Die Geschichte der Parkraumbewirtschaftung beziehungsweise Parkgebühren für Motorräder ist eine politische Slalomfahrt seltener Güte. Die Fahrt führt vom Verzicht zur Einführung, vom Kampf dagegen und wiederum zum Verzicht, schliesslich zur Wiedereinführung oder zu einem alternativen Weg des Verzichts. Mitte September soll der Grosse Rat das letztes Wort dazu sprechen.
Verstanden?
Wohl kaum. Deshalb soll hier die ganze Irrfahrt Schritt für Schritt nachvollzogen werden.
Wie alles begann:
Vielleicht hatte die Regierung eine Vorahnung, wie wirr sich das Ganze entwickeln könnte. Denn als sie in den 1990er-Jahren das Parkraumbewirtschaftungskonzept entwickelte, klammerte sie die Motorräder explizit aus. Doch so leicht kam die Exekutive nicht davon: Im Februar 2009 überwies der Grosse Rat einen Vorstoss der SP-Grossrätin Brigitte Heilbronner für die Schaffung gebührenpflichtiger Abstellplätze für Motorräder an die Regierung. Und dies mit einem überraschend deutlichen Verhältnis von 45 Ja- gegen 37 Nein-Stimmen.
Obwohl die Regierung Mühe hatte mit der Umsetzung des Vorstosses und die bürgerlichen Ratsmitglieder ihre Opposition nie aufgaben, hielt der Grosse Rat viermal am Vorstoss fest. Also wurde die Regierung aktiv und sonderte 400 Abstellplätze im Umkreis der verkehrsberuhigten Innenstadt aus, auf denen Motorräder nur noch gegen eine Parkgebühr abgestellt werden dürfen. Es wurden Gebühren festgelegt (50 Rappen pro Stunde), Abstellflächen markiert, Parkuhren gekauft und die Ergänzung des Ordnungsbussenkatalogs eingeleitet. Die ganze Übung kostete über 400’000 Franken.
Auftritt der Riehener Jungbürgerlichen
Nun trat aber eine Gruppe bürgerlicher Jungpolitiker vornehmlich aus Riehen auf den Plan. Mit einer «Zweiradinitiative» wollten sie die Bewirtschaftung der Motorrad-Abstellplätze zu Fall bringen. Die Unterschriftensammlung begann 2015, als die Umsetzung bereits in vollem Gang war. Das Bau- und Verkehrsdepartement (BVD) verfügte daraufhin einen sofortigen Marschhalt, weil eine Annahme der Initiative dazu geführt hätte, dass alle Parkuhren wieder hätten abmontiert werden müssen.
Der Schwenker der Regierung
Die Initiative kam zustande und der Grosse Rat beauftragte die Regierung mit einem Bericht zum Volksbegehren. Dieser Bericht wartete mit einer Überraschung auf, legte doch die Exekutive Anfang 2017 einen Gegenvorschlag zur Initiative vor, der ebenfalls einen Verzicht auf Parkgebühren enthält, die Regeln aber nicht auf Verfassungs- sondern auf Gesetzesebene festlegen möchte. Konkret schlägt die Regierung einen relativ schwammig formulierten neuen Absatz im Umweltgesetz vor:
Der Kanton und die Landgemeinden fördern die Nutzung energieffizienter Verkehrsmittel sowie Mobilitätsformen, die den Platzbedarf für die Parkierung auf öffentlichem Grund senken.
Die Diskussion in der Kommission
Diese Formulierung gab nun in der zuständigen Umwelt- und Verkehrskommission des Grossen Rats (Uvek) viel zu diskutieren. Tatsächlich fallen unter die Formulierung «energieffiziente Verkehrsmittel sowie Mobilitätsformen, die den Platzbedarf für die Parkierung auf öffentlichem Grund senken» auch verbrauchsarme Kleinwagen und Carsharing-Angebote. Das ist zumindest der Kommissionsmehrheit des (Un-)Guten zu viel.
