Wer nach oben will, muss zahlen

Bei der SVP und der GLP ist ein Spitzenplatz auf der Grossrats-Wahlliste mit einer finanziellen Zuwendung verbunden. Die SVP verlangt 500 Franken, die GLP gleich 1500 – eine Praxis, die auf Kritik stösst. 

(Bild: Michael Würtenberg)

Bei der SVP und der GLP ist ein Spitzenplatz auf der Grossrats-Wahlliste mit einer finanziellen Zuwendung verbunden. Die SVP verlangt 500 Franken, die GLP gleich 1500 – eine Praxis, die auf Kritik stösst. 

Listen sind eine zwiespältige ­Sache: Die beliebten oberen Ränge strahlen Prestige aus, sagen aber, je nach Auswahlkriterium, wenig aus über die Qualitäten des Aufgelisteten. Das gilt auch für Wahllisten. Zuoberst stehen meist die Bisherigen, die darauffolgenden Plätze werden je nach Partei unterschiedlich verteilt: entweder streng alphabetisch (LDP, FDP) oder nach Geschlecht (SP, Grünes Bündnis).

Ein gänzlich anderes Kriterium wenden in Basel dagegen die SVP und die GLP an: Hier entscheidet Geld. Gegen einen freiwilligen finanziellen Beitrag erhalten Kandidaten die Möglichkeit, auf der Liste weiter oben zu erscheinen. Bei der SVP-Liste für die kommende Grossratswahl wirkt sich dies so aus: Zuoberst stehen die Bisherigen, darauf folgen die Kandidaten, die sich ihre Kandidatur – ebenso wie die Bisherigen – 500 Franken kosten liessen, dann kommt der Rest. Bei der GLP ist ­dieser «Un­kosten­beitrag» dreimal so hoch, schliesst allerdings zusätzlich zum oberen Listenplatz eine prominentere Position auf den Plakaten und Flyern mit ein.

Wer zahlt, zeigt Wille

Sebastian Frehner, Nationalrat und Präsident der SVP Basel-Stadt, ist der Meinung, dass, wer Ambitionen habe, auch bereit sei, diese mit einer finanziellen Beteiligung auszudrücken: «Bezahlt hat, wer wirklich gewählt werden will.» Der Präsident der Basler Grünliberalen, David Wüest-Rudin, nennt ähnliche Gründe für den Verkauf von Listenplätzen. Wer seine Kandidatur ernst meine, «soll sich erstens im Wahlkampf besonders engagieren und zweitens 1500 Franken bezahlen». Dieser Beitrag werde in erster Linie für die Werbemittel aufgewendet, sagt Wüest-Rudin.

Diese Form der Listenplatzvergabe stösst bei anderen Basler Politikern auf Unverständnis. Urs Müller, Grossrat und Vorstandsmitglied beim Grünen Bündnis, bezeichnet die Praxis als «abwegig und verwerflich», sie widerspreche dem Verständnis seiner Partei.  Im gleichen Sinne urteilt der Prä­sident der SP Basel-Stadt, Martin ­Lüchinger: «Bei uns sollen alle die gleiche Chance haben, deshalb sind unsere Wahllisten alphabetisch aufgebaut, zuerst die Frauen, dann die Männer». Zudem werde gemäss ­Lüchinger der Listenplatz ohnehin überschätzt.

Kritik von bürgerlicher Seite

Und auch von bürgerlicher Seite wird Kritik laut an der Praxis von SVP und GLP. Markus Lehmann, Präsident der Basler CVP, sagt: «Politik soll man sich doch nicht mit Geld erkaufen können, höchstens mit Präsenz und Leistung.» Und der Basler FDP-Präsident Daniel Stolz hält das Angebot, gegen Bezahlung weiter oben auf der Liste geführt zu werden, für «zweifelhaft». Zudem verweist er auf einen weiteren Grund, der gegen eine solche Praxis spricht: Eine Platzierung direkt unter einem Bisherigen könne riskant sein, drohe man doch gestrichen zu werden, wenn die Bisherigen auf dem Wahlzettel kumuliert ­würden.

Extremes Beispiel aus Zürich

Die Praxis, Listenplätze gegen Geld zu vergeben, ist nicht neu. Ungleich höhere «Unkostenbeiträge» mussten im Herbst 2010 zum Beispiel die ­Nationalratskandidaten der Zürcher FDP leisten. Platz 1 bis 4 kosteten damals 40 000, die Plätze 5 und 6 immerhin noch 25 000 Franken, darunter wurde es schrittweise günstiger. Diese Tarifpolitik sorgte parteiintern für einen Aufstand, die Jungfreisin­nigen sahen sich durch die Bezahlschranke aus dem Wett­bewerb befördert.

 

Der Präsident der Basler Grünliberalen David Wüest-Rudin sieht sich im Artikel missverständlich zitiert. Er legt Wert auf folgende Präzisierung:

Die Darstellung in der TagesWoche, dass die Grünliberalen bei den Wahlen Listenplatzierungen verkaufen würden, ist falsch und verdreht die Sache ins Gegenteil. Die Spitzenkandidierenden der Grünliberalen, eingeschlossen die bisherigen Grossrätinnen und Grossräte, wurden in einem transparenten, mehrstufigen und basisdemokratisch legitimierten Verfahren von der Mitgliederversammlung gewählt. Die so gewählten Spitzenkandidierenden müssen einen besonderen persönlichen Einsatz im Wahlkampf leisten (Standaktionen etc.) und sie werden speziell persönlich in der Kampagne beworben. Sie bezahlen darum einen Beitrag an diese auf sie persönlich ausgerichtete Wahlwerbung und eben nicht für den Listenplatz. Den Listenplatz haben sie aufgrund ihrer Wahl durch die Mitgliederversammlung erhalten.

Mit diesem transparenten und demokratischen System stellen die Grünliberalen sicher, dass bei denjenigen Kandidierenden, die mit grossem Engagement in den Grossen Rat gewählt werden wollen, gleiche werbemässige Startbedingungen herrschen und gerade nicht einfach das dickere Portemonnaie über den Wahlerfolg entscheidet. Wer von den Spitzenkandidierenden den Beitrag an die Wahlwerbekosten nicht zahlen kann (Studierende zum Beispiel), der oder die wird in der Regel von Kolleginnen und Kollegen der Partei solidarisch unterstützt – so geschehen bei den Wahlen vor vier Jahren.

Vor diesem Hintergrund sind auch die Zitate des Präsidenten David Wüest-Rudin in einen irreführenden Kontext gestellt worden. Herr Wüest-Rudin nennt keine «Gründe für den Verkauf von Listenplätzen» (Text TaWo), denn die Grünliberalen haben wie gesagt keine Listenplätze verkauft. Auch müssen nicht Personen, «die ihre Kandidatur ernst meinen» (Text TaWo), einen Beitrag bezahlen, sondern die gewählten Spitzenkandidierenden. Und drittens werden die Beiträge auch nicht «in erster Linie» (Text TaWo) für die Werbemittel eingesetzt, sondern ausschliesslich zu diesem Zweck. Die Grünliberalen haben ein von den Mitgliedern beschlossenes System angewendet, nach dem der Wille zur Wahl sowie der persönliche Einsatz über den politischen Erfolg entscheiden soll, und nicht die privaten finanziellen Mittel.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.09.12

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