Der Erdrutsch mitten im Stadtzentrum von Florenz verdeutlicht: Italien ist mit der Pflege seines grossen kulturellen Erbes überfordert.
Es war noch früh am Morgen, als Eike Schmidt sich das Szenario ansah. Der deutsche Direktor der Uffizien, eines der berühmtesten Kunstmuseen der Welt, stieg die Treppen in die Galerie nach oben und blickte auf das Loch am anderen Ufer des Arno.
Etwa 20 Autos hatte die Erde dort verschluckt und mit Wasser umspült, die Uferbefestigung war verformt, die Strasse am Fluss war am Dienstagmorgen abgerutscht. «Wäre das untertags passiert», sagte der seit knapp einem Jahr amtierende Schmidt, «müssten wir wohl von einer Katastrophe sprechen». Jetzt, mit Blick auf den Erdschlund am anderen Ufer, gab ihm vor allem zu denken, «wie fragil unser Kulturerbe ist».
Der 200 Meter lange Erdrutsch im Stadtzentrum von Florenz hat den Blick auf die Empfindlichkeit italienischer Städte gelenkt. Millionen Touristen besuchen jedes Jahr Rom, Venedig oder Florenz. Der Tourismus ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Ressourcen, doch immer häufiger stellt sich die Frage, ob Italien der Pflege seines grossen kulturellen Erbes gewachsen ist.
«Das war wie ein leiser Schrei um Hilfe der Stadt an ihre Bewohner.»
Sandro Bertuccelli, «La Repubblica»
Der Erdrutsch von Florenz, bei dem niemand zu Schaden kam, trug sich mitten in der historischen Altstadt zu. Einen Steinwurf vom Florentiner Wahrzeichen des Ponte Vecchio, unmittelbar am den Uffizien gegenüberliegenden Ufer sackte wie aus dem Nichts die Strasse mehrere Meter tief ab. «Das war wie ein leiser Schrei um Hilfe der Stadt an ihre Bewohner», sagte der Redaktionsleiter der Tageszeitung «La Repubblica» in Florenz, Sandro Bertuccelli.
Italien und seine Wasserrohre
Wie viele italienische Städte wirkt auch Florenz mit der Pflege seines Kulturerbes überfordert. Die Innenstadt zählt zum Unesco-Weltkulturerbe, 20 Millionen Touristen besichtigen jedes Jahr die Renaissance-Stadt. Die Pflege und Instandhaltung von Palästen, Museen und Monumenten verschlingt Millionen, wenn sie angesichts chronisch leerer Kassen der italienischen Verwaltung überhaupt finanziell gestemmt werden können.
Dass wie im Fall des Erdrutsches am Arno eine veraltete unterirdische Wasserleitung geplatzt ist, hätte auch an anderen Orten der Stadt und zu einem anderen Zeitpunkt passieren können, mit weitaus dramatischeren Folgen. Der Schaden wurde mit etwa fünf Millionen Euro beziffert, viele Stadtviertel waren stundenlang ohne fliessendes Wasser, die Staatsanwaltschaft ermittelt.
«Von 700’000 in Europa registrierten Erdrutschen tragen sich alleine 530’000 bei uns zu.»
Eine der Ursachen für die geologischen Probleme italienischer Städte ist die Instandhaltung der Wasserleitungen. Fast 40 Prozent des Leitungswassers versickert aufgrund maroder Rohre im Boden. Abgesehen von der Verschwendung hat das gefährliche geologische Folgen. In Rom werden etwa 100 Erdlöcher pro Jahr gezählt, oft mitten auf befahrenen Strassen.
Für die Instandhaltung der Wasserleitungen in Florenz wären 90 Millionen Euro im Jahr notwendig. Investiert werden aber gerade einmal 18 Millionen Euro. Auch Italiens bei Touristen so beliebte Landschaft ist als fragil bekannt. «Von 700’000 in Europa registrierten Erdrutschen tragen sich alleine 530’000 bei uns zu», sagt Gian Vito Graziano, Präsident des italienischen Geologenverbands.
Private Spenden sollen es richten
Als Konsequenz aus der eigenen Überforderung hat nun eine Stadt wie Rom einen Spendenaufruf für den Erhalt der Kulturgüter der Stadt gestartet. 500 Millionen Euro will die mit 12 Milliarden Euro verschuldete italienische Hauptstadt von Privatleuten oder Firmen sammeln, um historische Denkmäler wie etwa den Zirkus Maximus oder das Forum Romanum zu pflegen.
Bei einigen Prestigeobjekten hilft man sich in Rom schon längst mit privaten Finanziers: Die Restaurierung des Kolosseums sowie der Spanischen Treppe werden bereits von Firmen bezahlt, die auf den Denkmälern dann für sich werben dürfen.