In Basel geben bei den Taxis drei Männer den Ton an. Sie sind die einzigen, die vom neuen Taxigesetz profitieren würden.
Der letzte Urnengang liegt erst wenige Tage zurück und schon stehen am 15. November die nächsten Abstimmungen an. Dann dürfen die Basler Stimmbürger unter anderem über ein neues Taxigesetz abstimmen. Die Vorlage wird von der Unia mit härtesten Bandagen bekämpft. Am Mittwoch präsentierte der zuständige Gewerkschaftssekretär Roman Künzler eine «Enthüllung» zum Basler Taximarkt.
Das hiesige Geschäft werde von einem «Taxikartell» dominiert, drei Männer würden den Ton angeben. Während dieses «Kartell» vom neuen Gesetz profitieren würde, seien alle anderen Taxifahrer und -unternehmen von der Vorlage existenziell bedroht. Markige Worte und der Frontalangriff an die Adresse dieser drei Unternehmer sollen der Gewerkschaft die so dringend benötigte Aufmerksamkeit sichern.
Am gleichen Strick zieht der frisch wiedergewählte SP-Nationalrat Beat Jans. Von der Unia-Recherche aufgeschreckt, hat er bei der Wettbewerbskommission des Bundes (Weko) eine Meldung eingereicht. Auch Jans ist nicht um deutliche Worte verlegen. «Dieses Konstrukt stinkt zum Himmel.»
Er habe von der Weko bereits eine Reaktion erhalten: «Sie haben den Faden aufgenommen und nun eine sogenannte kartellrechtliche Marktbeobachtung lanciert», sagt Jans. Das neue Taxigesetz bezeichnet er als «komplett misslungen», nicht nur würde es die Arbeitnehmer nicht schützen, sondern auch dem «Taxi-Kartell» in die Hände spielen. «Diese Vorlage muss zurück an den Absender, Baschi Dürr muss nachsitzen.»
Abstimmungskampf per «Enthüllung»: Die Unia will ein Basler «Taxikartell» aufgedeckt haben.
Das Taxigeschäft kann grob in zwei Bereiche eingeteilt werden. Es gibt erstens das Einsteigergeschäft, bei dem der Fahrgast sich ein Taxi heranwinkt oder beispielsweise am Bahnhof spontan zusteigt. Weitaus bedeutender ist jedoch zweitens das Bestellgeschäft, bei dem das Taxi per Telefon oder App bestellt wird.
Eine grosse Bedeutung kommt dabei den Taxizentralen zu. Dort gehen die Bestellungen ein und von dort aus werden sie an die verfügbaren Fahrer weiterverteilt. Ausserdem muss jeder Taxihalter einer Zentrale angeschlossen sein, damit er sein Geschäft in Basel ausüben und mit seinem Wagen an einem der offiziellen Standplätze auf Kunden warten darf. Das steht so im alten Gesetz und das soll auch so bleiben.
Eine kleine Gruppe kontrolliert rund 80 Prozent der Taxibestellungen.
In Basel gibt es acht Taxizentralen, doch nur drei davon wickeln den Grossteil aller Bestellungen ab. Es sind dies die 22er-, 33er- und 77er-Taxis (Mini-Cab). Wer eines dieser Taxis bestellt, wählt je nach Budget oder Präferenz eine der drei Nummern – und landet trotzdem immer in der gleichen Telefonzentrale. Das liegt daran, dass die 22er-, 33er- und 77er-Taxis in der sogenannten Datenfunkzentrale (DFZ) zusammengelegt wurden. Der DFZ-Geschäftsleiter heisst Kurt Schaufelberger.
In einem Interview mit dem Magazin der Post gab Schaufelberger an, dass seine Zentrale jährlich rund 800’000 Bestellungen entgegennimmt und ausführt. Unia-Sekretär Künzler schätzt, dass dies 70 bis 80 Prozent aller jährlichen Bestellungen ausmacht. Dabei beruft er sich auf zahlreiche Brancheninsider, denen zufolge alle übrigen Zentralen zusammen jährlich auf deutlich unter 200’000 Bestellungen kommen.
