Joanna weiss, was Ahmed an der griechisch-mazedonischen Grenze erlebt hat. Tim kennt das Lieblingsgericht von Asmara. Woher wissen die das? Sie haben nachgefragt. Denn in Basel gibt es eine ganze Reihe gemeinnütziger Projekte, die Einheimische und Neuankömmlinge zusammenbringen. Wir stellen einige von ihnen vor.
Im Sprachcafé Basel wird über alles geredet.
(Bild: Ivana Kresic)Politik, Kultur, es werden praktische Ratschläge getauscht..
(Bild: Ivana Kresic)Aber vor allem einfach Deutsch gesprochen.
(Bild: Ivana Kresic)Im Zweiwochenrhytmus wird das Café Frühling zum Treffpunkt.
(Bild: Ivana Kresic)
Dabei kommen an guten Abenden zwischen 30 und 40 Personen zusammen.
(Bild: )Immer öfters mischen sich auch die Laufkundschaft unter die bunt zusammengewürfelte Gruppe.
(Bild: Ivana Kresic)Denn das Angebot steht allen offen und kostet nichts – ausser etwas Interesse und Geduld.
(Bild: Lynn Riegger)Die Teilnehmer schätzen das Angebot und die ungezwunge Athmosphäre.
(Bild: Lynn Riegger)Das Kollektiv Sur le Pont veranstaltet immer wieder grössere Anlässe, wie hier das Winterfest im Februar. Kerzenziehen inklusive.
(Bild: Marcel Gross)Man kocht zusammen...
(Bild: Marcel Gross)Die Floskel «zivilgesellschaftliches Engagement» hat in zivilgesellschaftlich engagierten Kreisen Seltenheitswert. Klingt irgendwie zu pompös, zu sehr nach Kampagne. Die zivilgesellschaftlichen Individuen hinter diesem Artikel können sich da mehr mit Marco Näfs (Navel-Bassist) Projekttitel für eine Basler Musikszene mit Flüchtlingen und für Flüchtlinge identifizieren: «Get up off your butt» lautet der. Den Hintern hochkriegen.
Von grossen Gesten ist also nicht die Rede, wenn die Helferinnen und Helfer hinter und vor Basels Kulissen über ihr Engagement sprechen. «Wir haben uns umgesehen und gemerkt: Das fehlt. Dann haben wirs halt angepackt.» So hört sich das an, wenn Anita Ruggiero den Startschuss für das Sprachcafé beschreibt, in dem seit mehreren Monaten etwa 35 Menschen im Zwei-Wochen-Rhythmus Deutsch lernen.
Wir stellen Projekte vor, die als Reaktion auf Neuankömmlinge aus Krisengebieten lanciert wurden und die sich nicht als Eintagsfliege entpuppten.
Sprachcafé
Was: Sprachcafé. Wo: Im Café Frühling an der Klybeckstrasse 69. Wann: Jeden zweiten Freitag von 18 bis 20 Uhr.
Ein bisschen Übung im Sprachenlehren hat Anita Ruggiero (23) als Kursleiterin am Basler Kurszentrum K5 vorher schon gehabt, ihre Kollegin Jessica Eggenschwiler (23) hingegen nicht. Zusammen haben sie das Sprachcafé Basel ins Leben gerufen, das mittlerweile als Verein organisiert ist. Ziel ist der möglichst niederschwellige Austausch zwischen Einheimischen und Zugezogenen, «das müssen nicht unbedingt nur Asylsuchende sein», sagt Eggenschwiler. Die wichtigste Hürde auf dem Weg zu einem Neubeginn sei nun einmal die Sprache, wegen des Dialekts haben es Zugezogene in Basel nochmals schwerer.
Im Sprachcafé sucht man Grammatikübungen vergeblich. Stattdessen stehen da Uno-Karten und Gebäck. Jedes Vereinsmitglied spendet den oft mittellosen Gästen pro Abend ein Getränk, oft einen Kaffee oder Tee, selten Alkohol. Der grosse Vorteil des Sprachcafés gegenüber institutionellem Sprachunterricht liege im lockeren Austausch, sagt Ruggiero, dadurch finden wirklich persönliche Gespräche statt. Aber auch Smalltalk geht. Noch sei die Gruppe der Sprachlernenden von Männern dominiert, aber es kommen auch immer mehr Frauen. Manchmal mit Kind.
Beide Initiantinnen schätzen Momente wie jene, wenn sich die Stamm- oder Laufkundschaft des Cafés zu ihnen an die Tische setzt, um mitzuquatschen. Letzthin habe sich ein irischer Expat das öffentliche Verkehrssystem in Kabul erklären lassen.
Alternativen: Projekt Basyl; K5 Basler Kurszentrum; Besseres Deutsch durch Begegnung
Sur le Pont
Was: Sur le Pont. Wo: Kein fester Standort. Wann: Jeden Dienstag von 18 bis 20 Uhr und freitagabends von 20 bis 22 Uhr. Ausserdem unregelmässige Veranstaltungen.
Der Name dieses jungen Kollektivs stammt von der Idee, auf der alten Eisenbahnbrücke über die Wiese ein Café zu eröffnen. Zu diesem symbolträchtigen Schritt ist es bis heute nicht gekommen, aber auch ohne feste Bleibe setzen sich die Freiwilligen dafür ein, Brücken zu schlagen. Zum Beispiel beim gemeinsamen Gärtnern oder Sport: Von den Mitgliederbeiträgen – 40 Franken (verhandelbar) für Aktive, 120 Franken für Passive – mietet der Verein Turnhallen oder Volleyballfelder, wo jeweils dienstags und freitags gespielt wird.
