«Wer viel verdient, leistet auch viel für die Allgemeinheit»

Welcher Lohn ist gerecht? Und welcher nur noch unanständig? Guy Lachappelle, Direktor der Basler Kantonalbank, ist einer jener Topmanager, die es für richtig halten, dass über diese Fragen debattiert wird. Gleichzeitig warnt er vor Hetzkampagnen gegen einzelne Unternehmen, einer Schwächung der Schweizer Wirtschaft und damit des ganzen Landes.

«Entscheidend ist, wie eine Gesellschaft mit den Schwächsten umgeht»: Guy Lachappelle, Direktor der Basler Kantonalbank. (Bild: Keystone)

Welcher Lohn ist gerecht? Und welcher nur noch unanständig? Guy Lachappelle, Direktor der Basler Kantonalbank, ist einer jener Topmanager, die es für richtig halten, dass über diese Fragen debattiert wird. Gleichzeitig warnt er vor Hetzkampagnen gegen einzelne Unternehmen, einer Schwächung der Schweizer Wirtschaft und damit des ganzen Landes.

Gross war der Aufschrei, als die Basler SP zehn Topmanager mit Bezug zur Region an die 1.Mai-Feier einlud.

An der heutigen Feier auf dem Barfüsserplatz dürfte die Aufregung kaum mehr so gross sein. Von den zehn Managern wird jedenfalls aller Voraussicht nach kein einziger kommen, um seinen Lohn vor den Genossen, den Gewerkschaftern und ihren Sympathisanten zu rechtfertigen.

Stellung genommen haben sie dafür schon vorher – auf unsere Nachfrage hin. Die pointierteste Antwort bekamen wir wohl vom ehemaligen Lonza-Chef Stefan Borgas. Der CEO eines Grossunternehmens habe eine grosse Verantwortung, eine hohe Arbeitsbelastung und müsse einem erheblichen Druck standhalten. Dafür wäre eine Entschädigung von weniger als einer Million Franken pro Jahr «absolut zu tief», sagt Borgas.

Guy Lachappelle, neuer Direktor der Basler Kantonalbank (BKB), äussert sich zur Frage nach dem gerechten Lohn und dem Auseinanderdriften von Arm und Reich nicht ganz so direkt. Dafür aber umso differenzierter – und nicht minder interessant. Entscheidend sei, wie eine Gesellschaft mit den Schwächsten umgeht, sagt er unter anderem. Hier seine Antworten in voller Länge.

TagesWoche: Wann ist ein Lohn gerecht? Wie würden Sie das in Ihrem Fall beurteilen?

Guy Lachappelle: Was im tiefsten Sinn gerecht ist, ist letztlich eine philosophische Frage. Bezüglich der Lohngerechtigkeit ist jedoch der Prozess entscheidend. Es soll jede und jeder eine faire Chance haben, eine gute Ausbildung zu bekommen und eine berufliche Karriere anzustreben. Die Vergabe von Stellen und die Zumessung von Löhnen sollen vorurteilsfrei, transparent und durch unabhängige Vorgesetzte erfolgen. In diesem Rahmen soll der Wettbewerb spielen. Zur Lohngerechtigkeit gehört auch, dass diejenigen, die viel verdienen, viel an die allgemeinen Lasten beitragen. Dafür sorgt unser progressives Steuersystem. Das ist richtig so. Gemessen an den vorerwähnten Kriterien ist die Lohnverteilungsgerechtigkeit in der Schweiz auf vergleichsweise hohem Niveau erfüllt. Das gilt auch für die BKB und im Besonderen auch für die Geschäftsleitung der BKB, deren Löhne von einem politisch breit abgestützten Gremium festgesetzt werden.

Welche Konsequenzen können Initiativen wie «1:12» auf Gesellschaft und Wirtschaft haben?

