«Wer aus Angst nicht handelt, tut bald nichts mehr»

Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr zieht nach dem ersten Amtsjahr Bilanz. Ihm ist es als «Chef eines grösseren Ladens» ziemlich wohl – und er gesteht sich auch Fehler zu.

Ziemlich entspannt: Baustellen gibt es, Widerstände auch. Aber das, so Regierungsrat Baschi Dürr, gehört halt zum Geschäft. (Bild: Livio M. Stöckli)

Der Basler Sicherheitsdirektor Baschi Dürr zieht nach dem ersten Amtsjahr Bilanz. Ihm ist es als «Chef eines grösseren Ladens» ziemlich wohl – und er gesteht sich auch Fehler zu.

Herr Dürr, Sie sind nun seit einem Jahr im Amt. In­wiefern hat sich Ihr Leben verändert?

Ein neuer Job ist natürlich immer eine Herausforderung. Dieser Job ist aber mehr oder weniger so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Das heisst jedoch nicht, dass er nur einfach ist, dass es keine Schwierigkeiten gibt und dass ich ihn mit links mache.

Wenn Sie auf Ihr erstes Amtsjahr zurückblicken: Was fanden Sie am mühsamsten?

Wirklich mühsam oder grauenhaft war kein Vorfall. Turbulent ging es aber sicher im Bereich Rettung zu und her, namentlich bei der Sanität. Ansonsten war es für das Departement ein ziemlich normales Jahr.

Sie sind sehr jung und durch Ihr Amt in ein enges ­Korsett geschnürt. Beneiden Sie manchmal nicht Ihre Altersgenossen, die ungestört über die Stränge schlagen können und keine offizielle Rolle spielen müssen?

Viele Leute müssen eine Rolle ­spielen, Sie als Journalistin und Journalist – und ich als Regierungsrat. Lustig ist, wie wir alle brav ­unsere Rolle spielen (lacht).

Sie leiden also nicht unter Ihrer Rolle?

Überhaupt nicht. Ich verbiege mich nicht und muss auch kein anderes Leben führen als früher. Natürlich bin ich heute politisch weniger frei als in meiner Zeit als Parlamenta­rier, wo man politisch schon mal über die Stränge hauen kann. Ich bin heute Chef eines grösseren Ladens, in dem mich die Mitarbeiter sehr genau beobachten.

Wie meinen Sie das?

Als ich das Amt antrat und eine Tour durch alle Abteilungen machte, ­wurde jeder meiner Augenaufschläge, jeder Nebensatz interpretiert. Das ist ja klar, wenn ein Neuer kommt. Ich verhalte mich dennoch gleich wie früher und versteife mich nicht darauf, keine Fehler zu begehen. Das wäre keine gute Strategie: Wer aus Angst nicht handelt, tut bald nichts mehr.

Auf ein Bier mit Baschi Dürr, das geht also noch?

Selbstverständlich!

«Ich verbiege mich nicht und muss auch kein anderes Leben führen als früher.»

Das Basler Büro der PR-Firma Farner Consulting, das Sie leiteten, wurde aus dem Handelsregister gestrichen. Ihre Aufbauarbeit wurde damit zunichte gemacht. Tut das nicht weh?

Ja und nein. Es war ja kein Produktionsbetrieb, den ich aufgebaut habe, sondern eine kleine Filiale mit zwei Leuten. Das Beratungs­geschäft ist ein sehr personengebun­denes Geschäft, da kann es vorkommen, dass eine Filiale schliesst, wenn der Chef geht.

Das Verkehrskonzept für die Basler Innenstadt sorgt derzeit für rote Köpfe. Sie wirkten ­vergangene Woche im Grossen Rat ziemlich genervt, als es um ­einen Resolutionsantrag des Grünen Bündnisses ging, wonach unbestrittene Teile des Konzeptes sofort umzusetzen seien. Was hat Sie in der Debatte so verärgert?

