«Wichtig ist der Reiz des Subversiven, Verbotenen und Experimentellen»

Am 18. Mai 2014 wird über die Nachfolge des zurücktretenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti entschieden. Für was würden sich die Kandidaten in der Regierung stark machen, wofür nicht? Wir konfrontieren die drei Bewerber mit denselben Fragen. Heute: CVP-Kandidat Lukas Engelberger.

Der CVP-Grossrat Lukas Engelberger befürwortet einen Sportplatz auf dem ehemaligen Migrol-Areal. (Bild: Roland Schmid/Hans-Jörg Walter)

Am 18. Mai 2014 wird über die Nachfolge des zurücktretenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti entschieden. Für was würden sich die Kandidaten in der Regierung stark machen, wofür nicht? Wir konfrontieren die drei Bewerber mit denselben Fragen. Heute: CVP-Kandidat Lukas Engelberger.

Mit Martina Bernasconi, Eduard Rutschmann (SVP) und Lukas Engelberger (CVP) buhlen am 18. Mai drei Grossratsmitglieder um den Sitz des scheidenden CVP-Gesundheitsdirektors Carlo Conti. Der 38-jährige Engelberger seit 2004 im ­Gros­sen Rat und ist dort Mitglied der Wirtschafts- und Abgabekommission. Seit April 2013 ist er Parteipräsident der Basler CVP.

Bereits erschienen: SVP-Kandidat Eduard Rutschmann und GLP-Kandidatin Martina Bernasconi. Lesen Sie mehr zum Thema in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 11. April, auf Papier oder in der App.

Für was würde sich der Roche-Rechtskonsulent in der Regierung einsetzen? Welche Themen sind ihm wichtig, welche weniger? Befürwortet er beispielsweise eine Regulierung von Cannabis? Wir haben Lukas Engelberger mit den entsprechenden Fragen konfrontiert. Seine Antworten:

Das Image der staatsnahen Betrieben ist angeschlagen. Was muss getan werden, damit sich dies ändert und man BVB, BKB, IWB etc. wieder vertrauen kann?

Ich finde es richtig, dass man nach den Vorfällen und Diskussionen der vergangenen Monate die Corporate Governance-Regeln für die verselbständigten Betriebe überprüft und nötigenfalls auch verschärft. Die Vorteile von Selbständigkeit, Kundenfreundlichkeit und Wirtschaftlichkeit dürfen dabei aber nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die öffentliche Diskussion verläuft in meiner Wahrnehmung teilweise aber übertrieben kritisch, und man spricht immer nur über die negativen Beispiele, während Erfolgsgeschichten wie die Verselbständigung der öffentlichen Spitäler Basel-Stadt oder der UKBB nicht dieselbe Aufmerksamkeit finden.

Derzeit wird intensiv über die Zukunft des Wagenplatzes auf der Klybeckinsel diskutiert. Die Regierung will dort offenbar einen Fussballplatz realisieren, die Wagenleute müssten dafür verschwinden. Befürworten Sie einen baldigen Wegzug der Wagenleute und einen solchen Fussballplatz?

Ein Sportplatz, der für den Breitensport und insbesondere auch für die Quartierbevölkerung zur Verfügung stehen würde, klingt für mich nach einer guten und einleuchtenden Idee. Das wäre neue Grünfläche, die der Öffentlichkeit zugute kommt. Dass die Wagenleute dann ihren Platz verlieren, ist eine Konsequenz daraus, kein Ziel. Es liegt allerdings in der Natur von Zwischennutzungen auf Zusehen hin, dass sie nicht von Dauer sind.

«Es wäre schade, wenn wir nun mit grossem Aufwand ein neues Verkehrsregime für die Innenstadt einführen und dann alle nur schimpfen.» 

Müsste man allgemein konsequenter gegen Besetzer vorgehen oder sind Sie für eine tolerante Praxis?

Friedliche und einvernehmliche Zwischennutzungen finde ich sehr positiv. Hierfür gibt es inzwischen auch ein grosses Verständnis und Entgegenkommen seitens der Öffentlichkeit, der Landeigentümer und der Behörden. Gewaltsame Besetzungen wie beim früheren Kinderspital vor drei Jahren müssen hingegen konsequent verhindert werden – was damals ja nicht gelang. Nur ein Unfall führte zum Abbruch der Besetzer-Party.

Gibt es in Basel-Stadt genügend Freiräume oder besteht noch Handlungsbedarf?

