Wie es den sieben Regierungsräten geht

Vor einem halben Jahr startete die Basler Regierung in die neue Legislatur. Was die sieben Regierungsräte derzeit so treiben – oder eben auch nicht. Haupt- und Nebensächliches.

Von gereizt bis gut drauf: Die sieben Basler Regierungsräte. (Bild: Domo Löw)

Vor einem halben Jahr startete die Basler Regierung in die neue Legislatur. Was die sieben Regierungsräte derzeit so treiben – oder eben auch nicht. Haupt- und Nebensächliches.

Christoph Brutschin

Der Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt geht derzeit durch turbulente Zeiten. Er steht unter Druck und muss viel arbeiten, so viel, dass er praktisch nicht mehr in seiner Stammbeiz, dem Nelson Pub im Gerbergässlein, anzutreffen ist. Die Gewerkschaften machen Christoph Brutschin (SP) in Hinblick auf die nächste Baselworld das Leben schwer (Lohndumping) – und der Streit mit Frankreich um die Gebühren am EuroAirport macht ihn fertig. Immerhin kann er sich auf die Novartis und Roche verlassen: Sie lassen ihn in Ruhe.

Gar keine Freude hat Brutschin zudem ­daran, dass seine Regierungskollegen die Besetzung der Wagenleute auf dem ehemaligen Migrol-Areal am Hafen bis auf Weiteres dulden. Er wollte eigentlich eine Räumung. Der 55-Jährige wirkt zunehmend bissig, ist aber sonst ganz der Alte: Kritik erträgt er nicht. Besonders dann nicht, wenn es um die Öffnungszeiten von Gartenbeizen geht.

Selbst in seiner Partei staunt man, wie dünn­häutig er geworden ist. Wir gehen deshalb davon aus, dass er uns wieder eine Nachricht schreiben wird, wenn er diese Zeilen liest. 

Stimmung: bedrückt, empfindlich, gereizt, sehr ernst

Carlo Conti

Seit der Auslagerung der Basler Spitäler 2012 hat der amtsälteste Regierungsrat Carlo Conti (CVP) praktisch kaum mehr etwas zu tun. Sein Gesundheitsdepartement hat seither an Bedeutung ­verloren. Das wird sich mit der anstehenden Ausgliederung der Schul- und Volkszahnklinik noch verstärken.

Böse Zungen bezeichnen Conti sogar nur noch als «Hundeminister», weil sein Departement vor Kurzem eine Hundebadezone am St. Alban-Rheinweg freigab und die Fläche des Hundeareals im Horburgpark vergrössern liess. Zu beschäftigen weiss sich Conti gleichwohl. Er sitzt als Präsident der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren fast nur noch in Bern. Dort ­lobbyiert der 59-Jährige für die Pharmabranche, wie zu hören ist.

Und wenn in Bern grad nichts los ist, geht er auf Reisen: Vor wenigen Wochen durfte er mit Bundesrat Alain Berset nach Schanghai und Peking. Wie viel Freizeit Conti nun hat, zeigt auch die Tatsache, dass er ab Herbst unentgeltlich je zweimal einen halben Tag pro Woche an der Uni Basel eine Vorlesung zum Thema «Life Sciences und Gesundheitsrecht» halten wird und mehr an Cüpli-Anlässen in Basel anzutreffen ist.

Doch Conti wäre nicht Conti, wenn er nicht trotzdem den Anschein machen würde, in seinem Departement gehe es drunter und drüber. Sechs neue Stellen will der Gesundheitsdirektor dieses Jahr gemäss Budget schaffen. Traditionen müssen gepflegt werden, Abschaffung ­seiner Aufgabenbereiche hin oder her.

Stimmung: super locker drauf, nimmt alles gelassen, immer noch für gute Sprüche zu haben, gleichgültiger als auch schon

Christoph Eymann

Der Erziehungsdirektor hat derzeit alle Hände voll zu tun. Kaum ein Regierungsrat hat so viele Baustellen offen (im übertragenen Sinn) wie Christoph Eymann mit der Umsetzung der Schulharmonisierung. Viele Schulhäuser müssen neu gebaut oder erweitert werden. Und das hat sich Eymann einfacher vorgestellt.

Die Bürokratie in der eigenen Verwaltung treibt den ehemaligen Nationalrat hin und wieder in den Wahnsinn. Dabei trägt er mit dem stetigen Ausbau von Stabstellen in seinem Departement selber dazu bei. Die Stimmung in der Lehrerschaft ist mies, sie klagt über die zunehmend bürokratischen Prozesse im ED.