Ich empfand die Diskussion teilweise als plump. Wenn der Grosse Rat ­selber auf das Konzept zurückkommen möchte und an diesem etwas ­ändern will, dann kann er uns keinen Vorwurf machen, wenn wir mit der ­Umsetzung des Konzeptes zuwarten wollen. Das Parlament, das das ­Konzept mitbestimmt hat, wirft uns nun vor, seine Leitplanken nicht ­verletzt zu haben. Das finde ich schon ein bisschen komisch. Ich hätte die Aufregung sehen wollen im Parlament, wenn wir die Lieferzeiten einfach ausgedehnt hätten – entgegen dem Parlamentswillen. Das würde zu Recht schlecht ankommen.

Sie haben als Grossrat gegen das Konzept gestimmt. Jetzt müssen Sie es vertreten. Ist das nicht eine etwas unangenehme Situation?

Es gibt immer wieder Bereiche, wo man als Departementsvorsteher eine persönliche politische Meinung hat, aber der Auftrag ein anderer ist. Dass der Auftrag auf jeden Fall umgesetzt werden muss, steht nicht zur Diskussion. Es ist jedoch wichtig, dass wir dies mit einem gewissen Pragmatismus machen und auch die Verhältnismässigkeit wahren. Beim Verkehrskonzept haben wir dieses mit unserer Verordnung so liberal ausgelegt, wie es der Beschluss des Gros-sen Rats im Januar 2011 zugelassen hat. Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was das Konzept zulässt.

Trotzdem: Das Konzept hat doch Schwächen?

Man kann den Bär nicht waschen, ohne sein Fell nass zu machen. Es wird grundsätzlich – mit gewissen Ausnahmen – keine Autos mehr in der Innenstadt geben. Für gewisse Geschäfte hat es in diesem Konzept praktisch keinen Platz. Zum Beispiel für eine Pizzeria mit Kurierdienst am Marktplatz, die darauf angewiesen ist, ständig mit dem Auto vor­zufahren. Das kann man gut oder schlecht finden. Ich habe da wenig Herzblut, mich würde der Pizza­kurier nicht stören – die Welt geht aber für mich persönlich auch nicht ­unter, wenn er nicht mehr dort ist. Für gewisse Firmen könnte es aber schwierig bis existenziell werden. Aber das hat der Grosse Rat mit ­diesem Konzept in Kauf genommen.

Kurz nach Ihrem Amtsantritt liessen Sie durchblicken, dass das Verkehrskonzept schnell umgesetzt werden müsse. Die Umsetzung wirkt nun unaus­gereift und unüberlegt. War dies nicht ein Fehlentscheid?

Das glaube ich nicht. Nachdem eine erste Verordnung vor meinem Amtsantritt gescheitert ist, haben wir relativ zügig vorwärtsgemacht und in sechs Monaten eine neue Verordnung ausgearbeitet. Wir haben diese jedoch intensiv mit allen Interessensgruppierungen diskutiert – von den Behinderten über die Anwohner bis hin zum Gewerbe und der IG Kleinbasel. Die Verordnung wurde zudem gemeinsam mit dem Gewerbeverband vorgestellt. Es ist – im Gegensatz zum ersten Versuch – auch keine einzige Verfassungsbeschwerde gegen die neue Verordnung eingegangen.

Vor Ihrer Wahl konnte man ­glauben, dass keine Stadt unsicherer sei als Basel. Heute ist die Sicherheit kein Thema mehr. Wie beurteilen Sie diesen Stimmungsumschwung?

Es hat mich im Wahlkampf geärgert, wie die gleichen Kriminalstatistiken je nach These sehr verschieden interpretiert wurden. Die Sicherheit hat sich 2013 sicher nicht verschlechtert, das wird sich auch im März zeigen, wenn die neue Kriminalitätsstatistik veröffentlicht wird. Solche Zahlen sind aber immer mit einer gewissen Zufälligkeit verbunden und nur ein Ausschnitt des ­grossen «Sicherheitsbilds». Und ­genauso wenig, wie die Polizei allein schuld am Anstieg der Anzeige­statistik der Staatsanwaltschaft ist, dürfen wir es nicht ausschliesslich uns zuschreiben, wenn die Zahl der Delikte plötzlich einmal sinkt. Hier spielen immer ganz verschiedene Faktoren eine Rolle.