Freiräume für Alternativkultur sind nicht grosse Familiengärten. Mein Eindruck ist, dass es nicht nur um Raum an sich geht; davon gibt es wohl ausreichend. Wichtiger scheint mir der Reiz des Subversiven, Verbotenen, Experimentellen. Diese Konstellation wird sich immer wieder um andere Liegenschaften ergeben. Handlungsbedarf will ich hier aber nicht sehen, denn das würde so langsam paradox: wenn der Staat auch noch die Rebellion gegen sich selbst sicherstellt und finanziert.

In der Stadt Basel wird es immer schwieriger, eine Wohnung zu finden. Was wollen Sie dagegen tun?

Das Wichtigste ist ein investorenfreundliches Klima. Dann wird in neuen Wohnungsbau investiert, und das Angebot vergrössert sich. Voraussetzung ist allerdings, dass wir die benötigten Flächen zur Verfügung stellen. Der neue Zonenplan stellt dies sicher. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Volksabstimmung darüber auch gewinnen.

Es geht immer mehr bezahlbarer Wohnraum verloren. Was wollen Sie machen, damit sich auch die weniger gut Verdienenden die Mieten in der Stadt noch leisten können?

Mit dem neuen Wohnraumfördergesetz haben wir Instrumente und Möglichkeiten für die gezielte Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus geschaffen. Das bringt mehr als etatistische Vorschläge wie die Errichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung mit dem Auftrag, günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Dadurch würden private Investitionen verdrängt, und Basel würde einseitig für einkommensschwache Mieterinnen und Mieter attraktiv.

Auch für das Gewerbe gibt es zu wenig Flächen. Wie wollen Sie diesem Problem begegnen?

Wir leben nicht vom Wohnen allein. Eine Stadt braucht auch Gewerbe, inklusive Gastgewerbe. Zwischendurch wirds da halt auch einmal etwas lauter. Das muss bis zu einem gewissen Mass drinliegen, sonst verödet eine Stadt, verkommt zum Schlafquartier. Den Raumbedarf für das klassische (zeitweise auch lautere) Gewerbe sehe ich vor allem in den traditionellen Gewerbegebieten wie Lysbüchel oder in Teilen des Dreispitz. Dort braucht es ein politisches Bekenntnis für das Gewerbe.

Läuft in der Stadt genügend oder könnte sie lebendiger sein (mehr Veranstaltungen und Beizen)?

Meiner Ansicht nach könnte die Stadt an gewöhnlichen Wochenenden ohne besondere Festivals oder ähnliches etwas belebter sein, aber das ist Geschmacksache.

Was müsste getan werden, um diese Belebung hinzubekommen?

Das ist wahrscheinlich nur bedingt politisch steuerbar. Einen Anfang können wir sicher in der Innenstadt machen. Wenn das neue Verkehrsregime umgesetzt wird, müssen wir unbedingt eine Attraktivitätssteigerung etwa der Freien Strasse hinbekommen. Da liegt noch viel Potential drin.

Die Umsetzung des Verkehrskonzeptes Innenstadt liegt momentan auf Eis. Zu recht?

Ich finde es richtig, dass nun Nachbesserungen zu Gunsten des Gewerbes und von Menschen mit einer Behinderung geprüft werden. Eine grosse Verzögerung ist dadurch gemäss Aussage der zuständigen Departemente ja nicht zu erwarten.

Würden Sie sich als Regierungsrat für eine rasche Umsetzung des Konzeptes einsetzen?

Wichtiger als das Tempo ist mir das Resultat. Es wäre ja schade, wenn wir nun mit grossem Aufwand ein neues Verkehrsregime für die gesamte Innenstadt einführen und dann doch wieder alle nur schimpfen. Wenn wir durch ein paar Monate Verzögerung wesentliche Verbesserungen erzielen, sollten wir uns diese Zeit nehmen.

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Es liegt in der Natur von Zwischennutzungen, dass sie nicht von Dauer sind.»

Sind Sie für den Ausbau des ÖV?

Ja. Die Stadt wächst, die Region wächst, da kann auch der ÖV nicht stehen bleiben. Unsere aktuelle politische Diskussion kreist nach meiner Beurteilung jedoch zu stark ums Tram. Ohne die praktische und symbolische Bedeutung des Trams für Basel in Frage zu stellen: Ich sehe den Ausbau des ÖV eher in der nächstgrösseren Dimension, nämlich der S-Bahn. Das Herzstück der Regio-S-Bahn ist meiner Meinung nach wichtiger als die Pläne zum Tram-Ausbau. Diese finde ich nur zum Teil sinnvoll – vor allem wo bestehende Linien verlängert werden, wie Nummer 8 nach Weil und Allschwil Dorf oder Nummer 3 nach Saint-Louis. Diese Projekte unterstütze ich.