Der 62-Jährige reagierte schon immer empfindlich auf Kritik. In letzter Zeit ist seine Haut aber offenbar noch dünner geworden. Erschwerend kommt für Eymann hinzu, dass seine zwei Departementsfürsten, Volksschulleiter Pierre Felder und Bildungsleiter Hans Georg Signer, schon bald pensioniert werden, und er zwei gewichtige Stellen neu besetzen muss.

Eymann weiss sich jedoch gut vom Stress abzulenken. Er hat mit der Züchtung von Sonnenblumen in Riehen ein Hobby gefunden. Dort müsse er mit niemandem reden, was schön sei, wie er in einem Interview mit der «SonntagsZeitung» sagte. Reden will er lieber wieder mehr in Bern. Der seit 2001 amtierende Regierungsrat der Liberalen spielt mit dem Gedanken, nach dem gescheiterten Fluchtversuch vor zwei Jahren, 2015 erneut für das eidgenössische Parlament zu kandidieren.

Stimmung: gestresst, amtsmüde, hat den Humor verloren – ist aber immer noch lustiger als andere in der Regierung

Guy Morin

Endlich muss sich Guy Morin (Grüne) nicht mehr als «Stapi» rechtfertigen, der 2008 in stiller Wahl gewählt worden ist. Und das scheint er sehr zu geniessen. Der 57-Jährige blüht richtig auf, gefällt sich ausserordentlich in dieser Rolle. Manche behaupten sogar, er plustere sich als Regierungspräsident auf.

Vom Präsidialdepartement ist seither auch viel weniger zu hören als vor der neuen Legislatur, als das Departement permanent mit unzähligen Mitteilungen sein Dasein zu rechtfertigen schien. Jetzt geht es gelassener zu und her. Sehr zum Gefallen von Stadtentwickler und Allroundexperte Thomas Kessler, der vor den Wahlen für seine Äusserungen zur Migrationspolitik in die Kritik geriet und von Morin erfolgreich aus der Öffentlichkeit wegmigriert wurde. Kessler darf nun wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit erhalten.

Beschäftigt ist Morin derzeit mit den zahlreichen Neu- oder Umbauten, die im Kulturbereich anstehen: Naturhistorisches Museum, Stadt-Casino, Staatsarchiv. Auch das Wohnraumfördergesetz, über das am 22. September abgestimmt wird, hält ihn auf Trab. Und natürlich die Baselbieter. Selten redete Morin so deutlich Klartext wie in den letzten Tagen, als er punkto ablehnender Haltung der Baselbieter Regierung zur Fusionsinitiative sagte: «Lippenbekenntnisse brauchen wir nicht, sondern Taten.»

Morin versucht nun, mehr sein Ding zu machen. Er tritt empanzipierter und selbstständiger auf, nimmt weniger Rücksicht auf die Befindlichkeiten der drei SPler, wie zu hören ist. Das kommt gut an. Selbst in der BastA!, die zusammen mit seiner Grünen Partei eine Fraktion im Parlament bildet und ihn früher regelmässig piesackte, freut man sich über den neugeborenen Morin.

Stimmung: sehr gut, selbstbewusster, immer noch sehr ernst unterwegs

Eva Herzog

Finanzdirektorin Eva Herzog (SP) gilt als heisseste Anwärterin für den Ständeratssitz von Anita Fetz. Das weiss auch Fetz, die eine gediegene Abneigung gegen Herzog pflegt. Eine starke ­Position hat Herzog bereits jetzt in Bern, wo die 51-Jährige hartnäckig für den Wirtschaftsstandort Basel kämpft.

Besonders intensiv beschäftigt sie sich derzeit mit dem EU-Steuerstreit, bei diesem Dossier gehört sie zu den wichtigsten Stützen von Bundesrats-Paria Eveline Widmer-Schlumpf. Ansonsten läuft bei Eva Herzog alles wie immer: Die Finanzen hat sie im Griff, und sie schaut allen ihren Kollegen genau auf die Finger, damit diese nicht zu viel Geld ausgeben. Bei Wessels, Brutschin, Morin und Dürr ist das einfacher, bei Eymann und Conti muss sie ihre Krallen mehr ausfahren. Herzogs Devise: Lieber laufend immer ein bisschen sparen, als plötzlich ein Sparpaket schnüren zu müssen.

Sie weiss, dass sie eine starke Stellung in Basel hat und ziemlich unbestritten ist – erst recht seit den letzten Wahlen, als sie das Spitzenresultat erzielte. Und sie scheint sich in dieser Rolle zu gefallen. Besser läuft es auch wieder mit der Partei. Eine Zeit lang waren ihre Genossen wegen der erneut geplanten Senkung der Unternehmenssteuern gar nicht gut auf sie zu sprechen und warfen ihr eine ­bürgerliche Politik vor. Seit Herzog aber mit dem Wohnraumfördergesetz Genossenschaften ­fördern will, sind diese Stimmen in der Partei ­verstummt.