Jetzt sind Sie sehr defensiv.

Das Konzept meines Vorgängers, die Polizeipräsenz an den sogenannten Hotspots zu erhöhen, zeigt sicherlich Wirkung. Wichtig ist, dass man mit den vorhandenen Mitteln die richtigen Schwerpunkte setzt – da sind wir in Basel auf dem richtigen Weg, bleiben aber immer am Ball.

Uns scheint, dass die Zahl der gemeldeten Kriminalfälle in der vergangenen Zeit gesunken ist. Werden staatlicherseits weniger Meldungen verschickt – oder ist die Zahl der Fälle wirklich ­gesunken?

Unsere Kommunikationspolitik und auch jene der Staatsanwaltschaft hat sich nicht geändert. Es ist tatsächlich so, dass dieser Tage glücklicherweise etwas weniger passiert.

Per Twitter haben Sie kürzlich kundgetan, dass Sie für die Straffreiheit aller Drogen seien.

Diese Meinung habe ich schon immer vertreten, sie entspricht meiner liberalen Grundhaltung.

Umfragen zeigen, dass rund zwei Drittel der Menschen in der Schweiz gegen eine Drogenliberalisierung sind. Ihre Haltung ist nicht mehrheitsfähig.

Das gibts immer wieder. Ich war ja auch gegen die Masseneinwande-rungsinitiative.

«Ich habe ein paar wenige Male gekifft. Dabei ist mir schlecht geworden.»

Diese wurde allerdings sehr knapp angenommen …

Ja klar. Ich bin aber nicht der ­Meinung, dass ich als Politiker nur Dinge vertreten darf, die mehrheitsfähig sind. Ich finde, jeder soll ­Drogen konsumieren können, wenn er das will – solange sein Handeln keinem anderen schadet. Wenn man sieht, was der internationale «Krieg gegen Drogen» bringt, nämlich Milliardenkosten und Zehntausende von Toten, dann muss man sich ganz grundsätzlich fragen, ob es nicht schlauere Ansätze gibt.

Nun gibt es ja Drogen von unterschiedlicher Gefährlichkeit – machen Sie da keine ­Differenzierung?

Ich bin sehr skeptisch, wenn man Leute von Staats wegen vor sich selber schützen will. Man kann sich auch fragen, warum zum Beispiel Cannabis illegal ist und Alkohol oder Zigaretten erlaubt sind, obwohl diese «Drogen» ja nicht weniger gefährlich für die Gesundheit sind. So oder so praktizieren wir in Basel-Stadt seit Jahren einen vernünftigen Umgang. Hier leisten die sogenannten Kontakt- und Anlaufstellen – also die ehemaligen «Fixerstübli» – oder auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft hervorragende Arbeit.

Haben Sie selber schon mal ­Drogen konsumiert?

Ich rauche und trinke Alkohol.

Und illegale Substanzen?

Ich habe ein paar wenige Male­ gekifft. Dabei ist es mir allerdings schlecht geworden.

CVP-Präsident Lukas Engel­berger, der als Regierungsratskandidat für die Nachfolge von Carlo Conti antritt, ist so gut wie gewählt – freuen Sie sich auf das Wiedersehen in der Regierung mit Ihrem alten Freund?

Das definitive Kandidatenfeld ist noch nicht bekannt, aber ich denke auch, dass Lukas Engelberger sehr gute Chancen hat. Ich würde mich sehr über seine Wahl freuen.

Fehlt eigentlich nur noch LDP-Mann Conradin Cramer, und die freundschaftlich verbundene junge bürgerliche Garde wäre in der Regierung komplett …

Conradin Cramer hat gesagt, dass er sich eine Kandidatur als Nachfolger von Christoph Eymann überlegen werde, das ist richtig. Ich könnte mir Cramer sehr gut als Regierungsrat vorstellen. Aber mir steht es natürlich nicht an, anderen Parteien zu sagen, wen sie als Kandidaten aufstellen sollen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 21.02.14

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