Wie Basel-Stadt versucht, die Frauenquote zu exportieren

Die Basler waren in Sachen Frauenförderung bisher alles andere als vorbildlich. Jetzt wollen sie selbst eine Frauenquote einführen – und anderen Kantonen vorschreiben. Die machen da aber nicht mit.

Dank einer Frauenquote für staatsnahe Betriebe sollen sich die Geschlechter in Zukunft besser die Waage halten. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Basler waren in Sachen Frauenförderung bisher alles andere als vorbildlich. Jetzt wollen sie selbst eine Frauenquote einführen – und anderen Kantonen vorschreiben. Die machen da aber nicht mit.

Die Gegensätze sind beeindruckend, die in Basel jetzt aufeinanderprallen, in der Debatte um die Ein­führung der schweizweit ersten Frauenquote. Auf der einen Seite gestandene Linke wie die BastA!-Politikerin Brigitta Gerber, SP-Ständerätin Anita Fetz und SP-Regierungsrätin Eva Herzog. Auf der anderen Seite die bürgerlichen Jungpolitikerinnen von FDP, LDP, CVP und SVP.

Die eine Seite, jene der Linken, argumentiert mit den ganz grossen Begriffen. Mit der Forderung nach «Gerechtigkeit» und «Gleichberechtigung», die vom Gesetz her eigentlich garantiert sein müssten.

Gleichzeitig werden von dieser Seite Studien zitiert, die zeigen, dass homogene Gruppen zu Betriebsblindheit neigen und Risiken unterschätzen würden. Und dass Frauen sowieso vorsichtiger seien. Nach der Finanzkrise und all den anderen Problemen der letzten Jahre sei es darum dringend nötig, die massgebenden Gremien in Wirtschaft und Politik besser zu durchmischen, heisst es auf dieser Seite. Ihre Forderung: mehr Frauen in die entscheidenden Positionen. Der Anfang soll nun in Basel-Stadt gemacht werden – mit der sogenannten Geschlechterquote von 30 Prozent in den Verwaltungsräten der staatsnahen Unternehmen.

Schlagworte statt Appelle

Auf der anderen Seite, rechts, wird diese Idee für Unsinn gehalten. «Bei der Wahl in einen Verwaltungsrat darf nur die fachliche Qualität den Ausschlag geben», sagen die Vertreterinnen von Basels bürger­lichen Jungparteien (und die männlichen Vertreter sagen das selbstverständlich auch, wenn ihre Kolleginnen sie zu Wort kommen lassen). Ihrer Meinung nach würde eine Quote die Männer benachteiligen und die Frauen zu Quotenfrauen degradieren. Überdies sei eine Quote gar nicht nötig, sagt diese Seite, da es schon jetzt mehr Studienabgängerinnen als -abgänger gebe: «Das wird sich über kurz oder lang auch auf die Zusammensetzung der Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte auswirken.»

Mehr ist von den Jungen nicht zu hören. Keine Studien, keine flammenden Appelle. Nach zwölf Minuten war die Pressekonferenz der Jungparteien zur Lancierung ihrer Abstimmungskampagne im vergangenen September bereits wieder vorbei. In dieser kurzen Zeit hat sich die Gegenseite, links, noch nicht einmal warmgeredet.

Kritische Bemerkungen

Dabei wäre zur schweizweit ersten Frauenquote durchaus die eine oder andere kritische Bemerkung angebracht gewesen. Zu den eingeschränkten Möglichkeiten des Kantons Basel-Stadt zum Beispiel. Insgesamt geht es in der Vorlage zur Einführung der Frauenquote um 17 staatsnahe Unternehmungen mit Verwaltungsräten, die zumindest teilweise von der Basler Regierung beziehungsweise dem Gros­sen Rat gewählt werden.

Bei weniger als einem Drittel dieser Gremien liegt der Entscheid aber bei der Basler Politik allein. In allen anderen Institutionen bestimmen die jeweiligen Partner ihre Verwaltungs­räte selbst. Im Falle etwa des Unirates oder des Kinderspitalrates sind das die Baselbieter, beim Fachhochschulrat ebenfalls die Landschäftler und zusätzlich die Aargauer und Solothurner, während im Verwaltungsrat des EuroAirports letztere beiden Kantone nicht vertreten sind, dafür aber Frankreich (und Deutschland ohne Stimmrecht).

