Weil er die Umstellung auf Euro-Löhne nicht akzeptieren wollte, kündigte die Viking River Cruises AG dem Kapitän Harald Ludwig. Doch der lässt sich das nicht einfach so bieten. Das Porträt eines Mannes mit Gerechtigkeitssinn.
Harald Ludwig ist zum zweiten Mal in seinem Leben von Bord gegangen. Das erste Mal liegt über 30 Jahre zurück, damals trieb ihn die Liebe ans Ufer. Sein zweiter Landgang ist jedoch anders, unfreiwillig. Der 52-jährige Nautiker aus Brandenburg war bis vor Kurzem Kapitän eines Schiffes auf der Elbe. Dort steuerte er für die Basler Reederei Viking River Cruises AG ein Fluss-Kreuzfahrtschiff mit vorwiegend amerikanischen Touristen an Bord in acht Tagen durch Europa.
Nun ist seine Zeit auf der Brücke eines Viking-Schiffes vorbei, denn er ist bei seinem Arbeitgeber in Ungnade gefallen. Die Stelle ist er los, zu laut und zu unbequem war wohl seine Kritik. Wir treffen ihn im Hotel Merian in einem Sitzungszimmer, das mit Seefahrtsutensilien und historischen Fischillustrationen dekoriert ist. Ludwig ist in Basel, weil er einen Rechtsstreit gegen seinen alten Arbeitgeber vorbereitet. Was ist geschehen?
Von Euro zu Franken und zurück
Viking teilte Mitte Januar den nautischen Angestellten – darunter Matrosen, Maschinisten und Schiffsführer – per E-Mail mit, sämtliche Gehälter künftig in Euro statt in Schweizer Franken zu überweisen. In dem Mail wurden die Angestellten überdies aufgefordert, sich innert fünf Tagen ein neues, Euro-taugliches Bankkonto einzurichten. Obwohl viele Angestellte dagegen protestierten, überwies Viking bereits wenig später die Januargehälter in Euro. Eine Praxis, die der Arbeitsrechtler Roger Rudolph gegenüber der TagesWoche als «Vertragsbruch» bezeichnete.
Besonders absurd erscheine die Massnahme von Viking vor dem Hintergrund, dass erst vor zwei Jahren die Lohnwährung auf Schweizer Franken umgestellt worden sei, erklärt Ludwig: «Bevor der Hauptsitz von Luxemburg nach Basel verlegt wurde, erhielten wir alle unser Gehalt in Euro.» Ludwig liess sich den erneuten Währungswechsel nicht gefallen und stellte umgehend klar, dass er diese Vertragsänderung nicht unterschreiben werde. Danach ging alles sehr schnell.
Er wurde von seinen Vorgesetzten für ein Personalgespräch nach Basel zitiert. Seine Chefs wollten ihm erklären, weshalb diese Vertragsänderung nötig sei. «Das ist ihnen nicht gelungen», bemerkt Ludwig lakonisch. Er beharrte weiter auf einer Lohnzahlung in Schweizer Franken. Nur bei der Höhe habe er Verhandlungsbereitschaft gezeigt, sagt Ludwig.
Kündigung am Flughafen
Schliesslich haben er und seine Kollegen eine spürbare, kursbedingte Lohnerhöhnung erhalten, seit die Schweizerische Nationalbank die Kursuntergrenze aufgegeben hat. Doch die Viking-Bosse liessen nicht mit sich reden. «Sie gaben mir 24 Stunden, um die Umstellung auf Eurolohn doch noch zu unterschreiben.» Die Frist verstrich ungenutzt und Ludwig wurde «zu Lernzwecken» beurlaubt. Nach einigen Tagen wurde ihm von einem Mitglied der Geschäftsleitung und einer HR-Verantwortlichen am Flughafen in Berlin das Kündigungsschreiben überreicht.
Wenn Ludwig darüber spricht, was ihm in den letzten Tagen und Wochen passiert ist, kann er nur noch den Kopf schütteln. Er ist empört und enttäuscht, das ist klar. Er lacht aber auch, es ist eine Mischung aus Galgenhumor und Irritation. Irritation über das offenkundig dilettantische Vorgehen seines Arbeitgebers. Denn Ludwigs Chancen, dass ein Gericht seine Kündigung als missbräuchlich beurteilen wird, stehen gut. Das bestätigt auch Arbeitsrechtler Rudolph: «Wenn einem Arbeitnehmer gekündigt wird, weil er sich gegen eine Vertragsänderung ohne Respektierung der Kündigungsfrist wehrt, dürfte dies von einem Gericht als missbräuchliche ‹Rachekündigung› eingestuft werden.»
«Ich bin einfach ein kritischer Geist mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn.»
Offenbar hat Viking in Ludwig eine Art Aufrührer gesehen. Nachdem er seine Kritik am Vorgehen der Geschäftsleitung firmenintern öffentlich gemacht hatte, wurde er zur Anlaufstelle für viele Schiffsführer und Maschinisten, die sich die aufgezwungenen Eurolöhne ebenfalls nicht bieten lassen wollten. «Ich bekam zahlreiche Anrufe von Kollegen. Sie wollten von mir wissen, was sie tun sollen.»
Ludwig klärte seine Kollegen über ihre rechtlichen Mittel auf und riet ihnen, sich bei der Gewerkschaft Nautilus International anzumelden. Was ihm, so schätzt er, bis jetzt ungefähr 70 weitere Viking-Angestellte gleichgetan haben. Als Rädelsführer möchte er sich aber nicht bezeichnet wissen. «Ich bin einfach ein kritischer Geist mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn.» Er hasse Willkür, das habe wohl damit zu tun, dass er in der DDR aufgewachsen sei, sagt Ludwig. «Weil ich den Systemwechsel hautnah mitgekommen habe, liegt mir sehr viel daran, meine Meinung frei äussern zu können.»
Kündigung bedeutet Berufsverbot
So habe er in den sieben Jahren bei Viking nie mit Kritik gespart, etwa wenn er mit der Ausstattung der Schiffe nicht einverstanden war oder wenn ihm die neu angeschafften Langschiffe untauglich erschienen. «Durch meine Weigerung, die Vertragsänderung zu akzeptieren, habe ich nun eine Gelegenheit geschaffen, mich zu entlassen.»
Der vorläufig gestrandete Kapitän rechnet sich übrigens wenig Chancen aus, je wieder bei einer der renommierten Fluss-Kreuzfahrtsgesellschaften hinter dem Steuer zu stehen. «Diese Kündigung von Viking kommt einem Berufsverbot gleich.» Zu einflussreich und zu gut vernetzt seien die «Entscheider» in dieser Branche.
Aber Ludwig ist es gewohnt, sich «neu zu orientieren», wie er sagt. Nach seinem letzten «Landgang» hat er schliesslich über 30 Jahre fernab von Flusskreuzfahrtschiffen gearbeitet, etwa in einem Autohaus. «Ich schlag mich schon durch, keine Angst.»
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Die Reederei Viking River Cruises AG weigert sich weiterhin, zu den Anfragen der TagesWoche Stellung zu nehmen.