Auch die Initianten konnten sich nicht damit anfreunden, weil der Begriff «Zweiräder» nicht mehr vorkommt. Sie schlugen deshalb einen eigenen Gegenvorschlag zu ihrer Initiative vor mit einer Bestimmung, in der die Zweiräder explizit erwähnt werden.
Ein kleiner Einschub, damit wirklich alle an dasselbe denken, wenn von Zweirädern die Rede ist: Die Uvek hat sich laut ihrem Bericht den Begriff vom BVD erklären lassen. Die Antwort: «Zweiräder sind Fahrzeuge mit zwei Rädern hintereinander – vom Velo bis zum Motorrad mit zwei Rädern.»
Wo bleiben die Elektroroller?
Die Regierung begründet ihren Vorschlag, auf Parkgebühren zu verzichten, damit, dass der Trend von schmutzigen Motorrädern weg und hin zu Elektro-Zweirädern führe. Dies wird aber von einer links-grünen Mehrheit in der Uvek in Frage gestellt, und dabei hat sie die Zahlen auf ihrer Seite: Bei den Töffli mit Pedalen trifft dies zwar zu, nicht aber bei den Motorrädern. Der Bestand an Motorrädern in Basel-Stadt ist von 2012 bis 2016 von 7883 auf 9266 stark angestiegen. Davon waren im Jahr 2016 lediglich 16 elektrisch betrieben. Die Entwicklung im Baselbiet verläuft ähnlich.
Zurück zum Anfang …
Eine knappe Mehrheit der Kommission (es steht 7 zu 6) plädiert also dafür, zurück zum Anfang zu gehen, also zur ursprünglich geplanten Einführung der Parkgebühren. Einen Versuch, selber mit einer Gegenvorschlagsvariante vor den Grossen Rat zu treten, gab sie wegen der starken Gegenwehr der Kommissionsminderheit auf. Die Mehrheit hätte gerne vorgeschlagen, nur Elektroroller von der Parkgebühr zu befreien. So belässt es die Kommissionsmehrheit beim Antrag, die Initiative ohne Gegenvorschlag und mit der Empfehlung auf Ablehung dem Stimmvolk vorzulegen.
… oder zum neuen Gegenvorschlag der Initianten
Aber auch die Kommissionsminderheit aus den Mitgliedern der bürgerlichen Parteien tritt mit einem Antrag vor den Grossen Rat. Sie stellt sich hinter den Gegenvorschlag, wie ihn die Initianten vorgebracht haben. Darin findet sich als massgeblicher neuer Passus im Umweltschutzgesetz die Formulierung: «Zweiräder parkieren auf Allmend kostenlos.»
Was gilt heute?
Mitte September wird der Grosse Rat seinen Entscheid für oder gegen den Gegenvorschlag der Regierung, für oder gegen die Initiative oder für oder gegen den Gegenvorschlagsentwurf der Kommissionsminderheit fällen müssen. Danach wird das Stimmvolk an der Urne das letzte Wort haben.
Was aber gilt nun für die Zwischenzeit bis zur Abstimmung über die Zweiradinitiative oder einen der Gegenvorschläge? Die Verwaltung hat im Umkreis der Innenstadt ja bereits Motorradparkplätze ausgesondert – allerdings noch ohne Parkuhren und Gebührenpflicht.
Das hat aber bereits heute eine verkehrsrechtliche Bewandtnis für Motorradfahrer. Sie dürfen ihre Fahrzeuge nicht auf den Veloabstellflächen parkieren. Oder wie sich Martin Schütz, Sprecher des Justiz und Sicherheitsdepartements, etwas umständlich ausdrückt:
Dient eine Parkierungsfläche nur für bestimmte Fahrzeugarten, wird die Beschriftung im Feld oder das zutreffende Symbol auf dem entsprechenden Signal im Feld oder auf einer Zusatztafel angebracht. Also zum Beispiel: Wenn bei den Zweiradparkfeldern «Velos» steht, dann dürfen nur Velos dort abgestellt werden.