Was ist der IS und was will er? Sechs Antworten

Der IS hat sich zu den Attentaten in Paris bekannt. Wer jedoch ist der IS? Was sind seine Ziele? Woher nimmt die Organisation das Geld? Wir haben die Antworten auf diese und weitere Fragen zusammengetragen.

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hat sich zu den Anschlägen von Paris bekannt. Was ist der IS überhaupt?

Der IS hat sich zu den Attentaten in Paris bekannt. Wer jedoch ist der IS? Was sind seine Ziele? Woher nimmt die Organisation das Geld? Wir haben die Antworten auf diese und weitere Fragen zusammengetragen.

Seit den Anschlägen in Paris ist die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) medial sehr präsent. Wer ist der IS? Was sind seine Ziele? Woher nimmt die Organisation das Geld? Dazu wurden zahlreiche, interessante und aufschlussreiche journalistische Beiträge veröffentlicht. Wir haben die spannendsten davon zusammengetragen.

Warum gibt es so viele verschiedene Bezeichnungen für die Terrorgruppe? Heisst sie jetzt IS, Isis oder Isil oder Daesh?

Der ursprüngliche Name der Gruppe lautete auf Arabisch ad-daula al-islamiya fi l-iraq wa-sch-scham, kurz Daesh. Auf Deutsch übersetzt: Der islamische Staat im Irak und in der Region Levante beziehungsweise in Syrien, daher die beiden Abkürzungen Isil und Isis.

Seit Juni 2014 nennt der Anführer Abu Bakr al-Baghdadi seine Gruppe Islamischer Staat, kurz IS, damit will er die universellen Ziele der Gruppe betonen, schreibt die britische Zeitung «The Independent».

Der US-Aussenminister John Kerry und der französische Präsident François Hollande nennen die Terrorgruppe aber weiterhin Daesh. Damit wollen sie deutlich machen, dass die Terrorgruppe weder islamisch noch ein Staat sei, erklärt das amerikanische Onlinemagazin «Vox».

» Warum Politiker und Regierungsvertreter die Terrorgruppe lieber mit Daesh als mit IS benennen, erklärt CNN.

Woher hat der IS seine finanziellen Mittel?

Die Haupteinnahmequelle für den IS ist das Geschäft mit Erdöl. Das Hauptfördergebiet liegt in der ostsyrischen Provinz Deir Ezzor. Täglich fördert die Terrorgruppe rund 40’000 Barrel (ein Barrel fasst ca. 159 Liter). Das entspricht einem Umsatz von 1,5 Millionen Dollar pro Tag. Wie das Öl gefördert wird, zum Endverbraucher gelangt und wer daran verdient, erklärt die «Financial Times» in mehreren Infografiken.

 



Die «Financial Times» erklärt, wie der IS sein Öl verkauft.

Die «Financial Times» erklärt, wie der IS sein Öl verkauft. (Bild: Screenshot)

Weitere Einnahmequellen sind Erpressungen und Schutzzölle sowie der Handel mit Antiquitäten, erklärt Massimo Agostinis, Wirtschaftsredaktor bei SRF. Laut Agostinis schätzen Experten das Vermögen des IS auf ein bis zwei Milliarden. Der Wirtschaftsredaktor hält es für praktisch unmöglich, den Terroristen diesen Geldhahn zuzudrehen, da für die Geldüberweisungen das sogenannte Hawala-System verwendet wird. Dieses System hinterlässt keine elektronischen Spuren und die Geldströme lassen sich nicht nachverfolgen. 

» Wie das Hawala-System genau funktioniert, erklärt Agostinis in einem Beitrag von «Rendez-vous».

Welches Territorium kontrolliert der IS?

Das Kerngebiet der Terrororganisation liegt im Osten Syriens und im Nordosten des Iraks, dort kontrollieren sie rund 100’000 Quadratkilometer und bestimmen damit über mehr als zwei Millionen Menschen. Der Grossteil des Gebiets besteht aus Wüste, im Nordosten Syriens finden sich aber auch lukrative Ölfelder. Die beiden Hauptstädte sind Raqqa am Euphrat in Syrien und Mosul am Tigris im Irak. Vor den Kriegshandlungen lebten in Raqqa rund 200’000 Einwohner und in Mosul 2,9 Millionen.

 

Ausdehnung des IS von Juni 2014 bis Juni 2015.