Sind Sie für das Erlenmatt-Tram?

Nein. Für mich ist dieses Projekt das Musterbeispiel einer Tram-Fehlinvestition. 68 Millionen Franken für eine 1,2 Kilometer neue Tramstrecke, wobei nicht mal neue Gebiete erschlossen werden! Heute fährt da ja bereits ein Bus. Das ist nicht a priori schlechter, solange die Kapazität reicht, und das ist bei der Erlenmatt der Fall. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt hier überhaupt nicht, diese 68 Millionen würden wir besser für die Regio-S-Bahn oder den Bahnanschluss des Euro-Airports zurückstellen.

Die Autofahrer fühlen sich von der Regierung vernachlässigt, so beklagen sie, dass immer mehr Parkplätze verschwinden würden und ihnen das Autofahren vermiest würde. Welche Priorität haben Autofahrer auf Ihrer Liste?

Ich glaube, die Autofahrer verlangen gar keine Priorität. Sie nerven sich einfach, wenn sie sich schikaniert fühlen, etwa weil scheinbar planlos Strassen aufgerissen oder Parkplätze ohne ersichtlichen Grund aufgehoben werden. Das kann ich verstehen. Hohe politische Priorität – und einen inhaltlichen Zusammenhang mit dem neuen Innenstadt-Verkehrsregime – hat für mich der Bau des neuen unterirdischen Parkings bei Kunstmuseum. Hier sollte man rasch vorwärts machen.

Was möchten Sie tun, damit das Velofahren in der Stadt attraktiver wird?

Ich bestreite fast den ganzen Alltag mit dem Velo und finde die Verkehrssituation für die Velofahrenden sehr gut. Es gibt viele Velowege und nur noch sehr wenige Einbahnstrassen. Das einzige Manko sind aus meiner Sicht die Veloabstellplätze. Ob beim Bahnhof, beim Aeschenplatz, Barfi oder Marktplatz: es gibt in der Regel zu wenige Abstellplätze.

Ist Basel-Stadt familienfreundlich genug?

Wir haben drei Kinder im Alter zwischen 2 und 6 Jahren, und wir haben im Alltag nur selten Anlass, uns über mangelnde Familienfreundlichkeit zu beklagen, im Gegenteil. Stark negativ fallen die Krankenkassenprämien ins Gewicht, vor allem für mittelständische Familien. Deshalb habe ich im Grossen Rat vorgeschlagen, dass Krankenkassenprämien vom steuerbaren Einkommen sollen abgezogen werden können. Leider kam dieser Vorschlag nicht durch.

Was würden Sie tun, damit man sich auf der Strasse sicher fühlt?

Das individuelle Sicherheitsempfinden ist etwas sehr Persönliches. Ich beispielsweise fühle mich fast immer sicher in Basels Strassen. Ich nehme aber wahr, dass sich heute viele Leute weniger sicher fühlen als noch vor ein paar Jahren. Darauf muss die Politik reagieren. Eine verstärkte sichtbare Polizeipräsenz erscheint dafür als das geeignete Mittel, das trägt zu einem verbesserten Sicherheitseindruck bei.

Sind Sie für einen Ausbau des Polizeibestandes?

Ja, ich habe der Aufstockung des Polizeikorps um 45 neue Stellen im Grossen Rat zugestimmt. Dieser Ausbau wird bald abgeschlossen sein. Ich hoffe, er trägt dazu bei, dass man die Polizei in den Quartieren und an den Hot Spots dann tatsächlich mehr wahrnimmt. Mein Eindruck ist, dass das bereits der Fall ist. Die Kriminalitätsstatistik belegt, dass sich die Situation im vergangenen Jahr etwas entspannte.

Müssen die Steuern für Privatpersonen gesenkt werden?

Ich sehe vor allem bei mittelständischen Familien einen Entlastungsbedarf. Zu diesem Zweck habe ich vorgeschlagen, dass die Krankenkassenprämien vom steuerbaren Einkommen sollen abgezogen werden können. Leider wurde das abgelehnt. Ich hoffe aber, dass dieses Anliegen wieder auf die Traktandenliste kommt, allenfalls in modifizierter Form.

