Wo die Eisenbahn zwei Mal unten durch musste

Von 1912 bis 1916 liessen die SBB zur Entlastung der alten Hauensteinlinie den Basistunnel zwischen Tecknau und Olten bauen. Beim Nord- und Südportal entstanden vorübergehend zwei Barackendörfer.

Geschaft: der Durchschlag am 10. Juli 1914.

(Bild: Friedrich Aeschbacher © Historisches Museum Olten)

Von 1912 bis 1916 liessen die SBB zur Entlastung der alten Hauensteinlinie den Basistunnel zwischen Tecknau und Olten bauen. Beim Nord- und Südportal entstanden vorübergehend zwei Barackendörfer.

Damit das Dampfross seinen Siegeszug durch die Schweiz antreten konnte, musste es finanzielle Hürden nehmen und zahlreiche natürliche Hindernisse überwinden. An der von der Centralbahn betriebenen Linie Basel–Olten war dies an erster Stelle der Hauenstein. Hier musste die Eisenbahn zum ersten Mal unten durch – mit einem Tunnel von Läufelfingen nach Trimbach. Gebaut haben ihn in den Jahren 1853–1858 vorwiegend süddeutsche Arbeiter.

Mit der Eröffnung des Gotthardtunnels im Jahr 1882 wurde die Eisenbahnlinie Basel–Olten Teil der Nord-Süd-Verbindung durch die Schweiz nach Italien.

Damit nahm der Umfang des Zugsverkehrs durch das Homburgertal und den Hauensteintunnel zu. Und als 1906 der Simplontunnel in Betrieb genommen wurde, war das Verkehrsaufkommen auf der Hauensteinlinie kaum mehr zu bewältigen.

«Tripolis» bei Olten

Um Abhilfe zu schaffen, legten die SBB 1908, die erst um die Jahrhundertwende durch Verstaatlichung der privaten Bahngesellschaften entstanden waren, ein Projekt für einen Hauenstein-Basistunnel zwischen Tecknau und Olten vor. Dieses wurde im folgenden Jahr vom Bund gebilligt. Der Bauauftrag erging an die Julius Berger Tiefbau AG in Berlin, die Arbeiten begannen im Februar 1912. Dabei kamen wie schon am Gotthard und am Simplon vor allem italienische Arbeiter zum Einsatz. Die Arbeit war hart und gefährlich, insgesamt kam es zu zwölf tödlichen Unfällen.



Arbeiterzug bei der Einfahrt am Südportal, 1913

Arbeiterzug bei der Einfahrt am Südportal, 1913 (Bild: Friedrich Aeschbacher © Historisches Museum Olten)

Um die grosse Zahl von Arbeitern, die oft ihre Familien mitgebracht hatten, unterbringen zu können, wurden bei den Tunnelportalen in Tecknau und in Trimbach in kürzester Zeit zwei Barackendörfer aus dem Boden gestampft. Sie verfügten neben den Wohnunterkünften über zahlreiche Gaststätten, Einkaufsläden, eine Poststelle und einen Polizeiposten sowie vorübergehend auch über ein Kino. In den Gaststätten spielten Musikautomaten, und abends wurde auch getanzt. Im Barackendorf bei Trimbach, das schon bald den Namen «Tripolis» erhielt, ging gar eine italienische Hebamme ihrem Beruf nach.




Blick auf Teile von «Tripolis». (Bild: Friedrich Aeschbacher © Historisches Museum Olten)

Die Schweizer Anwohner hegten den italienischen Tunnelarbeitern gegenüber gemischte Gefühle. Einerseits hielten sie sie für potenzielle Langfinger und Messerstecher, andererseits nutzte man das Angebot der italienischen Geschäfte und Gaststätten. Manche Einheimischen sahen ihre Vorurteile bestätigt, als in «Tripolis» ein Schweizer Opfer eines Raubmords wurde. Die zwei Täter waren allerdings keine Arbeiter, sondern Mitglieder einer italienischen Verbrecherbande.

Tarifvertrag dank Streiks

Auch zwei Streiks, mit denen die Arbeiter einen einheitlichen Tarifvertrag erkämpften, fanden nicht den ungeteilten Applaus der Einheimischen.

Die Arbeiten kamen indessen gut voran. Am 10. Juli 1914 erfolgte der Durchschlag – 18 Monate vor dem vertraglich vereinbarten Termin. Und am 8. Januar 1916 fuhren die ersten Züge auf der neuen Hauensteinlinie.

Zu diesem Zeitpunkt hatten manche der italienischen Arbeiter die Schweiz bereits verlassen. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 war ein Teil von ihnen in die italienische Armee einberufen worden, andere waren aus Besorgnis in ihre Heimat zurückgekehrt. Nach Bauende verschwanden die Barackendörfer in Tecknau und in Trimbach rasch aus der Landschaft.

Totalsanierung in den 1980er-Jahren

Bei der Abnahme des Tunnels im Jahr 1917 stellten die SBB verschiedene Mängel fest. Die Bonusprämie, welche der Julius Berger Tiefbau AG für die frühe Vollendung zugesprochen worden war, wurde entsprechend um die Hälfte gekürzt. Erste Rekonstruktionsarbeiten mussten schon bald vorgenommen werden. In den 1980er-Jahren erfolgte eine Totalsanierung des Hauenstein-Basistunnels.



Arbeit unter schwierigen Bedingungen: Wasser im Tunnel.

Arbeit unter schwierigen Bedingungen: Wasser im Tunnel. (Bild: Friedrich Aeschbacher © Historisches Museum Olten)

Die Firma von Julius Berger wurde in der Weimarer Republik zu einem der wichtigsten Bauunternehmen Deutschlands. Unter dem Druck der antisemitischen Politik der Nazis trat Julius Berger 1933 als Vorstandsvorsitzender zurück. Im September 1942 wurden er und seine Frau Flora ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wo sie an Hunger und Entkräftung starben.

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Das Historische Museum Olten hat dem Jubiläum «100 Jahre Hauenstein-Basistunnel» eine kleine Sonderausstellung sowie einen Schwerpunkt der Ausstellung «Olten im 1. Weltkrieg» gewidmet.

Beide Ausstellungen dauern bis zum 31. Mai 2016. Das Museum ist von Mittwoch bis Sonntag jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

 

Quellen

-Ausstellung des Historischen Museums Olten 2016

-Kulturverein Forum Trimbach (Hrsg.): Urs Ramseier / Urs BLoch: Hauenstein-Basistunnel Trimbach–Tecknau und das Barackendorf «Tripolis bei Olten», 2012

-Heinz Spinnler: Bau der Hauenstein-Basislinie Sissach–Olten 1912–1916, Tecknau 2013, ISBN 978-3-033-04000-7

-Heinz Frey / Ernst Glättli: schaufeln, sprengen, karren – Arbeits- und Lebensbedingungen der Eisenbahnbauarbeiter in der Schweiz um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Zürich 1987

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