Mischt sich nun das Volk in die Schlacht um den direkten Steuerabzug?

Die Grossratsdebatte über einen direkten Steuerabzug vom Lohn wurde erwartungsgemäss zum Grabenkampf zwischen Links und Rechts. Am Schluss obsiegte die bürgerliche Seite, die der Vorlage eine knappe Abfuhr erteilte. Befürworter fassen nun eine Volksinitiative ins Auge.

Ruedi Rechsteiner (Bildmitte) brachte sein Anliegen bei der knappen bürgerlichen Mehrheit im Grossen Rat nicht durch. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Dass es knapp wird, war allen Beteiligten bereits im Vorfeld klar. Die Debatte über die Einführung eines direkten Steuerabzugs vom Lohn entwickelte sich denn auch zum klassischen Grabenkampf zwischen Links und Rechts, die sich im Grossen Rat die Waage halten. Es wurde also schnell klar, dass die politische Mitte mit EVP und GLP das Zünglein an der Waage spielen würde.

Und diese politische Mitte sorgte schliesslich dafür, dass die bürgerliche Fundamentalopposition gegen die Vorlage mit einer Stimme mehr erfolgreich war. Der Rat stimmte mit 48 gegen 47 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen Eintreten auf die Vorlage. Enthalten haben sich Annemarie Pfeifer (EVP) und Aeneas Wanner (GLP). Nicht an der Abstimmung teilgenommen haben je ein Grossrat der SVP und des Grünen Bündnisses.

Tiefe Gräben

Zur Debatte stand die Einführung eines direkten Abzugs der Einkommenssteuern vom Lohn durch die Arbeitgeber. Betroffen gewesen wären Arbeitnehmer mit Wohnsitz und Arbeitsstelle im Kanton Basel-Stadt. Diese hätten aber die Möglichkeit gehabt, auf diesen direkten Abzug zu verzichten. Eingebracht wurde dieser Vorschlag von SP-Grossrat Ruedi Rechsteiner. Die Regierung hatte nach anfänglicher Skepsis eine Vorlage ausgearbeitet, die sie als durchaus bedenkenswert und vor allem umsetzbar taxierte.

Diese oberflächlich betrachtet simple Vorlage öffnete im Rat aber erstaunlich tiefe Gräben, die sich bereits in der Vorberatung durch die Wirtschafts- und Abgabekommission offenbart hatten. So kam es denn auch, dass die Kommission mit zwei Sprechern auftrat.

Georg Mattmüller (SP) betonte als Sprecher der Kommissonsmehrheit wie alle weiteren Redner der Linksparteien, dass ein direkter Abzug ein wichtiges Mittel gegen die Schuldenfalle sei. 10’000 Baslerinnen und Basler würden jährlich wegen Steuerschulden betrieben, für nicht wenige habe dies einen unguten Bruch in der Biografie zur Folge. Dies könne zumindest zu einem Teil mit einem überschaubaren Aufwand der Arbeitgeber, welche die Abzüge vornehmen müssten, vermieden werden.

«Vor einer Volksabstimmung fürchte ich mich nicht»

SP-Grossrat Ruedi Rechsteiner

Diesen Zusatzaufwand scheinen die Arbeitgeber zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Die Vorlage sei sozialpolitisch gut gemeint, sagte Christophe Haller (FDP) als Sprecher der Kommissionsminderheit, erreiche aber das anvisierte Ziel nicht. Sie habe viel Aufwand zur Folge und als beengter Kanton sei Basel-Stadt der «denkbar ungeeignetste Ort» für die in der Schweiz erstmalige Einführung dieses neuen Modells. Haller bezeichnete die Freiwilligkeit überdies als Etikettenschwindel, tatsächlich gehe es um die «Entmündigung» der Steuerzahler.

Finanzdirektorin Eva Herzog wunderte sich über die Fundamentalopposition. Sie gab zu, dass die Steuerverwaltung und die Regierung im ersten Moment kritisch auf die Vorlage reagiert hätten. Man habe aber einen machbaren und vertretbaren Weg zur Umsetzung gefunden, sodass sich die rot-grüne Regierung schliesslich zur Befürworterseite geschlagen habe.

Die Grossräte liessen sich durch die zahlreichen Voten nicht von ihrer Linie abbringen.

Wirtschaftsverbände atmen auf

Vertreterinnen vom «Verein für den freiwilligen Direktabzug Basel» und von der Schuldenberatungsstelle Plusminus hatten die Debatte von der Zuschauertribüne aus verfolgt. Sie gaben sich im Anschluss nicht allzu sehr zerknirscht, aber natürlich enttäuscht, dass der Grosse Rat die Chance nicht gepackt habe. «Aber wir haben unter dem Strich mehr erreicht, als zu erwarten war», sagte Agnes Würsch von Plusminus. «Das Thema ist auf dem Tisch und bleibt da. Wir werden weiter für einen automatischen Steuerabzug kämpfen und prüfen, ob wir eine entsprechende Volksinitiative lancieren werden.»

Auch für Ruedi Rechsteiner (SP), der die Debatte 2015 mit einem Vorstoss im Grossen Rat lanciert hatte, ist das Thema noch längst nicht vom Tisch. Für ihn ist es klar, dass jetzt eine Volksinitiative folgen muss. «Vor einer Volksabstimmung fürchte ich mich nicht», sagte er.

Auf der anderen Seite zeigen sich die Wirtschaftsverbände in einem gemeinsamen Communiqué «hoch erfreut, dass eine Koalition der Vernunft im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt heute die Einführung eines sogenannten Lohnabzugsverfahrens abgelehnt hat».

https://tageswoche.ch/politik/startschuss-zur-schlacht-um-den-direkten-steuerabzug

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