Ausdehnung des IS von Juni 2014 bis Juni 2015. (Bild: «The Independent»)

» Das Einflussgebiet des IS beschränkt sich folglich auf das Gebiet um Syrien und Irak. Angesichts der grösser werdenden Macht stellte «The Independent» die Frage, welche Bedrohung der IS für Europa darstellt.

Wie wurde der IS zur mächtigen Terrororganisation?

Die Entstehung des IS ist eng mit den religiösen und ethnischen Konflikten im Irak verbunden. Nach dem zweiten Irakkrieg im Frühjahr 2003 und dem Sturz des Diktators Saddam Hussein begann im Irak ein Bürgerkrieg, der die Gräben zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden vertiefte. Die sunnitische Elite wurde abgesetzt und eine schiitisch geprägte Regierung übernahm die Macht.

In einem Youtube-Video erklärt Michael Lüders, Islamwissenschaftler und Nahost-Experte, dass der IS als sunnitische Aufstandsbewegung im Irak gegen die Besatzungsmacht der Amerikaner und die schiitische Regierung begann:

Die amerikanische Invasion im Irak hat den Diktator Saddam Hussein und damit die sunnitisch dominierte Führung des Landes entmachtet. Danach war der Irak ohne jede politische Führung und Stabilität. Erst dieses Machtvakuum ermöglichte es dem IS (damals noch «al-Kaida im Irak»), an Einfluss und Bedeutung zu gewinnen. Das Leid der Bevölkerung unter der Invasion war zudem die ideale Voraussetzung für den IS, neue Kämpfer zu rekrutieren. «Vice News» erklärt in diesem Beitrag, wie die USA den IS «kreierten»:

Den Aufstieg des IS zur bedeutenden Terrororganisation machte aber erst der syrische Bürgerkrieg möglich, schreibt «Vox». Ein fünfminütiges Video erklärt, wie der syrische Bürgerkrieg begann und wie dieser Krieg dem IS zu seiner heutigen Machtposition verhalf:

Was will der IS?

Der IS ist im Kern eine ideologische Organisation, deren grosses Ziel es ist, ein Kalifat zu errichten und zu erweitern. Ein Kalifat ist ein ideologisch und religiös unter einem Führer (dem Kalifen) geeintes Gebiet. Gemäss IS ist es die oberste Pflicht jedes Muslims, Teil des Kalifats zu werden und dem Kalifen die Gefolgschaft zu schwören. Wer das nicht tut, gilt als ungläubig. Anders als al-Kaida sieht der IS seine Aufgabe nicht in erster Linie darin, den Westen mit Attentaten zu bekämpfen, sondern seine direkte, ungläubige Nachbarschaft zu erobern. Der IS sieht sich umgeben von Feinden, die es zu bekehren oder zu zerstören gilt. Das ideologische Endziel ist die epische Schlacht zwischen den Armeen des Kalifats und den Armeen Roms (womit je nach Auslegung auch eine Koalition westlicher Mächte gemeint sein kann).

» «The Atlantic» hat in einem ausführlichen Artikel den ideologischen Hintergrund des IS analysiert.

Warum fühlen sich junge Menschen vom IS angezogen?

Im Interview mit «Zeit Campus» erklärt Peter Neumann, Islamismus-Experte am King’s College in London, die Faszination wie folgt:

«Der islamistische Terrorismus ist eine Jugendkultur. Viele der Kämpfer sind Anfang oder Mitte zwanzig. In dem Alter durchleben die meisten eine rebellische Phase. Sie wollen, dass die Gesellschaft sie ablehnt. Und was ist das Verrückteste, was du heute machen kannst? Womit kannst du deine Eltern, deine Lehrer, alle Autoritäten gegen dich aufbringen? Vor 30 Jahren wärst du vielleicht Punk geworden, vor 20 Jahren Neonazi, heute wirst du Islamist. In Amerika gab es schon Leute, die waren erst Nazis, dann Jihadisten. Das sind Sinnsucher.»

» Nach den Attacken von Paris hat CNN mit dem ehemaligen Jihadisten Maajid Nawaz darüber gesprochen, wie man die muslimische Jugend vor der Radikalisierung bewahren kann:

_
Fallen Ihnen noch weitere Fragen zum IS ein? Stellen Sie diese bitte in den Kommentaren oder über community@tageswoche.ch. Wir bemühen uns gerne, diese mit weiteren Quellen zu beantworten.

Nächster Artikel