Schaufelberger sitzt auch im Verwaltungsrat der drei zusammengeschlossenen Taxizentralen und führt zudem die Geschäfte der 22er-Taxis. Zwei weitere Namen tauchen ebenfalls bei allen oben erwähnten Unternehmen auf, jeweils im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung: Felix Mayer und Christoph Betschart. Das Dreiergrüppchen führt also die Geschicke der grössten Basler Taxizentrale.
Doch das Firmenkonstrukt um Schaufelberger führt nicht nur den grössten Teil der Taxibestellungen aus, es hat auch sonst einen grossen Einfluss. So sind nicht nur über die Hälfte aller in Basel gemeldeten Taxis an die DFZ angeschlossen. Auch die Taxi-Fachgruppe des entsprechenden Arbeitgeberverbandes (Astag) hat ihren Sitz an der gleichen Adresse wie die DFZ und die anderen Teile des Konstruktes.
Im Abstimmungsbüchlein beruft sich die Regierung auf Zahlen aus dem Hause Schaufelberger.
Wie einflussreich dieser Astag-Ableger im Hause Schaufelberger ist, zeigt sich im Abstimmungsbüchlein zum neuen Taxigesetz. Dort beruft sich der Regierungsrat nämlich auf eine Astag-Statistik, derzufolge der durchschnittliche Stundenlohn eines Basler Taxifahrers rund 20 Franken betrage. Ein Hohn, wie Roman Künzler von der Unia findet. «Unseren ausführlichen Erhebungen zufolge kommt auf lange Sicht kaum ein Taxifahrer auf einen Stundenlohn von über 17 Franken.»
Auch zwei von der TagesWoche befragte Taxifahrer sind der Auffassung, dass die Astag-Zahlen beschönigend seien. Markus Kümin etwa sagt, er habe ein Jahr lang seine Einkünfte minutiös protokolliert. «Ich bin auf einen Durchschnittslohn von 16 Franken und 44 Rappen gekommen.» Die Astag-Statistik umfasse nur die ersten sechs Monate des Jahres, genau die Zeit also in der die meisten Grossevents stattfinden.
Und tatsächlich zeigt ein Blick auf die Astag-Zahlen, dass die angeblich durchschnittlichen 20 Franken pro Stunde die Statistik verzerrt wiedergeben. Das Spektrum der aufgeführten Beispiele reicht von 15.50 Franken bis über 30 Franken stündlich. Nur etwas mehr als ein Drittel kommt dabei über 20 Franken.
Der Umstand, dass die Regierung in ihren Abstimmungsunterlagen mit Astag-Zahlen einseitig argumentiert, bestätigt die Unia weiter in ihrem Verdacht, dass das neue Gesetz dem Konstrukt um Schaufelberger auf den Leib geschneidert wurde. Dieser unterstützt die Gesetzesrevision denn auch mit voller Kraft. Seine Fahrzeuge sind mit Ja-Parolen beklebt, die gleiche Werbung findet sich auf den Websites der 22er-, 33er- und 77er-Taxis.
Mit einem Schlag von der Konkurrenz befreit
Schaufelberger würde vom neuen Gesetz ganz konkret profitieren. Die DFZ-Zentrale ist die einzige Taxizentrale , die bereits heute die erhöhten technischen Anforderungen erfüllt, die künftig gelten werden. Sprich: Sollte das Gesetz dereinst in Kraft treten, kann die DFZ weiter geschäften, während alle anderen Zentralen ihre Infrastruktur teuer aufrüsten müssen. Eine solche Investition können sich jedoch nur die wenigsten Konkurrenten leisten.