Als wäre das nicht schon kompliziert genug, ist Basel auch in der Wahl seiner Verwaltungsräte nur bedingt frei. Beim Flughafen zum Beispiel sind der Volkswirtschaftsdirektor und der Regierungspräsident gesetzt – beides Männer: Christoph Brutschin und Guy Morin. Um die geforderte Quote trotz den beiden erreichen zu können, müsste Basel seine anderen beiden EuroAirport-Verwaltungsräte ersetzen, die erst kürzlich gewählt wurden, nach einem Ja am ­9. Februar aber das falsche Geschlecht hätten. Für die beiden Männer wäre das wohl eine harte Erkenntnis. Und ein sehr harter Entscheid.

Vorschriften für alle

Ein Problem, das die Regierung vorausgesehen hat. «In den Fällen», in denen Basel-Stadt die jeweiligen Departementsvorsteher «von Amtes wegen» in ein Gremium wählt, könne das «Ziel der Geschlechter-Ausgewogenheit» wohl nur erreicht werden, «wenn sich sämtliche Parteien in ­ihrem Einflussbereich um eine ausgewogene Besetzung des Gesamtgremiums bemühen», hielt sie im Ratschlag fest. Will heissen: Solange Basel-Stadt seine Quote nicht ohne Weiteres erfüllen kann, sollen eben andere mehr Frauen schicken.

Bei diesen Ansprüchen ist es fast logisch, dass Basel-Stadt gemäss Vorlage in allen Gremien dafür sorgen soll, dass sich auch die anderen Kantone um eine «ausgewogene Besetzung des Strategie- und Aufsichts­organs bemühen». Entsprechende Bestimmungen sollen auch in die entsprechenden Vereinbarungen aufgenommen werden.

Es ist ein ziemlicher Wandel, den Basel da vornimmt, nachdem man sich über viele Jahre hinweg in der Frauenförderung nicht eben hervorgetan hat. Die massgebenden Gremien des EuroAirports, des Kraftwerks Birsfelden oder der Hardwasser AG sind nur dank einer Baselbieterin ­keine reinen Männergremien – Baudirektorin Sabine Pegoraro.

Die Nachbarn lassen sich keine Quote vorschreiben

Erst mit schlechtem Beispiel vorangehen und dann – zur Verbesserung der Situation – allen anderen Vorschriften machen: So einfach werden die Basler mit ihrer Strategie nicht durchkommen. Aus Gründen des «politischen Anstandes» werde sich der Kanton Solothurn nicht zu Diskussionen um Abstimmungsvorlagen in anderen Kantonen einmischen, sagt Solothurns Regierungssprecher Dagobert Cahannes zwar. Aber: «In jedem Fall ist es so, dass dieser Entscheid für den Kanton Solothurn nicht bindend sein kann.» Ganz ähnlich klingt es in Aarau. «Unser Kanton kennt keine Geschlechterquotenregelung», sagt Regierungssprecher Peter Buri. Das Gleiche gilt auch für den Kanton Baselland, auch wenn in Lie­stal niemand einen Kommentar abgeben wollte.
Wichtig ist Peter Buri aber auch der Hinweis, dass die Integration der Frau in den Arbeitsmarkt ein Anliegen seiner Regierung sei. Darum sorge sie nun für ein «ausreichendes Angebot an Kinderbetreuungsplätzen».

Und danach – vielleicht auch für die Einführung einer Quote?

Das lässt Buri offen. Diese Diskussion müsse – falls Basel-Stadt am 9. Februar tatsächlich Ja sagt – erst einmal in den entsprechenden «Führungs- und Aufsichtsgremien» geführt werden.
Das klingt ganz danach, als würde die Quoten-Debatte nach der Abstimmung erst so richtig losgehen – mit den ganz grossen Begriffen von der ­einen Seite und ein paar wenigen Schlagworten von der anderen Seite.

Fest steht erst, dass sich die Welt mithilfe der Quote wohl doch nicht so einfach vor weiteren Krisen bewahren lässt, wie sich das die Linken offenbar vorgestellt haben. Dafür gibt es allein schon in der Nordwestschweiz viel zu viele offene Fragen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 17.01.14

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