Was die Roche-Investitionen für Quartier und Stadt bedeuten

Die Neubauten von Roche sind ein Bekenntnis zum Standort Basel. Doch wenn sie sich positiv auf die Standortquartiere und die Stadt auswirken sollen, bleibt noch eine Menge zu tun.

Herausgezoomt: Was bedeuten die Roche-Milliarden für Quartier und Stadt? (Bild: Erich Meyer)

Die Neubauten von Roche sind ein Bekenntnis zum Standort Basel. Doch wenn sie sich positiv auf die Standortquartiere und die Stadt auswirken sollen, bleibt noch eine Menge zu tun.

Es gibt kaum einen Ort in Basel, von wo aus der Roche-Turm nicht unübersehbar die Skyline dominiert. Es erstaunt also nicht, dass die Ankündigung des Pharmaunternehmens, noch einen zweiten Turm sowie zahlreiche andere neue Gebäude bauen zu wollen, für einige Aufregung sorgte. Die Tageszeitungen berichteten gleich seitenweise, Chefredaktoren freuten sich in Kommentaren über das Bekenntnis zum Standort, Politiker waren grosszügig mit lobenden Worten.

Gleichzeitig erzeugte ein Debattenbeitrag der TagesWoche ein enormes Echo und schon bald mischten sich unter die freudigen Ausrufe auch kritische Stimmen. Sorge bereiten den Lesern neben ästhetischen Aspekten namentlich städtebauliche und verkehrstechnische Fragen. So warf Christoph Meury etwa die Frage auf, welche Probleme eine derartige Konzentration von Arbeitsplätzen mitten in der Stadt mit sich bringe. Und Heinz Müller erinnerte daran, dass mehr Menschen auch mehr Verkehr mit sich bringen.

Baustellenverkehr wartet auf Lösung

Tatsächlich ist die Diskussion über die Roche-Türme – und die vielen anderen anstehenden Bauten – dort relevant und spannend, wo es um die konkreten Auswirkungen auf das Quartier und damit auf die Stadt geht. Was geschieht mit den Quartieren Wettstein und Rosental, wenn ein Unternehmen drei Milliarden in Arbeitsplätze und Architektur investiert? Wo sollen diese rund 3000 Menschen wohnen, die künftig hier arbeiten? Wo sollen diese Menschen ihr Feierabendbier trinken? Wo ihre Kinder tagsüber zur Betreuung geben? Wo ihr Fahrrad hinstellen?

Im Gespräch mit der TagesWoche stellte der Standortleiter der Roche, Jürg Erismann, vor allem eine visuelle Aufwertung des Quartiers in Aussicht durch mehr Grünflächen und hochwertige Architektur. Dem Verkehrsproblem will die Roche mit einem eigenen Mobilitätskonzept Herr werden, das zum Ziel hat, dass 70 Prozent der Angestellten entweder zu Fuss, mit dem Velo oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Gleichzeitig räumte Erismann ein, für den Baustellenverkehr durch wild parkierende Handwerker-Fahrzeuge noch keine befriedigende Lösung gefunden zu haben.

Hoffnung auf Quartieraufwertung

Aus Sicht der Stadtentwicklung kommt der Roche-Ausbau wie gerufen. Denn im letzten Februar hat der Regierungsrat einen kommunalen Teilrichtplan mit dem Titel «Entwicklungskonzept Badischer Bahnhof» genehmigt. Dieser Plan sieht vor, den Badischen Bahnhof zur Verkehrsdrehscheibe mit Zentrumsfunktion im Nordosten der Stadt zu etablieren. Gleichzeitig sollen die umliegenden Quartiere attraktiver werden, beispielsweise durch ein dichteres Netz von Velowegen und direktere Fussverbindungen.

Thomas Kessler, Leiter der Abteilung Kantons- und Stadtentwicklung, sieht in den Investitionen der Roche einen willkommenen Impuls für die angestrebten Entwicklungen rund um den Badischen Bahnhof. «Dieses Gebiet ist bereits in einem starken Umbruch, wenn sich auch die Roche dort weiterentwickeln will, verstärkt das diese Dynamik.»

«Es ist doch fantastisch, dass sich auch in Basel langsam eine grossstädtische Architektur bemerkbar macht.»

Basler Stadtentwickler Thomas Kessler

Bereits heute würden viele Roche-Mitarbeiter über den Badischen Bahnhof anreisen, sagt Kessler. Wenn es nun gelinge, die Wege vom Bahnhof zum Roche-Areal auf den Langsamverkehr auszurichten, profitiere das ganze Quartier. Ausserdem entspreche dies auch dem expliziten Wunsch der Roche, beziehungsweise deren Mobilitätskonzept.

«Wenn täglich mehrere Tausend Personen zu Fuss oder auf dem Velo durch diese Quartiere unterwegs sind, zieht das auch eine entsprechende Infrastruktur nach sich», sagt Kessler. Cafés und Restaurants etwa, auch Einkaufsmöglichkeiten oder kulturelle Angebote seien denkbar. Heute sieht es diesbezüglich im Wettstein-Quartier und im Rosental eher düster aus.

Kessler war auch an der Medienkonferenz des Pharmaunternehmens anwesend und bereits dort wurde klar, dass er ein grosser Fan der angekündigten Projekte ist. «Es ist doch fantastisch, dass sich auch in Basel langsam eine grossstädtische Architektur bemerkbar macht.» Es sei nur ehrlich, wenn sich die wirtschaftliche Potenz einer Roche auch architektonisch manifestiere. Und dies erst recht noch in einer geradezu vorbildlich quartierverträglichen Art, wie er findet.

Ein «Geschenk», das verpflichtet

Doch bei aller Begeisterung, Bedenken hat auch Kessler. Weil die Stadtrandentwicklung Ost abgelehnt worden sei, fehle es nun an Wohnraum. Nach der Fertigstellung der Neubauten werden sich täglich rund 2000 Menschen mehr als heute im Quartier bewegen. «Eine nachhaltige Entwicklung des Gebietes um den Badischen Bahnhof wird uns nur gelingen, wenn wir den dringend benötigten Wohnraum schaffen können.» Im Klartext: Kessler will Wohnungen für 2000 Menschen in Geh- oder Velodistanz zum Roche-Areal. «Hier stehen nun die privaten Investoren in der Pflicht.»

Geschehe dies nicht, drohen diese Leute nach Lörrach oder Grenzach zu ziehen und dann habe die Stadt gleich mehrere Probleme, sagt Kessler. Mehr Pendlerverkehr und Steuerzahler, die ins Ausland ziehen. Auch die Belebung der Quartiere werde schwierig, wenn die Menschen nur zum Arbeiten dorthin kommen. So ginge ausserdem ein entscheidender Standortvorteil verloren. «Wir können im internationalen Vergleich auch dadurch punkten, dass wir eine Stadt der kurzen Wege werden. Wo leben und arbeiten nahe beieinander liegen.»

Die drei Milliarden der Roche wurden auch schon als «Geschenk an die Stadt» bezeichnet. Bei näherer Betrachtung ist das «Geschenk» jedoch mit reichlich Verpflichtungen und Herausforderungen befrachtet. Nur weil das Pharmaunternehmen einen zweiten Turm und ein grosses Forschungszentrum baut, heisst das nicht, dass die Stadt automatisch davon profitiert. Wenn es beispielsweise nicht gelingt, den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, drohen die Quartiere zu Durchgangswegen für pendelnde Forscher zu werden. Ganz zu schweigen vom steigenden Druck auf den ohnehin bereits überhitzten Wohnungsmarkt.

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