Sur le Pont versteht sich nicht als Angebot im klassischen Sinn, sondern setzt voll und ganz auf die Partizipation der Teilnehmer. Im Vorstand sind Afghanen und Äthiopier genauso vertreten wie Einheimische. Neben den regulären Spielabenden organisiert der Verein auch einmalige Anlässe wie die äthiopische Kaffeezeremonie im ebenfalls engagierten Esslokal Zur Bleibe. Oder haben Sie schon einmal die syrische Version von Backgammon gespielt? Mittlerweile zählt der Verein ungefähr 60 Teilnehmende, Tendenz steigend.
Alternativen: Neue Gärten beider Basel – Familiengärten für Flüchtlinge
Offener Hörsaal
Was: Offener Hörsaal. Wo: An der Universität Basel. Wann: Ab Vorlesungsbeginn am 19. September 2016.
Der Offene Hörsaal Basel durfte bei seinem Start vor dem Frühlingssemester 2016 einige mediale Lorbeeren einheimsen, ein halbes Jahr später schreibt das Projekt sein zweites Kapitel. Die Idee: Geflüchtete mit akademischem Hintergrund werden von freiwilligen Studierenden – sogenannten «Buddies» – als Hörer an das schweizerische universitäre System herangeführt. Wo findet zum Beispiel die Vorlesung über die französische Aufklärung statt? Und wie logge ich mich ein im WiFi des Unicampus?
Bislang haben sich um die 20 Asylsuchende angemeldet, die am Programm teilnehmen werden. Als Hörer können sie allerdings keine Prüfungen schreiben und keine Kreditpunkte erwerben. «Es geht um eine Standortbestimmung», sagt Jakob Merane vom Offenen Hörsaal, «die Asylsuchenden sollen als Hörer ihre Chancen abwägen, dereinst in Basel ihr Studium fortführen zu können.» Dass da vor allem sprachliche Hürden im Weg stehen, liegt auf der Hand. Gespräche mit den Buddies, durchaus auch in der Freizeit ausserhalb des universitären Rahmens, können helfen.
Gastschafftfreund
Was: Gastschafftfreund. Wo: In Küchen und an Tischen. Wann: Nach Abmachung und Einladung.
Einen cleveren Projekttitel haben sich da die Initiantin Marta Casulleras und ihre Mitstreiterinnen ausgedacht, als sie «gastschafftfreund» aus der Taufe hoben. 60 Essen haben seit Januar dieses Jahres in Basels guten Stuben bereits stattgefunden – vom Fastfood mit Bier bis zum ausgefeilten Menü war alles dabei. «Nervosität» sei ob den neuen Begegnungen schon im Spiel gewesen, lässt sich aus den Erfahrungsberichten der Gastgeber herauslesen, aber vor allem die Kids der Familien dienten als bewährte Eisbrecher.
Waren bei den oben beschriebenen Projekten vor allem junge Menschen engagiert, so sind es bei «gastschafftfreund» auch Familien oder Paare, die ihre Wohnungen für Neuankömmlinge öffnen. Die Anmeldung (auf Deutsch, Englisch, Arabisch und Tigrinya) steht grundsätzlich allen offen und lässt sich für interessierte Gäste wie auch für Gastgeber einfach abrufen. Ab September wird ausserdem die Website des Vereins aufgeschaltet. Bis dahin reicht die Zeit, sich nach einem leckeren Rezept umzuschauen.
Alternativen: Zur Bleibe; 4Seasons; Da-Sein; Ma’an
Wegeleben
Was: Wegeleben. Wo: Bei Ihnen zu Hause. Wann: Bedarf besteht jederzeit.
Statt in einer «Massenunterkunft» auf dem Land – dort wohnen, wo die Chancen auf ein Ankommen besser stehen: in der Stadt, unter Ortskundigen. Diesen Wunsch vieler «Newcomer*innen» möchte der Verein Wegeleben ermöglichen, der auch in anderen Schweizer Städten aktiv ist. Ein anspruchsvolles Unterfangen, wie eine der Initiantinnen, Maria Vogelbacher, zugibt. «Es geht hier nicht um ein Wohltätigkeitsprojekt, sondern um gemeinsames Wohnen. Es ist wichtig, dass nicht das Bild entsteht, die WG müsste den neuen Mitbewohner betreuen.»
Wegeleben vermittelt freie Zimmer in Basels WGs an «Newcomer*innen» – der Verein benutzt diese alternative Bezeichnung, um negative Konnotationen zu vermeiden. Den Mietbetrag bezahlen die neuen Mitbewohner nach Möglichkeiten und mithilfe ihrer Sozialzuschüsse selbst, Wegeleben hilft bei der Vermittlung von Unterstützung. Der Verein stellt beide Parteien einander persönlich vor, danach kann es durchaus vorkommen, dass eine der beiden Seiten eine Absage erteilt. Das sei ja normal, sagt Vogelbacher: «Wir zwingen niemanden dazu, zusammen zu wohnen.» Angebot und Nachfrage hielten sich aktuell in Grenzen, aber bald seien die Semesterferien zu Ende. Wenn sich dann das Wohnraumskarussell wieder dreht, dürfte auch der Andrang bei Wegeleben wieder steigen.
» Weitere Informationen zum Projekt Wegeleben gibt es auf der Website oder in diesem Interview auf dem Uni beast Blog.
Alternativen: Gastfamilien für Flüchtlinge, GGG Basel
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Sämtliche hier aufgeführten Projekte versammeln sich unter dem Dach der Koordinationsstelle Freiwillige für Flüchtlinge Basel (KoFFF), die auch weitere Engagements gerne entgegennimmt.