Die Basler SP schwärzt bürgerliche Kollegen an, die sich nicht für die Interessen der Region einsetzen würden. Selber stimmt sie auch gegen Basel – wenn es die Parteilinie erfordert.
Erinnerungen wurden wach an die eigene Schulzeit, als die Basler SP diese Woche ein Schreiben verschickte. Darin schwärzte sie die bürgerlichen Nationalräte Sebastian Frehner und Markus Lehmann an, sie würden bei wichtigen Abstimmungen entweder fehlen oder gegen die Interessen Basels stimmen. Es war wie in der Schule, als der Kollege petzen ging, weil man hinterm Busch am Rauchen war und gar nicht mit unerträglichen Bauchschmerzen zu Hause lag.
Die öffentliche Schelte handelten sich Frehner (SVP) und Lehmann (CVP) ein, weil sie bei der Abstimmung über die Basler Standesinitiative zur Abschaltung des Elsässer AKW Fessenheim «durch Abwesenheit glänzten», wie die SP schreibt. Basel-Stadt forderte gestützt auf die Kantonsverfassung die Bundesversammlung auf, «alle denkbaren Schritte zu unternehmen, die zur Stilllegung des AKW Fessenheim führen».
Für Frehner kam es nicht infrage, hier mit Ja zu stimmen: «Ich würde diese Forderung nie unterstützen. Die Schweiz bezieht billigen Strom aus Frankreich, da ist es doch sehr heuchlerisch, die Abschaltung von Fessenheim zu verlangen.» Lehmann fehlte, weil er anderweitig einen «wichtigen Termin wahrnehmen musste». Die Position der Basler CVP sei aber bekannt: Man wolle die Abschaltung von Fessenheim. Es stelle sich aber die Frage, was die Abstimmung gebracht hätte: «Das Schicksal von Fessenheim wird in Paris entschieden.»
Die Basler SP sah in der Abstimmung auch einen Beleg dafür, wie schlecht es um die Zusammenarbeit der regionalen Parlamentarier steht, wenn es um die gemeinsame Vertretung von Basler Interessen in Bern geht. Ein Anliegen, das Frehner zu dem seinigen gemacht hat. Im Frühjahr hatte er die parlamentarische Gruppe Region Basel ins Leben gerufen. In der Lobbytruppe sind nach anfänglichen Widerständen auch linke Basler Politiker vertreten. SP-Nationalrat Beat Jans ist Vorstandsmitglied. Bei der Gründung hatte es von linker Seite noch geheissen, etwas Überflüssigeres als eine weitere Basler Interessensvertretung in Bern sei kaum vorstellbar.
Zumal Basel eine seit Mitte Jahr vollberufliche Lobbyistin beschäftigt. Muriel Uebelhart hat die undankbare Aufgabe gefasst, für die Region zu weibeln. Frehner sagt, sie mache bislang einen guten Job, «auch wenn es für sie sehr schwer ist». Für ihn als Parlamentarier sei es deutlich einfacher, bei den Ratskollegen für Basel zu werben. Uebelharts Rolle besteht im Moment vor allem darin, die Parlamentarier mit Factsheets auszustatten zu wichtigen Themen und vor Abstimmungen darauf hinzuweisen, welche Konsequenzen sie für die Region haben.
Seine Gruppe hält Frehner für produktiv. Etwa als es darum ging, den Nationalrat davon zu überzeugen, Baselland als Universitätskanton anzuerkennen. Da spannte die Basler Clique zusammen. Sobald die Interessen mit denen der Partei in Konflikt geraten, verfliegt die Harmonie aber rasch: «Es kommt mir keine wirtschaftsfeindliche Vorlage in die Gruppe.» Entsprechend schwänzte er auch bei der Basler Standesinitiative über die Einführung eines Getränkepfands. CVP-Kollege Lehmann stimmte dagegen. Überhaupt sieht er in Standesinitiativen das falsche Mittel: «Die verpuffen einfach.» Wirksamer sei, in der eigenen Fraktion für Basler Belange zu kämpfen.
Parteiübergreifende Kumpanei praktiziert auch die SP nur so lange, wie sich der Schulterschluss angenehm anfühlt. Als am Donnerstag Sebastian Frehner im Nationalrat verlangte, die Pharmaindustrie solle bei der Festlegung der Medikamentenpreise mitreden dürfen – ein Kernanliegen der Basler Pharma, um die satten Margen zu sichern –, stimmte zwar eine Mehrheit des Rats dafür, die SP mit Silvia Schenker aber dagegen. Ob die Basler SP daraufhin ein Communiqué aufsetzte und die unbaslerische Baslerin abmahnte, blieb bis Redaktionsschluss offen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 28.09.12