«Wir sind keine Aliens, sondern Menschen wie du und ich»

Anerkannte Flüchtlinge dürfen hier bleiben, doch oft kommen sie nie richtig an. Die Kampagne «Chance 2016» will die Integration von Leuten wie Mer aus dem Südsudan fördern.

Eine Musikerin und Friedensaktivistin kämpft gegen Vorurteile: Mer aus dem Südsudan.

(Bild: PALACIOS PHOTOGRAPHY)

Anerkannte Flüchtlinge dürfen hier bleiben, doch oft kommen sie nie richtig an. Die Kampagne «Chance 2016» will die Integration von Leuten wie Mer aus dem Südsudan fördern.

«Mein Name ist Mer. Ich bin seit Februar 2016 in der Schweiz. Natürlich ist es hier in vielerlei Hinsicht anders als in meinem Herkunftsland. Detaillierte Vorschriften sind wichtig, die gilt es zu respektieren. Ich erlebe das Leben in der Schweiz aber nicht als kompliziert. Und ich habe auch keinen Kulturschock, da ich früher bereits nach Europa gereist bin, um Verwandte zu besuchen und im Rahmen eines Austauschprogramms. Ein Vorteil ist auch, dass ich von Anfang an mit den Leuten kommunizieren kann, weil die meisten hier Englisch verstehen.

Gleichzeitig kann ich eine Realität hier nicht ignorieren: Es bestehen viele Vorurteile gegenüber Flüchtlingen. Nein, nicht alle Menschen aus Afrika sind arm und wissen nicht, wie man eine Waschmaschine bedient. Und nein, wir handeln auch nicht alle mit Drogen oder stehlen fremde Sachen. Wir sind keine Aliens, sondern Menschen wie du und ich.

Musik ist sehr wichtig für mich. Es gibt viele Themen, die ich künstlerisch ausdrücken möchte. Seit sechs Jahren schreibe ich meine eigenen Lieder. So kann ich den stimmlosen Menschen eine Stimme geben. So werden ihre Geschichten gehört. Mit Musik kann ich über alle sprachlichen, kulturellen und sonstigen Grenzen hinweg zu Menschen sprechen. Es ist eine starke Kommunikationsform.

«Mit meinen Liedern kann ich stimmlosen Menschen eine Stimme geben.»

Ich weiss noch nicht, wie es hier nun beruflich weitergeht. Ich habe Anthropologie und Afrikastudien in Südafrika studiert. Anschliessend habe ich mehrere Jahre im Südsudan bei NGOs, im Journalismus und mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in der Friedensförderung und Konfliktlösung gearbeitet. Darum möchte ich mich auch hier für Frieden engagieren. Aktivismus bedeutet für mich, Bewusstsein bei den Menschen zu wecken, Geschichten zu erzählen, gemeinsam Ideen zu entwickeln und Lösungen in Konflikten zu suchen.

Der grösste Stress war für mich, den Asylbehörden meine Geschichte zu erzählen. Das war belastend und sehr intensiv. Meiner Meinung nach wären Veränderungen in den Asylzentren erforderlich. Es bräuchte mehr Aufmerksamkeit und psychologische Unterstützung für Kriegstraumatisierte oder Personen, die einen dramatischen Weg hierher hatten. Vor allem für Kinder.

Eines Tages werde ich in mein Herkunftsland zurückkehren. Ich möchte einen Beitrag zum Wandel dort leisten. Die Veränderung, die der Südsudan braucht, ist nicht möglich, solange die Menschen weiterhin Gewalt und Krieg ausgesetzt sind. Ich habe Träume für mein Heimatland und möchte etwas bewegen, sobald ich dort als freier Mensch leben kann.»

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Die TagesWoche ist Medienpartnerin der Kampagne «Chance 2016». Mehr zu Mer finden Sie auf der Page von «Chance 2016».

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