Auch mit dem neuen Sicherheits­direktor Baschi Dürr, an dem sie vor seinem ­Einzug in die Regierung kein gutes Haar liess (gut, er hatte schon ziemlich wenig davon), hat sie weniger Mühe als erwartet. Seine Nähe an Anlässen meidet sie aber – sicher ist sicher.

Stimmung: fröhlich mit der bekannten Bissigkeit, in letzter Zeit etwas milder geworden

Hans-Peter Wessels

Der Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter ­Wessels (SP) hatte schon bessere Zeiten. Er macht eher einen unmotivierten Eindruck. Momentan beschäftigt er sich vor allem mit Kleinigkeiten und internen Abläufen. Und mit etlichen Baustellen (im wörtlichen Sinn).

Die abgelehnten oder beanstandeten Solaranlagen rauben ihm zudem den letzten Nerv. Vor wenigen Tagen musste er sogar seine Chefbeamtin deswegen zurückpfeifen. Denn Wessels will es allen recht machen und erträgt es einfach nicht, wenn seine Ämter ihn in der Öffentlichkeit unbeliebt ­machen.

Wessels wirkt eher lustlos. Richtig aufblühen tut er offensichtlich nur noch, wenn es darum geht, gegen das Projekt Central Park zu schiessen. Öffentliche Auftritte hat der 50-Jährige auch nicht mehr so viele wie in seiner ersten Legislatur. Während er 2009 noch euphorisch in das Amt startete, macht sich nun leichte Amtsmüdigkeit spürbar. Das könnte für Wessels und uns alle noch lange Jahre geben.

Auch mit dem Autofahren geht es nicht vorwärts. Für die Theorieprüfung hat er immer noch nicht gebüffelt, obwohl er bald den Führerschein machen will. Eine Sorge ist er immerhin los: Der Verein Fümoar musste im Kampf gegen das Rauchverbot in Beizen die Waffen strecken. Mit interessantem Effekt auf Wessels: Er raucht mehr als je zuvor.

Stimmung: war schon motivierter und fröhlicher, ist leicht gereizt, nachdenklicher geworden

Baschi Dürr

Richtig gefordert ist der neue Justiz- und Sicherheitsdirektor Baschi Dürr seit seinem Amts­antritt im Februar. Der 36-jährige Freisinnige läuft auf Hochtouren und arbeitet sehr viel – so viel, dass er sogar von Einbrechern heimgesucht wird.

Dürr gibt sich grosse Mühe, die Hinterlassenschaft seines Vorgängers auszubaden. So hat er bei der Sanität durchgegriffen, wenn auch nur halbherzig: Sanitätsleiter Hans Peter Altermatt wurde versetzt, Rettungschef Dominik ­Walliser darf trotz Kritik der Geschäftsprüfungskommission bleiben. Über die Klinge springen musste SVP-Grossrat Lorenz Nägelin als Teamleiter. Damit hat sich Dürr jedoch Feinde ­gemacht. Denn in der Mannschaft kommt die Absetzung Nägelins nicht gut an.  Gemäss ­«Onlinereports» fordert der Personalausschuss der Sanität in ­einem Schreiben an Dürr die Wiedereinstellung Nägelins.

Keine gute Figur machte er zudem bei der Räumung der Favela-Party auf dem Messeplatz. Dürr kämpft an einigen Fronten: Obwohl er dem verschärften Hooligan-Konkordat skeptisch gegenübersteht, muss er sich nun wegen seinen sechs Regierungskollegen für einen ­Beitritt einsetzen .

Seine Mitarbeitenden setzt er unter Druck, alles muss rasch gehen – etwa die Umsetzung des Verkehrskonzepts Innenstadt. Der Freisinnige will als Staatsskeptiker keine Zeit vergeuden und vor allem die Kosten tief halten. Im ­Departement kommt er aber gut an. Man freut sich über den frischen Wind.

Auch in der Regierung hat er sich bestens eingelebt. Dort hat man Freude an ihm, weil er etliche Anlässe besuchen will und die anderen somit davor verschont. Dass er auch weiterhin überaus humorvoll unterwegs ist, ­bewies er, als er neulich ein Foto aus der Regierungsklausur vertwitterte, wonach sich die ­Regierung kollektiv für die Aufnahme in den Club de Bâle bewerbe.

Stimmung: gut, undurchschaubar, konstruktiv, lustig, als Regierungsrat angekommen

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 30.08.13

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