Solche Initiativen haben den positiven Aspekt, dass über gesellschaftlich relevante Themen diskutiert wird. Die Lohnverteilung ist eine hochgradig relevante Sache. Es ist zu begrüssen, dass aufgrund einer solchen Initiative über diese Frage diskutiert werden kann. Volksinitiativen haben auch die Funktion, dass die Bevölkerung Einspruch erheben kann.

Gleichzeitig kann eine Initiative wie «1:12» auch negative Wirkungen haben, wenn daraus nämlich eine Hetzkampagne gegen Einzelpersonen oder gegen volkswirtschaftlich wichtige Unternehmungen entsteht. Wir sollten in der Lage sein, wichtige Fragen zu diskutieren, ohne in den Fehler zu verfallen, kollektive Verurteilungen gegen Wirtschaftsunternehmungen auszusprechen. Wir dürfen wichtige Unternehmungen auch nicht vertreiben. Die vorgeschlagene Regelung ist willkürlich und keine sinnvolle Basis für eine vernünftige Lohnordnung. Sie würde die Mechanismen der Lohnfestsetzung gefährden. In der Schweiz besteht eine lange Tradition, dass Löhne ausgehandelt werden, und nicht vom Staat vorgegeben werden. Diese Tradition darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Anderen Ländern, in denen der Staat stärker in die Lohnverhandlungen eingreift, geht es nicht besser.

In welchem Ausmass hat die Kluft zwischen Arm und Reich negative Auswirkungen?

Die Kluft zwischen Arm und Reich ist gefährlich, wenn sie zu gross wird. Jede Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Schwächsten umgeht. In der Schweiz ist die ökonomische Situation der Schwächsten vergleichsweise gut. Die Ärmsten sind in den vergangenen Jahrzehnten in der Schweiz nicht ärmer geworden, sondern ihre Situation hat sich laufend verbessert.

Genau gleicher Ansicht wie Guy Lachappelle ist übrigens auch sein Vorgänger Hans Rudolf Matter, wie der frühere BKB-Direktor der TagesWoche ausrichten liess.

 

Der 1. Mai, die Debatte um den gerechten Lohn und die Reaktion der Topmanager

Die umstrittene Einladung der Basler SP ging eigentlich an folgende zehn Topmanager:
• Joe Jimenez (CEO Novartis, der es in seiner Firma auf ein Lohnverhältnis von 1:219 bringt)
• Severin Schwan (CEO Roche, 1:203) • Sergio Ermotti (CEO UBS, 1:127)
• Hariolf Kottmann (CEO Clariant, 1:92) • Martin Strobel und Rolf Schäuble (CEO und ehemaliger VR-Präsident Bâloise 1:72)
• Richard Ridinger und Stefan Borgas (aktueller und ehemaliger CEO Lonza, 1:47)
• Guy Lachappelle und Hans Rudolf Matter (aktueller und ehemaliger CEO Basler Kantonalbank, rund 1:16).

Die SP forderte die zehn Topverdiener auf, die Höhe ihres Lohns an der 1.-Mai-Feier auf dem Barfüsserplatz zu rechtfertigen. Anlass ist die 1:12-Initiative der Juso. Darin wird verlangt, dass in einer Firma niemand mehr als zwölf Mal so viel Lohn erhalten darf wie irgendein anderer Mitarbeiter. Die oben aufgeführten Angaben über die heutigen Lohnverhältnisse stammen von der SP Basel-Stadt und der Gewerkschafts-Dachorganisation TravailSuisse. Wobei sich die Gewerkschaften nicht nur an der grossen Differenz stören, sondern auch an der Tatsache, dass die hohen Löhne in deutlich stärkerem Ausmass steigen als die tieferen.
Nach der Kontroverse um die SP-Aktion hat die TagesWoche die zehn Topmanager angeschrieben und Fragen zur Lohngerechtigkeit gestellt. Eine Antwort erhielten wir von allen. Diese waren ausnehmend freundlich, wenn auch nicht durchweg sehr inhaltsreich. Von BKB-Chef Guy Lachappelle erhielten wir eine der ausführlichsten Antworten. Darum geben wir diese nun auch in voller Länge wieder.

 

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