«Viking hat Vertragsbruch begangen»

Der Arbeitsrechtler Roger Rudolph findet für das Vorgehen der Viking River Cruises AG scharfe Worte. Die Basler Reederei hat ihren Angestellten die Lohnzahlung praktisch über Nacht auf Euro umgestellt, teilweise gegen deren Willen.

Riskantes Manöver: Teilweise gegen den Willen ihrer Angestellten hat die Viking River Cruises AG die Gehaltszahlung auf Euro umgestellt. Arbeitsrechtler Roger Rudolph spricht von «Vertragsbruch». (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der Arbeitsrechtler Roger Rudolph findet für das Vorgehen der Viking River Cruises AG scharfe Worte. Die Basler Reederei hat ihren Angestellten die Lohnzahlung praktisch über Nacht auf Euro umgestellt, teilweise gegen deren Willen.

Die Basler Reederei Viking River Cruises AG hat ihren mehreren Hundert nautischen Angestellten (Matrosen, Maschinisten, Schiffsführer) in einer E-Mail mitgeteilt, dass die Gehaltszahlung künftig in Euro zu einem fixierten Wechselkurs erfolgt, und zwar mit dem Kurs vom Dezember (1,20 Franken pro Euro). Obwohl das Personal sich auf ganz Europa verteilt, haben sie alle einen Schweizer Arbeitsvertrag, da sich der Viking-Hauptsitz in Kleinhüningen befindet.

Obwohl zahlreiche Viking-Angestellte mit dem Lohnschnitt nicht einverstanden waren, überwies Viking bereits das Januargehalt in Euro. Eine Praxis die zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen aufwirft. Wir haben mit dem Juristen Roger Rudolph über den Fall Viking gesprochen. Rudolph arbeitet als Spezialist für Arbeitsrecht in einer Kanzlei in Wetzikon.

Herr Rudolph, die Viking River Cruises AG hat ihren nautischen Angestellten mit Schweizer Arbeitsvertrag Mitte Januar per E-Mail mitgeteilt, dass die Lohnzahlung ab sofort in Euro erfolge. Das Januargehalt erhielten die Angestellten bereits in der neuen Währung, obwohl sie mit der Änderung zum Teil nicht einverstanden waren. Wie beurteilen Sie diesen Fall?

Dieses Vorgehen ist eindeutig nicht richtig. Soll das Gehalt in einer anderen als der vertraglich definierten Währung ausbezahlt werden, braucht es eine Vertragsänderung. Und eine solche Änderung darf nicht einseitig erfolgen. Damit müssen beide Parteien einverstanden sein.

Arbeitsrechtler Roger Rudolph

Arbeitsrechtler Roger Rudolph (Bild: zVg)

Mit der Auszahlung in Euro wurden also geltende Verträge gebrochen?

Ja, und das ist unzulässig. Solange keine gültige Vertragsänderung vorliegt, gilt der alte Vertrag. Kommt der Lohn plötzlich in Euro auf das Konto, obwohl im Vertrag Schweizer Franken vorgeschrieben sind, stellt dies einen Vertragsbruch dar.

Das heisst, die betroffenen Angestellten der Viking könnten sich vor Gericht gegen diese Massnahme wehren?

Sie haben weiterhin Anspruch auf ihren Lohn gemäss gültigem Vertrag. Sie könnten den Frankenlohn beziehungsweise die Differenz zum Eurolohn einklagen.

Die Umstellung erfolgte sehr schnell. Zwischen Ankündigung und Auszahlung lagen nur wenige Wochen. Darf eine solche Vertragsänderung überhaupt so schnell durchgezogen werden?

Zuerst müsste dem Arbeitnehmer überhaupt eine Vertragsänderung zur Annahme vorgelegt werden, eine einseitige Änderung der Währung ist in jedem Fall unzulässig. Wenn der Arbeitnehmer mit der Vertragsänderung einverstanden ist und er sie unterschreibt, wird es für ihn schwierig, sich nachher juristisch zu wehren. Ich halte allerdings dieses Vorpreschen für mindestens problematisch. Damit werden die Angestellten überrumpelt und es wird ihnen kurzfristig eine Vertragsänderung zugemutet. Ist ein Arbeitnehmer nicht einverstanden, muss das Unternehmen eine Änderungskündigung aussprechen, wenn es daran festhalten will. Eine solche Kündigung muss aber die Kündigungsfrist einhalten, auch wenn der Arbeitnehmer danach mit neuem Vertrag bei der Firma bleibt. Und während dieser Zeit muss der Lohn weiterhin in Schweizer Franken bezahlt werden. Missachtet der Arbeitgeber die Kündigungsfrist, riskiert er ausserdem, dass seine Kündigung missbräuchlich ist und er eine Entschädigung bezahlen muss.

Warum?

Der Arbeitnehmer muss nicht hinnehmen, dass ihm ohne Einhaltung der Kündigungsfrist eine Vertragsänderung abgerungen wird. Wehrt er sich und erhält er darauf die Kündigung, dürfte dies von einem Gericht als missbräuchliche «Rachekündigung» eingestuft werden.

Dann stehen die Chancen für die Angestellten der Viking also gut, sich gegen den Lohnschnitt zu wehren?

Im Prinzip ja, solange sie den neuen Vertrag nicht unterzeichnen. Allerdings sind diese Angestellten über ganz Europa verteilt. Wollten sie rechtlich gegen ihren Arbeitgeber vorgehen, müsste dies sinnvollerweise vor einem Schweizer Gericht geschehen. Eine Klage in einem fremden Land stellt aber eine ganz erhebliche Hürde dar, denn sie kostet Zeit und Geld. Diesen Effort leisten sich die wenigsten. Daraus ergibt sich für das Unternehmen ein faktischer Vorteil. Und selbst wenn ein Arbeitnehmer den Prozessweg auf sich nimmt, ist die Stelle in aller Regel verloren.

Artikelgeschichte

11. Februar 2015, 10 Uhr. Die letzte Antwort von Roger Rudolph wurde um einen Satz ergänzt: «Und selbst wenn ein Arbeitnehmer den Prozessweg auf sich nimmt, ist die Stelle in aller Regel verloren.»

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