Viel Erwartbares und eine Überraschung

Das knappe Ja zur Zweitwohnungs-Initiative ist die einzige Überraschung eines ruhigen Abstimmungssonntages.

Die Annahme der Zweitwohnungs-Initiative war die grosse Überraschung des Abstimmungssonntages. (Bild: Keystone)

Das knappe Ja zur Zweitwohnungs-Initiative ist die einzige Überraschung eines ruhigen Abstimmungssonntages.

Wie weit die digitale Revolution die Generation unserer Väter schon durchdrungen hat, lässt sich am unverwüstlichen Christian Miesch vortrefflich zeigen: Er trägt seinen Teletext nun in der Hosentasche mit sich herum. Mit etwas ungelenken Fingern drückt er auf seinem iPhone herum (wo man in der Teletext-App tatsächlich per Tastendruck die dreistellige Seitennummer eingibt) und lässt einen Seufzer fahren. «Das längt nid.»

In der Tat – schon relativ früh an diesem sonnigen Sonntagnachmittag im bürgerlichen Hauptquartier in Bern, dem Restaurant «Äusserer Stand», zeichnet sich ein Nein zur Bauspar-Initiative ab. Jener Initiative, derentwegen der abgewählte SVP-Nationalrat Miesch extra nochmals nach Bern gefahren ist. Nun schaut der Baselbieter, der es ansonsten «bestens» in seinem politischen Ruhestand aushält, etwas enttäuscht in seinen mobilen Teletext und tut, was er in solchen Momenten auch als aktiver Parlamentarier häufig getan hat.

Er geht eine rauchen.

Viel besser ist die Stimmung auch nicht dreihundert Meter weiter östlich, im «Progr», dem Hauptquartier der Gewerkschaften und linken Parteien. Noch deutlicher als die Bauspar-Initiative wird die Ferieninitiative bachab geschickt. «Es gibt nie eine gute Zeit, um mehr Ferien zu verlangen», sagt Noch-Grünen-Präsident Ueli Leuenberger bei einem Schluck Roten. Ihm tue es leid für all jene, die schon heute unter schweren Bedingungen arbeiten müssten und nun ein weiteres Mal «einen auf den Deckel» bekommen hätten.

Für alle etwas

Das Gute an diesem Abstimmungssonntag für die Leuenbergers im «Progr» und die Mieschs im «Äusseren Stand» war die schiere Masse der Vorlagen – da war die Chance gross, wenigstens partiell zu den Gewinnern zu gehören. Das Nein zum Bausparen und das knappe Ja zur Zweitwohnungs-Initiative darf als Sieg von Linkgsgrün, das Nein zur Buchpreisbindung und zur Ferieninitiative als Sieg für das bürgerliche Lager verbucht werden.

Entsprechend unterschiedlich (und differenziert) waren die Reaktionen auf den Ausgang der Abstimmungen. Die Vorlagen im Überblick:

 

Zweitwohnungs-Initiative

Es war die einzige und grösste Überraschung des Abstimmungssonntages: Die Initiative gegen den «Uferlosen Bau» von Zweitwohnungen wurde von Volk (50,6 Prozent) und Ständen (13,5) knapp angenommen. Verkehrsministerin Doris Leuthard wird nun die Umsetzung der Initiative an die Hand nehmen, dabei seien noch viele Fragen zu klären: «Die Umsetzung wird nicht einfach.» Zu klären sei unter anderem, welche Wohnungen unter die neue Bestimmungen fallen und welche nicht. Mit dem Ja zur Initiative habe das Volk sein grundsätzliches Unbehagen über die hohen Wohnungspreise und die vielen kalten Betten zum Ausdruck gebracht, sagte Leuthard. «Der Bundesrat teilt diese Sorge. Mithelfen müssen nun alle.» Man dürfe aber nicht vergessen, dass der generelle Bedarf an Wohnraum die Zersiedelung weit mehr beeinflusse als der Bau von Zweitwohnungen.

Auffallend an der Abstimmung sei, dass sämtliche direkt betroffenen Kantone die Initiative abgelehnt hätten: «Wir dürfen von einem Alpengraben sprechen», sagte Leuthard. «Und gerade darum müssen wir die Vorlage schonend umsetzen.»

 

Bauspar-Initiative

Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf zeigte sich befriedigt über die Ablehnung der Bauspar-Initiative, die einigermassen deutlich ausfiel (55,8 Prozent Nein-Stimmen). Ja sagten die Stimmbürger nur im Baselbiet, wo bereits Bausparen betrieben wird, im Wallis, in der Waadt und in Genf. Eine Umsetzung der Bauspar-Initiative wäre schwierig ausgefallen, sagte Widmer-Schlumpf, «es sind viele Fragen unbeantwortet geblieben». Wohnspar-Möglichkeiten seien grundlegen unnötig, weil entsprechende Möglichkeiten in der Zweiten Säule der beruflichen Vorsorge vorhanden seien, sagte die Bundespräsidentin auch im Hinblick auf die kommende Abstimmung des Hauseigentümer-Verbandes vom 17. Juni. Solange haben die Baselbieter noch eine Schonfrist – erst danach wird man zwischen Arlesheim und Läufelfingen nicht mehr steuerlich begünstigt Geld für ein Eigenheim zurseite legen.

Unser Kommentar.

 

Buchpreis-Bindung

56,1 Prozent der Stimmbürger sprechen sich gegen fixe Buchpreise auch. Auffallend dabei: Die gesamte Romandie hat Ja gesagt zur Buchpreis-Bindung, die Deutschweiz Nein – ein Umstand, den sich Wirtschaftsjournalist Michael Heim mit dem grösseren Druck des französischen Buchmarkts auf die Romandie erklärt. Für Bundesrat Johann Schneider-Ammann, der ein Nein vertreten hat, ist der Ausgang der Abstimmung kein Votum gegen das Kulturgut Buch. «Vielmehr ist die Mehrheit der Stimmbürger der Ansicht, dass der freie Markt das Literaturschaffen in diesem Land besser schützt als fixe Preise.»

Unser Kommentar.

 

Ferien-Initiative

Erwartungsgemäss deutlich wurde die Ferieninitiative verworfen. 67 Prozent der Stimmbürger und alle Kantone lehnten die Initiative von Travail.Suisse ab. Arbeitgeberpräsident Thomas Daum war über die deutliche Annahme erleichtert. «Die Arbeitnehmer haben sich von der Realität leiten lassen.» Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga freute sich über Ausgang der Abstimmung. Sowohl Parlament als auch Bundesrat hatten die Ablehnung der Ferien-Initiative empfohlen. Die Initianten hätten keine Antwort auf die Frage geliefert, wie die zusätzlichen Ferien kompensiert werden sollten. «Für das Anliegen hat der Bundesrat aber Verständnis. Nur gesunde Arbeitnehmer können gute Arbeit leisten.» Dabei gebe es aber mehr Möglichkeiten als einfach mehr Ferien: Anpassung der Wochenarbeitszeit, flexible Arbeitszeitmodelle, etc. «Auch nach dieser Abstimmung hoffe ich, dass die Arbeitgeber in Zukunft auf auf arbeitnehmerfreundliche Modelle setzen.»

Unser Kommentar.

 

Geldspiele

Diskussions- und emotionslos wurde die Vorlage zur Neuregelung von Geldspielen angenommen. 87 Prozent der Stimmbürger und alle Kantone sagten Ja zur einzig von der EVP bestrittenen Vorlage.

Quellen

Diverse Reaktionen: Von der CVP, der FDP, der SP, der SVP, den Grünen, der BDP.

Alle Ergebnisse im Detail.

Nächster Artikel