Wawrinka kämpft und fliegt gegen Djokovic raus

Trotz seiner Niederlage gegen die Weltnummer 1 konnte Stanislas Wawrinka die Arena der US Open hocherhobenen Hauptes verlassen. Er hat hart gekämpft und Djokovic alles abgefordert.

Zum Schluss gabs Lob von der Weltnummer 1: «Er hat mir alles abgefordert», sagt Novak Djokovic über den unterlegenen Stanislas Wawrinka. (Bild: David Goldman)

Trotz seiner Niederlage gegen die Weltnummer 1 konnte Stanislas Wawrinka die Arena der US Open hocherhobenen Hauptes verlassen. Er hat hart gekämpft und Djokovic alles abgefordert.

Er schlug die Nummer 5, den Tschechen Tomas Berdych. Er schlug die Nummer 3, den amtierenden Champion Andy Murray. Doch obwohl er im ersten Grand Slam-Halbfinale seiner Karriere noch mehr Qualität zeigte, mit noch mehr Mut und Courage spielte, konnte Stanislas Wawrinka am Samstag die Nummer 1 nicht stürzen, den unermüdlichen Novak Djokovic.

Äusserst unglücklich kam das 6:2, 7:6 (7:4), 6:3, 3:6 und 4:6-Aus in einem faszinierenden Showdown für den 28-jährigen Schweizer, der allerdings mit hocherhobenem Haupt die größte Tennisarena der Welt verlassen konnte. Nach einem brillanten, wenn auch nicht erfolgreichen Spiel, mit dem er sich nicht nur in New York viele neue Freunde gemacht haben dürfte. Ähnlich wie in Australien, zu Saisonbeginn, bei Wawrinkas dramatischer Fünf-Satz-Niederlage mit 10:12 im fünften Satz, war es am Ende die bessere Physis und größere Erfahrung in großen Matches, die für den Serben den Ausschlag gaben.

«Es war eine harte Schlacht, eine schwere Niederlage, aber ein großes Turnier. Ich kämpfte bis zu letzt. Es war alles in allem eine unglaubliche Erfahrung», sagt Wawrinka. Er habe «Riesenrespekt» vor Wawrinkas Leistung, erklärte Djokovic, «er hat mir alles, alles abverlangt, spielte sogar das bessere Tennis». Im zwölften Major-Endspiel seiner Karriere trifft Djokovic nun auf Rafael Nadal.

Vertauschte Rollen

Wer ist der sechsmalige Grand Slam-Champion und Nummer eins-Spieler der Tenniswelt, wer der Halbfinal-Neuling, der zum ersten Mal in der absolut zugespitzen Endphase eines Majors auf dem Platz steht? Tennis-Neulinge hätten sich in den ersten drei Sätzen zwangsläufig vertippen müssen, denn Djokovic und Wawrinka spielten das Duell mit komplett vertauschten Rollen.

Der Aggressor, der Spieler mit der zupackenden, zu allem entschlossenen Attitüde war allermeistens Herausforderer Wawrinka, sichtlich inspiriert von seinen triumphalen Erfolgen in den letzten Runden. Djokovic dagegen, der Frontmann der Branche, wirkte ungewohnt matt, passiv und zögerlich – fast ungläubig nahm er seine Unterlegenheit hin, schien sich zu wundern, wie frei von allem Druck und Lampenfieber sein Gegenüber auftrat.

Und dieser Wawrinka hatte ja auch allerhand anzubieten: Obwohl er erhebliche Probleme mit seinem ersten Aufschlag hatte, dominierte der 28-jährige das Spiel komplett bis zum Zwischenstand von 6:2 und 4:2, auch weil er in den Returnspielen stets Gefahr für Djokovic bedeutete, dem Serben allein in Satz eins zwei Mal den Aufschlag abnahm. In den fünf vorherigen Matches hatte Djokovioc sein Service nur insgesamt fünf Mal verloren.

Wawrinka verkraftet Rückschläge nun besser

Danach folgte das Spiel einem Drehbuch, das an den Vergleich der beiden in Melbourne zu Saisonbeginn erinnerte. Damals hatten Wawrinka nur zwei Punkte zu einer 2:0-Satzführung gefehlt, ehe er den Satzausgleich kassierte. Nun verlor der Eidgenosse den erneut, wenn auch erst im Tiebreak, dort vor allem wegen eines Doppelfehlers zum 2:4.

Aber Wawrinka erholte sich von dem Malheur, zeigte, dass er Rückschläge in Matches besser verkraften und verarbeiten kann, wohl auch eine Folge intensiver Gespräche mit Trainer Magnus Norman in den letzten Monaten. Jedenfalls gelang dem Romand im dritten Satz ein wegweisendes Break zum 5:3, das er dann auch souverän bis zum 6:3 und zur 2:1-Satzführung verteidigte.

Anschließend allerdings schlichen sich Schwächen bei dem bärenstarken Außenseiter ein, auch ein mentaler Einbruch nach dem schnellen 0:3-Rückstand im vierten Satz. Wutentbrannt schleuderte Wawrinka sogar sein Racket auf den Platz, zerbrach es danach mit dem Knie: Weil er bereits eine Verwarnung wegen eines in die Zuschauerränge abgefeuerten Balles eingestrichen hatte, folgte für diese Verfehlung sogar ein Punktabzug. Damit nicht genug, handelte sich der Schweizer bei einem Ausrutscher auch noch eine leichte Leistenverletzung ein. Er wurde deshalb auch für einige Minuten behandelt, wirkte danach aber nicht übermässig gehandicappt. Den 2:2-Satzausgleich konnte er freilich nicht verhindern.

Wawrinka gewann anschließend zwar das bisher längste Spiel des ganzen Turniers zum 2:1, ein Spiel, das 21 Minuten dauerte und über 12 Einstände ging. Doch allmählich machten sich die Härte der Partie und auch die Verletzung bemerkbar, forderten ihren Tribut. So verlor der Schweizer dann zum 2:3 seinen Aufschlag, nachdem er zuvor serienweise Breakbälle Djokovics immer wieder abwehren konnte. Den Vorsprung hielt der Serbe bis zum Ende, bis zum verwandelten Matchball nach vier Stunden und neun Minuten.

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