Wechselhaft, klein – aber sehr mächtig

Die Grünliberalen haben es geschafft: Vier Jahre nach ihrer Gründung gehören sie in Basel zu den einflussreichen Parteien. Wegen ihres Zickzack-Kurses ist die GLP aber ein unberechenbarer Partner.

Nur selten gelinge der Spagat nicht, sagt David Wüest-Rudin. (Bild: Jürg Lindenberger)

Die Grünliberalen haben es geschafft: Vier Jahre nach ihrer Gründung gehören sie in Basel zu den einflussreichen Parteien. Wegen ihres Zickzack-Kurses ist die GLP aber ein unberechenbarer Partner.

Belächelt hatte man die Grünliberale Partei Basel-Stadt (GLP), damals im Februar 2008 bei ihrer Gründung. Eine GLP habe in Basel kaum Chancen, spotteten Exponenten der grossen Parteien. Wirtschaftliche Anliegen im Verbund mit ökologischen Themen – so etwas liesse sich den Wählern schlecht verkaufen.

Die Ernüchterung erfolgte im September 2008 bei den Grossratswahlen: Die GLP erreichte auf Anhieb fünf Sitze im Parlament und somit Fraktionsstärke – ein Erdrutschsieg. Vier Jahre nach ihrer Gründung ist die GLP in Basel eine politische Grösse. Sie mischt an vorderster Front mit – zur Freude ihres Parteipräsidenten David Wüest-Rudin (42). «Wir haben uns wahnsinnig entwickelt und stehen gut da», sagt der Vater zweier Kinder.

Seine Partei hat tatsächlich einiges erreicht. 150 Mitglieder zählt die GLP heute, zu Beginn waren es noch 30. Und durch den Wechsel von Emmanuel Ullmann (vorher FDP) wuchs auch die Grossratsfraktion weiter. Zudem erreichte sie bei den Bürgergemeinderatswahlen im Mai 2011 drei Sitze, und sie stellt mit Beat Schönenberger einen Zivilgerichtspräsidenten.

Und: Die GLP weiss auf sich aufmerksam zu machen. Im Parlament ist sie trotz ihrer Grösse präsenter als die meisten anderen, grösseren Fraktionen, auch wenn man hauptsächlich Wüest-Rudin und Dieter Werthemann (früher LDP) wahrnimmt. Die anderen Fraktionsmitglieder – Martina Bernasconi (ehemals Frauenliste), Aeneas Wanner, Bülent Pekerman und Emmanuel Ullmann – fallen im Grossen Rat nicht wirklich auf.

Das Ziel von Wüest-Rudin für die Gesamterneuerungswahlen im Oktober ist ziemlich bescheiden: «Wir möchten die jetzige Grösse halten. Und es wäre schön, wenn wir ein, zwei Sitze dazugewinnen würden.» Ob die Grün­liberalen auch für die Regierung kan­didieren, wird voraussichtlich im März feststehen.

Bescheidene Ziele

Trotz dieser demonstrativen Bescheidenheit: An der GLP kommen andere Parteien heute nur noch schwer vorbei. Von allen Seiten wird sie umgarnt, von den Bürgerlichen und neuerdings auch von den Linken. So würden manche Sozialdemokraten im Hinblick auf die Regierungsratswahlen gerne eine Liaison mit Wüest-Rudins Partei eingehen. Bereits spricht man in der SP auch von einem rot-grünen «Super­ticket» von SP, Grünen und GLP.

Dass man von den Grünliberalen derzeit nur profitieren kann, sah die CVP früh ein. Bei den letzten Nationalratswahlen holte CVP-Mann Markus Lehmann dank der Listenverbindung mit der GLP einen Sitz, obwohl die CVP Wähleranteile verlor. Wüest-Rudin bereut diese Zusammenarbeit nicht. Ganz wohl scheint es ihm dabei aber auch nicht zu sein – er kandidierte nämlich selber für den Nationalrat: «Wenn man bedenkt, dass die CVP jede fünfte Stimme verlor und die GLP schweizweit von 14 angestrebten Sitzen zwölf besetzen konnte, es aber in einer urbanen Stadt wie Basel nicht reicht, dann ist das enttäuschend.»