Sind Sie für weitere Senkungen der Unternehmenssteuern?

Ja. Die Frage wird sein, wie die Unternehmenssteuerreform III aussehen wird. Je nach dem, wie vielen Unternehmen wir mit der sogenannten Lizenzbox (also der privilegierten Besteuerung von Erträgen aus geistigem Eigentum) entgegen kommen können, wird es noch einen grösseren oder kleineren Druck auf die allgemeinen Unternehmensgewinnsteuer-Sätze geben. Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir schweizweit immer noch vergleichsweise hohe Unternehmenssteuern haben. Das ist langfristig riskant und könnte unsere Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen.

«Das individuelle Sicherheitsempfinden ist etwas sehr Persönliches. Ich beispielsweise fühle mich fast immer sicher in Basels Strassen.»

Was müsste der Staat im Umgang mit Unternehmen besser machen?

Neben den erwähnten Anpassungen im Steuerrecht geht es vor allem um eine Grundhaltung des Ermöglichens und Zulassens. Nach der Annahme der SVP-Initiative «gegen die Masseneinwanderung» am 9. Februar haben wir diesbezüglich eine zusätzliche Herausforderung im Bereich des Arbeitsmarktes. Wir müssen sicherstellen, dass die Basler Unternehmen auch in Zukunft global die Besten und Geeignetsten rekrutieren können. Neue Grenzzäune helfen uns dabei natürlich nicht, sondern schneiden uns eher die Luft ab.

Die Krankenkassen-Prämien in Basel-Stadt steigen und steigen. Wie möchten Sie dem entgegenwirken?

Nachhaltig steuern können wir das nur durch das eigene Verhalten als Patientinnen und Patienten. Solange wir für uns und unsere Angehörigen immer mehr und bessere Leistungen einfordern (was ja auch legitim ist), werden die Kosten nicht sinken. Wichtige Systementscheide werden zudem in Bern gefällt. So ist es ein Entscheid der Eidgenossenschaft, dass unser Kanton eine eigene Prämienregion bildet und es nicht etwa eine Prämienregion Nordwestschweiz gibt. Trotzdem müssen wir natürlich laufend die Organisation der Gesundheitsversorgung in der Region überprüfen und an einer verbesserten Koordination und Kooperation mit den Nachbarn arbeiten.

Befürworten Sie einen Grossbasler Rheinuferweg?

Nein. Der Münsterhügel ist der Kern unserer Altstadt, und das steile, schattige Rheinufer mit den alten Mauern und Fassaden hat etwas Magisch-Poetisches, eben gerade wegen seiner Unerreichbarkeit. Ein Steg würde diese Ausstrahlung stören. Zudem ist der praktische Nutzen für mich nicht ersichtlich.

Für Veranstalter und Gastronomen ist es sehr aufwändig, eine Bewilligung zu bekommen. Würden Sie sich für eine Vereinfachung einsetzen – und müsste sich die Verwaltung den Veranstaltern gegenüber allgemein toleranter zeigen?

Man wird immer zwischen den Interessen von Veranstaltern und Anwohnern abwägen und letztlich entscheiden müssen. Mir scheint, dass das in Basel schon nicht schlecht gelingt. Die Vereinfachung und Entschlankung des Bewilligungswesens bleibt aber eine Daueraufgabe.

Momentan wird national, aber auch kantonal über eine Regulierung von Cannabis diskutiert: Gemäss dem Genfer Modell soll den Kiffern in sogenannten «Social Clubs» Cannabis zur Verfügung gestellt werden. Geraucht werden soll aber im privaten Rahmen. Auch Basel liebäugelt mit diesem Modell. Finden Sie das eine gute Idee?

Ich begrüsse es, dass Cannabis-Konsum durch Erwachsene neuerdings mit einer blossen Ordnungsbusse von 100 Franken geahndet werden kann. Das Bussenmodell bleibt aber inkonsequent, weil der blosse Besitz weiterhin nicht durch Ordnungsbusse geahndet werden kann. Zudem wird der Anbau nicht vom Bussenmodell erfasst, sondern unterliegt der ordentlichen Strafverfolgung. Cannabis Social Clubs bewegen sich deshalb in einem schwierigen rechtlichen Umfeld und sind sehr vorsichtig zu beurteilen. Wir müssen uns selbstverständlich an das Betäubungsmittelgesetz halten, denn dieses ist Bundesrecht und geht unserem kantonalen Recht vor.

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