Verzicht auf zweite Fremdsprache wird nicht geduldet

Am Prinzip, dass in der Primarschule neben einer zweiten Landessprache noch eine weitere Fremdsprache unterrichtet werden soll, wird nicht gerüttelt. Dies hielt die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz an ihrer Jahresversammlung in Basel fest – allerdings nicht ganz einstimmig, wie zu erfahren war.

Ziehen im Sprachenstreit am selben Kompromiss-Strick: Bundesrat Alain Berset, der Basler Erziehungsdirektor und EDK-Präsident Christoph Eymann sowie die beiden Erziehungsdirektoren aus St. Gallen und dem Waadt, Stefan Kölliker und Anne-Catherine Lyon (Bild: Dominique Spirgi)

Am Prinzip, dass in der Primarschule neben einer zweiten Landessprache noch eine weitere Fremdsprache unterrichtet werden soll, wird nicht gerüttelt. Dies hielt die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz an ihrer Jahresversammlung in Basel fest – allerdings nicht ganz einstimmig, wie zu erfahren war.

Das Gespenst des Sprachenstreits geistert durchs Land. Und das schon seit Jahren. Die Schweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) wollte nun, sekundiert durch Bundesrat und Innenminister Alain Berset, im Anschluss an ihre Jahresversammlung in Basel ein klares Zeichen setzen.

EDK-Präsident Christoph Eymann sagte an einer Medienkonferenz im Anschluss an die Versammlung: «Die EDK hat an einer offenen und sehr konstruktiven Aussprache das Modell 3/5 mit zwei Fremdsprachen bestätigt.» Modell 3/5 heisst, dass in der dritten und fünften Primarstufe jeweils eine Fremdsprache ins Unterrichtspensum aufgenommen wird. Eine davon muss zwingend eine zweite Landessprache sein.

Brüchige Einigkeit

Ganz so klar ist das Zeichen der EDK aber nicht. Die Stellungnahme wurde mit 22 Ja- gegen 2 Nein-Stimmen bei jeweils einer Enthaltung und Abwesenheit beschlossen. Welche Kantone sich gegen die sanfte Harmoniserung des Sprachunterrichts ausgesprochen haben, wollte Eymann nicht verraten: «Wir sehen aber keinen Anlass, eine Änderung oder gar Abbruch unserer Strategie ins Auge zu fassen.»

Eymann wies explizit darauf hin, dass die Kantone nicht frei über ihren Sprachenunterricht entscheiden können. Die Harmoniserung des Fremdsprachenunterrichts sei in der Bundesverfassung (Art. 62) und die Berücksichtigung einer zweiten Landessprache im Sprachengesetz (Art. 16) verankert.

Eymann wies explizit darauf hin, dass die Kantone nicht frei über ihren Sprachenunterricht entscheiden können.

In 23 Kantonen wird die Sprachenstrategie zwar mittlerweile angewendet, in vier Kantonen wurde sie an der Abstimmungsurne bestätigt. Damit ist der Kompromiss aber noch nicht gerettet. In den Kantonen Graubünden, Nidwalden und bereits zum zweiten mal in Luzern sind Volksinitiativen gegen zwei Fremdsprachen an Primarschulen hängig. Und in den Kantonen Aargau, Appenzell-Innerrhoden und Uri ist man noch nicht ganz auf die Linie der EDK eingeschwenkt.

Die EDK will bereits im nächsten Jahr eine Bilanz des Harmonisierungsprozesses vorlegen. Eymann hofft, dass sich bis dann alle Kantone vom Sprachenkompromiss überzeugen lassen. Das hofft auch Alain Berset. Der Bundesrat sagte aber auch, dass der Bund notfalls intervenieren werde, wenn sich einzelne Kantone von der zweiten Landessprache verabschieden.

Von Sprachen- zum Mehrsprachenstreit

Das wäre ein happiger Höhepunkt des Sprachenstreits, der nun bereits seit Jahren brodelt. Ausgelöst wurde er im Jahr 2000. Die EDK hatte beschlossen, eine zweite Landessprache ins Unterrichtspensum der Primarschulen aufzunehmen: Deutsch für die Westschweiz und Französisch für die Deutschschweiz.

Der Kanton Zürich machte den patriotischen Unterrichtsharmonisierern aber einen Strich durch die Rechung, indem er Englisch als Erst-Fremdsprache ins Programm aufnahm und in der Ostschweiz damit viele Nachzügler fand, was wiederum von den Kantonen der französischsprachigen Schweiz als Affront empfunden wurde.

Hart erkämpfter Kompromiss

Wie in der Schweiz üblich, begann man, das komplizierte Räderwerk in eine Kompromiss-Stellung zu bringen, was 2004 schliesslich gelang. In der EDK rangen sich die Erziehungsdirektoren zum Kompromiss durch, dass in den Primarschulstufen im 3. und 5. Schuljahr einheitlich zwei Fremdsprachen unterrichtet werden sollen – und dass eine davon eine zweite Landessprache, die andere Englisch sein soll.

Der vor allem von der Westschweiz nur zähneknirschend akzeptierte Kompromiss war, dass die verschiedenen Landesteile wählen können, mit welcher Fremdsprache sie beginnen möchten.

Auf der Sprachunterrichtskarte ist die Schweiz nun in vier Regionen aufgesplittet: Die französischsprachige Westschweiz mit Deutsch als erster Fremdsprache, die deutschsprachige Westschweiz (mit den beiden Basel) mit Französisch, die Nordostschweiz mit Englisch und Das Tessin und Graubünden mit ihren sprachlichen Besonderheiten.



So sieht in der Schweiz die Harmonisierung im Sprachenunterricht an Primarschulen aus (nicht markiert sind die Kantone, in denen am Ast der zweiten Fremdsprache gesägt wird).

So sieht in der Schweiz die Harmonisierung im Sprachenunterricht an Primarschulen aus (nicht markiert sind die Kantone, in denen am Ast der zweiten Fremdsprache gesägt wird). (Bild: Grafik EDK)

 

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