Die Mitglieder der GLP geniessen es, umschwärmt zu werden. Die Partei ist sich ihrer Attraktivität bewusst und spielt ihre Machtposition auch gerne aus. «Wir können im Grossen Rat Mehrheiten produzieren und sind manchmal das Zünglein an der Waage – sowohl links wie rechts», sagt Wüest-Rudin. Das sei nicht immer einfach, denn damit schaffe man sich auch Feinde. Eine Tatsache, die Politiker anderer Parteien hinter vorgehaltener Hand bestätigen: Manchmal nerve es, derart auf die GLP angewiesen zu sein.

Applaus von rechts und links

Fragt man Wüest-Rudin, was die Grünliberalen in den letzten vier Jahren sachpolitisch in Basel erreicht hätten, antwortet er: «Wir konnten auf bürgerlicher wie auch auf linker Seite gute Verbindungen knüpfen.» So arbeite man mit den Bürgerlichen in Finanz- und Wirtschaftsfragen zusammen, mit den Linken bei Umwelt- und Verkehrsthemen. Man habe Vorstösse lanciert, die bei den Bürgerlichen gut angekommen seien – etwa die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten (erfolglos). Andere Vorstösse seien bei der SP und den Grünen auf Wohlwollen gestossen, etwa die Förderung energischer Sanierungen für Liegenschaften im Kantonsbesitz (teilweise erfolgreich).

Dass die GLP es mit beiden Seiten könne, habe sich auch beim Thema ­Integration gut gezeigt, betont Wüest-Rudin. Die Grünliberalen lancierten vor einem Jahr eine Motion, die die Wegweisung bei schweren Integra­tions­­defiziten in den ersten zehn Jahren nach Zuzug forderte – die SVP applaudierte, die Linke war empört. Zur selben Zeit reichte die GLP eine andere Motion ein, die die automatische Einbürgerung mit 18 verlangte: Dieses Mal klatschte die Linke, und die SVP war brüskiert. «Wer schafft es schon, zwei Vorstösse zu lancieren, die auf beiden Seiten gleichzeitig für Begeisterung und Empörung sorgen? Das macht uns eben aus.»

Man könne mit der GLP gut zusammen­arbeiten, sagt deren Präsident, «wir sind ein verlässlicher Partner.» Es fällt schwer, Wüest-Rudins Worten zu glauben, wenn man auf die vergangenen Gerichts- und die kommenden Regierungsratswahlen blickt. Für die Exekutive schliesst die GLP eine Zusammenarbeit mit der SVP aus, weil diese zu extrem politisiere. Für die ­Gerichtswahlen war die SVP der GLP jedoch noch gut genug.

Die Sache mit dem Rauchen

Oder die beiden Raucherabstimmungen: Im September 2008 war die GLP noch für die Initia­tive «Schutz vor Passivrauchen» der Lungenliga. Bei der Abstimmung im November 2011, als es um eine Lockerung des Basler Rauchverbots ging, ­befürwortete sie dagegen das Volksbegehren des Wirteverbands.

Solche Beispiele machen die GLP unberechenbar. Sie befindet sich auf einem Zickzack-Kurs, und ihr fehlt ein scharfes Profil. Man kann zwar davon ausgehen, dass sie bei ökologischen Themen eher mit den Linken stimmt und bei wirtschaftlichen Fragen eher mit den Bürgerlichen. Aber auch das stimmt so nicht immer, wie die kommende Abstimmung über die Parkraum-Initiative des Gewerbeverbandes zeigt. Obwohl die Wirtschaftsverbände dafür sind, dass Private und Firmen auf ihrem Grund so viele Parkplätze bauen dürfen sollen, wie sie wünschen, ist die GLP gegen die Volksinitiative.

Es gebe selten Interessenskonflikte, und nur selten gelinge der Spagat ­zwischen Wirtschafts- und Umweltthemen nicht, beschwichtigt Wüest-­Rudin. Er kann es nicht mehr hören, dass die GLP unentschlossen sei. «Wir sind keine Wischiwaschi-Partei. Unsere Linie ist klar: Bei ökologischen Themen stehen wir klar links – sonst politisieren wir meistens liberal.» Gewisse Leute seien sich dies einfach nicht gewohnt, weil sie altmodisch im Links-Rechts-Block denken würden.

Trotzdem: Die GLP ist auch vier Jahre nach der Gründung eine Partei ohne Ecken und Kanten. Aber: Damit ist sie paradoxerweise erfolgreich. Sie hat in Basel viel mehr Einfluss, als es ihr Wähleranteil eigentlich suggerieren würde.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.01.12

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