören.

Vor zwei Jahren haben 172 Staaten der sogenannten «Stockholmer Konvention zum Verbot von persistenten organischen Schadstoffen» einstimmig beschlossen, Endosulfan auf die Verbotsliste aufzunehmen. In der EU ist die Anwendung dieses Insektizids in der Landwirtschaft seit längerem verboten, in der Schweiz seit Mitte 2009.

Fischsterben in der Schweiz

Die Schweiz hat schon vor 25 Jahren schlechte Erfahrungen gemacht. Im Grenzgebiet zwischen den Kantonen Bern und Luzern fand auf einer Strecke von sechs Kilometern ein grosses Fischsterben statt, weil Endosulfan ins Wasser gelangte. Die Bauern, die das Insektizid gespritzt hatten, kamen ungeschoren davon, weil Endosulfan damals zugelassen war.

Trotz solcher Erfahrungen und der Ächtung durch die Stockholmer Konvention hat die EU den Endosulfan-Grenzwert von 0,005 auf 0,05 Milligramm pro Kilo um das Zehnfache erhöht. Der neue Grenzwert gilt für die Zucht aller lachsartigen Fische, also auch für Forellen. Die Schweiz habe die Grenzwerte per 1. Juli 2013 «der EU angepasst», teilt das Bundesamt für Landwirtschaft mit.

Den massiv erhöhten Grenzwert rechtfertigt die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA damit, dass belastetes pflanzliches Futter aus Lateinamerika sonst nicht verwendet werden könne. Das Umstellen auf pflanzliche Futtermittel sei erwünscht, «um die Umweltbilanz aufzubessern». Denn ohne pflanzliche Nahrung brauche man für ein einziges Kilo Zuchtlachs mehrere Kilo kleine Wildfische. Diese fehlen dann den grösseren Fischen im Meer.

Weniger gesund

Pflanzliche Nahrung hat indessen auch einen Nachteil: Der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren, die als besonders gesund für Herz und Kreislauf gelten, ist in Lachsen vor allem deshalb so hoch, weil sich Lachse im offenen Meer von kleinen Fischen und Meerestieren ernähren. Pflanzlich gemästete Zuchtlachse enthalten nur noch halb so viele Omega-3-Fettsäuren wie Wildlachs, erklärt der Osloer Professor und Herzspezialist Harald Arnesen.

Die Zuchtlachsindustrie sprach von grossem Fortschritt, als es gelang, die Lachse vermehrt mit pflanzlichen Futtermitteln zu mästen. Dieses kommt vorwiegend aus Südamerika, auf deren Monokulturen weiterhin Endosulfan besprüht werden darf.

Akzeptable Tagesdosis von Endosulfan

Die norwegische Lebensmittelbehörde Mattilsynet verteidigt den erhöhten Grenzwert: Es müsse ein Mensch täglich sieben Kilo Zuchtlachs essen, um auf die nicht mehr akzeptable Tagesdosis zu kommen, welche die Weltgesundheitsorganisation festgelegt hat. Diese akzeptable Tagesdosis ADI ist allerdings ein Kompromiss zwischen wirtschaftlichen Interessen und gesundheitlichen Risiken:

  • Die Tagesdosis berücksichtigt nicht, dass das Zusammenwirken mehrerer Pestizid- und anderer Schadstoffrückstände die Risiken potenziert. Lachsfilets enthalten auch Rückstände von PCB oder von Abbauprodukten von DDT, wie Ruzzin und US-Wissenschaftler im Jahr 2010 festgestellten.
  • Bei hormonaktiven Stoffen gibt es wie bei Krebserregern keine risikofreie Dosis. Der Spruch von Paracelsus gilt bei diesen Substanzen nicht. Zudem reichert sich Endosulfan im Laufe der Zeit im Körper an.
  • Die EU und die Schweiz berücksichtigen die Risiken nicht, welche das Anwenden von Endosulfan für die Gesundheit der Tiere und Menschen in Südamerika hat. Nicht ohne Grund ist die Anwendung in Europa verboten.

Das Bundesamt für Gesundheit hat für die Zuchtlachse und Zuchtforellen im Laden keinen Grenzwert für Endosulfan-Rückstände festgelegt. Die Umweltorganisationen WWF und «Fair-Fish» empfehlen den Konsumentinnen und Konsumenten, nur selten wilde Meeresfische und auch nur wenig Meerfische aus zertifizierter Zucht zu essen, und stattdessen einheimische Fische zu bevorzugen.

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