Die Baselbieter Politik ist Spitze, zumindest was den Frauenanteil anbelangt. Scharfe Kritik gibt es dennoch von Frauenseite. Anders in Basel: Dort spricht die SVP von einer «Unterdrückung» der Männer.
Der Trend ist klar: die Frauen haben in der Baselbieter Politik immer mehr zu sagen – im Landrat, in den kantonalen Parlamenten und auch in den Gemeinderäten, wie eine neue Studie der Fachstelle für Gleichstellung Baselland zeigt.
Dabei sind die Frauen im Landrat so stark vertreten wie in keinem anderen Kanton. Und auch ihre Dominanz in der Nationalratsvertretung (vier Frauen, drei Männer) ist schweizweit einzigartig, wobei es mit der Grünen Maya Graf eine Baselbieterin sogar zur höchsten Schweizerin gebracht hat.
Zweite Regierungsrätin war kein Thema
Das sind Entwicklungen, auf welche die Frauen – 45 Jahre nach Einführung des kantonalen Stimm- und Wahlrechts – stolz sein können. Dann gibt es aber auch noch die andere Seite der Realität. So sind die Baselbieter Frauen selbst im weiblichsten Parlament der Schweiz noch deutlich untervertreten (35,6 Prozent). Noch krasser das Verhältnis in der Regierung: Dort ist Sabine Pegoraro (FDP) auch nach den beiden Ersatzwahlen in diesem Jahr die einzige Frau. Und so viel rund um die beiden Ersatzwahlen von allen möglichen und unmöglichen Kandidaten gesprochen wurde – an eine Kandidatin dachte kaum jemand ernsthaft.
Männersache ist die Baselbieter Politik auch im Ständerat, wo Claude Janiak (SP) seine Standesstimme erhebt. Anders die Stadt, die sich in der kleinen Kammer von einer Frau vertreten lässt – von Anita Fetz (SP). Dafür ist in Basel die Frauenquote bei der letzten Parlamentswahl stark zurückgegangen (minus 6 Prozent auf 31).
Das Volk mag Frauen, die Parteien weniger
Schuld an der tiefen Quote ist dabei weniger das Volk. Wie die Studie zeigt, haben Kandidatinnen in der Regel ähnlich gute oder sogar bessere Wahlchancen als männliche Konkurrenten. «Für ausgeglichenere Räte müssten primär mehr Frauen auf die Wahllisten kommen», folgert die Fachstelle für Gleichstellung in ihrem Commuiqué zur Studie.
In der Studie selbst werden die Parteien noch sehr viel deutlicher kritisiert – von der Baselbieter SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer. «Es ist wichtig, dass jede Partei, gerade bei Ämtern, die mit Macht verbunden sind, eine aktive Frauenförderung betreibt», sagt sie. Das gelte für alle Parteien, auch für die SP Baselland, mit der Leutenegger Oberholzer ganz offensichtlich nicht zufrieden ist. Wenn es um wichtige Ämter gehe, seien dort immer noch «Männernetzwerke dominant», sagt sie im Interview, das wie eine Art Vorwort im Buch dient.
Forderung nach einer Frauenquote
Das Gegenmittel von Leutenegger Oberholzer: einerseits eine Frauenquote in den Parteien und Gremien. Andererseits: ein kämpferisches Auftreten. Oder etwas charmanter ausgedrückt: dieses neue Selbstverständnis, das junge Politikerinnen wie Pascale Bruderer, Ursula Wyss, Evi Allemann oder Chantal Galladé in die Politik gebracht hätten. Das seien Frauen, die ihre Karriere trotz Kind und Familie mit «grosser Selbstverständlichkeit» verfolgten.
Diese Entwicklung hält Leutenegger Oberholzer für erfreulich. Gleichzeitig warnt sie, dass sich in der Öffentlichkeit immer mehr die Meinung durchsetze, die Gleichstellung habe sich bereits durchgesetzt. Das sei gefährlich, sagt die SP-Nationalrätin. Und mache es für die Frauen schwieriger, auch in der Politik.
Angriff der Basler SVP auf Gleichstellungskommission
Sorgen um die Gleichstellung macht sich auch der Basler SVP-Grossrat Joël Thüring – aber nicht wegen den Frauen, sondern wegen den Männern. Ihm ist aufgefallen, dass in der «Gleichstellungskommission Basel-Stadt» nur fünf von 18 Mitgliedern dem «männlichen Geschlecht» angehören, obwohl dieses Gremium eigentlich die Aufgabe hätte, sich für die Chancengleichheit von Frauen und Männern einzusetzen.
Diese Tatsache erstaune, da eine Gleichstellungskommission doch mit gutem Beispiel vorangehen und für eine ausgewogene Vertretung sorgen sollte, schreibt Thüring: «Insbesondere da heute bewiesen ist, dass durch die überdurchschnittliche Förderung des weiblichen Geschlechts, gerade an den Schulen, das männliche Geschlecht unterdrückt und benachteiligt wird.»
In diesem Zusammenhang müsse zudem festgehalten werden, dass die Abteilung «Gleichstellung von Frauen und Männern» ebenfalls über kaum männliches Personal verfüge. Mit einer schriftlichen Anfrage an die Regierung möchte Thüring nun Aufschluss über diesen angeblichen Missstand erhalten – und eine erste Anregung zur Lösung des Problems leisten (die Anfrage ist auf der Rückseite dieses Artikels zu finden).