So müsste etwa die Airport-Taxi-Genossenschaft ihren Betrieb wohl einstellen, wie deren Chef Roland Ryf erklärt. «Unser Geschäftsmodell funktioniert ohne Zentrale und 24-Stunden-Betrieb. Wenn wir eine solche teure Infrastruktur einrichten müssten, würde es uns wohl den Kopf kosten. 18 Arbeitsplätze sind von dieser Gesetzesvorlage ganz direkt bedroht.»
Tritt das neue Gesetz also in Kraft, wären Schaufelberger und Konsorten mit einem Schlag einen grossen Teil der Konkurrenz los. Und da sich jeder Taxihalter an eine Zentrale anschliessen muss, könnten sie sich wohl eines regen Zustroms neuer Fahrer und Fahrzeuge erfreuen. Pro Fahrzeug erhebe Schaufelberger gemäss Unia eine Anschlussgebühr sowie Spesen im Umfang von ungefähr 1200 Franken pro Monat.
Mit den Vorwürfen der Unia konfrontiert, will Schaufelberger zuerst nicht Stellung nehmen. «Auf eine solche Schlammschlacht will ich mich gar nicht erst einlassen.» Er habe sich mit der Unia verkracht und nun würde er mangels sachlicher Argumente persönlich angegriffen. So seien die Zahlen, auf die sich die Unia in ihrer «Enthüllung» beziehe, fehlerhaft.
Die Aussage etwa, dass er 80 Prozent der Bestellungen abwickle, bezeichnet Schaufelberger als «deutlich zu hoch gegriffen». Eigene Zahlen will er jedoch nicht bekannt geben. Nur die Anschlussgebühr korrigiert er auf Nachfrage. «Je nach dem, welcher Taxireihe sich ein Fahrer anschliesst, beträgt die Anschlussgebühr zwischen 700 und knapp 1000 Franken», sagt Schaufelberger. Der von Beat Jans lancierten Weko-Meldung blicke er gelassen entgegen.
«Ist ein Monopol vom Gesetzgeber gewollt, kann die Wettbewerbskommission nichts ausrichten.»
Die Unia ist überzeugt, beim Basler Taxi-Konstrukt handle es sich um ein Kartell. Klar, es ist ja auch ihre Kampagne. Doch nüchterner betrachtet, mit etwas Abstand und juristischem Know-How, zeigt sich ein differenzierteres Bild.
Patrick Krauskopf ist Anwalt, Professor und ein ausgewiesener Experte in kartell- und wettbewerbsrechtlichen Fragen. Der ehemalige Vizedirektor der Wettbewerbskommission beurteilt die Situation im Basler Taximarkt wie folgt:
«Wenn es tatsächlich zutrifft, dass Personen gemeinsam die verschiedenen Taxizentralen kontrollieren und zusammen bis zu 80 Prozent der Bestellfahrten in Basel abwickeln, so bestehen Anhaltspunkte für eine marktbeherrschende Stellung. Eine starke Stellung auf dem Markt zu haben, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Problematisch wird es dann, wenn diese Marktmacht missbraucht wird. Die Konditionen, zu denen ein Taxifahrer sich einer Zentrale anschliesst, müssen beispielsweise diskriminierungsfrei erfolgen. Wenn dies nicht der Fall ist, wenn etwa ‹eigene› Fahrer bevorzugt behandelt werden, dann kann darin ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vorliegen.»
Die Wettbewerbskommission könne aber nur aktiv werden, wenn Kanton und Gemeinden tatsächlich im Taxi-Gewerbe einen Wettbewerb zulassen möchte. Dies gelte sowohl für die Marktstruktur wie auch für das konkrete kommerzielle Verhalten am Markt, sagt Krauskopf. «Wenn etwa die gesetzlichen Markteintrittshürden derart hoch angesetzt sind, dass faktisch ein Monopol entsteht, dann muss die Weko dies akzeptieren».
Es sieht also so aus, als können sich Schaufelberger und Konsorten zu Recht entspannt zurücklehnen und den 15. November abwarten.