In der Schweiz grassiert die Angst. Diese Tendenz ist zum Fürchten. Ein Plädoyer für mehr Mut und Zuversicht.
Angst hat, wer sich nicht wehren kann. Angst hat, wer nicht mehr selbstbestimmt handeln, wer nur noch reagieren kann. In der Schweiz muss kaum jemand Angst haben. Der Rechtsstaat funktioniert, das soziale Auffangnetz hält und die Gesellschaft ist liberal. Weitgehend. Noch.
Obwohl hierzulande Handlungsspielraum besteht und wir uns frei bewegen können, grassiert die Angst.
Sie schlägt sich nieder in politischen Entscheiden: Die Zuwanderung wird beschränkt, die staatliche Überwachung ausgebaut, Bildungsetats gekürzt, rechts gewählt. Die Idee heisst Konservatismus und sie verkennt den heutigen Wohlstand als Ergebnis eines abgeschlossenen Prozesses. Statt sich für Ideale einzusetzen, bekämpft der Konservative die Veränderung. Dabei sind Errungenschaften wie eine innovative Wirtschaft, transparente Machtgefüge und durchlässige Bildungssysteme mehr Zwischenstand als Ziel. Sie sind nicht Mittel, sie sind Zweck. Durch Stillstand verkommen Privilegien zum Nachteil.
Zyniker malen gerne in den dunkelsten Farben und ziehen andere damit runter. Sie sind die Treiber der grassierenden Angst.
Der grosse, hässliche Bruder des Konservatismus ist der Zynismus. Wo der Konservative den Status quo verklärt, hat der Zyniker die Zeichen des Wandels bereits erkannt. Doch fällt seine Reaktion destruktiv aus. Zyniker sind enttäuschte, traurige Gestalten und trotzdem kann ich wenig Empathie für sie aufbringen.
Denn Zynismus muss man sich als Haltung leisten können. Die Opferhaltung ist Schmuck. Zyniker stellen sich über die Sache, die sie beklagen. Sie sehen sich davon nicht betroffen und verkleiden ihre Hilflosigkeit als intellektuelle Reife. Als Weitsicht, die doch nicht mehr ist als Ignoranz. Oft bewusst, oft wider besseren Wissens. Es ist eine bequeme Haltung, aus ihr lässt sich mit Verve und scheinbar überzeugend argumentieren.
Zyniker malen gerne in den dunkelsten Farben und ziehen andere damit runter. Sie sind die Treiber der grassierenden Angst.
Angst macht die Gesellschaft krank
Es gibt Dinge, die mir wirklich Angst machen. Krankheiten wie Krebs zum Beispiel, die sich unbemerkt in den Körper schleichen, darin schlummern und ihn still und heimlich von innen zerfressen. Oder die Vorstellung, in eine Massenpanik zu geraten, wie jene in Duisburg, als an der Loveparade 21 Menschen zu Tode gedrückt wurden. Naturkatastrophen wie Lawinen, Erdbeben oder Tsunamis finde ich ebenso zum Fürchten wie die Haltung, dass der Klimawandel eine Glaubensfrage sei.
Ich fürchte mich vor Dingen, denen ich ohnmächtig gegenüberstehe. Noch zählen der politische Diskurs und die gesellschaftliche Entwicklung nicht dazu. Doch hat sich die Angst erst einmal in einer Gesellschaft festgesetzt, ist ihre Wirkung ähnlich fatal wie die einer schlimmen Krankheit.
Ich wünsche mir, dass es nie so weit kommt.