Wo es der Spitalfusion noch immer an Klarheit fehlt

Zum Megaprojekt Spitalfusion wurde schon so viel gesagt. Was aber blieb verschwiegen? Eine Annäherung an die blinden Flecken.

Die grossen Leitlinien der Spitalfusion stehen in der Diskussion oft im Vordergrund. Die konkreten Fragen bleiben dabei in der Unschärfe.

Ein zentraler Grundsatz in der Kommunikationstheorie lautet: Man kann nicht nicht kommunizieren. Auf die Politik angewendet könnte das heissen: Was jemand nicht sagt, sagt auch sehr viel aus – manchmal sogar mehr als das Gesagte.

So gesehen ist es bei dem aktuellen Megaprojekt, der Spitalfusion von Baselland und Basel-Stadt, aufschlussreich zu schauen, was in der Diskussion von den Akteuren ausgeklammert wird und vor der Debatte im Grossen Rat und Landrat offen bleibt.

Soll das fusionierte Unispital langfristig wachsen oder schrumpfen?

Kosten einsparen – das ist erklärtermassen eines der drei Hauptziele der Spitalfusion. Die Regierungsräte Lukas Engelberger und Thomas Weber wollen «Synergien nutzen» und die «Effizienz steigern». Etwa 70 Millionen Franken sollen mittelfristig gespart werden. Langfristig wohl noch mehr.

Wo genau gespart werden soll, sagt niemand. Wo das Gesparte eingesetzt wird, ist auch unklar. Klar ist nur: Den Prämien- und Steuerzahler wird es nicht entlasten, da das Geld spitalintern verwendet werden soll.

Auch beim Projekt «Gemeinsame Gesundheitsversorgung» sprechen Engelberger und Weber davon, Kosten zu sparen und Spitalangebote in den Halbkantonen einzuschränken. Das soll mit einer neuen gemeinsamen Spitalliste geschehen.

Was sie dabei aber nicht sagen: Welche Spitäler oder Gesundheitsanbieter sollen denn weniger tun, also Leistungsaufträge verlieren? Die Privatspitäler? Oder etwa das neu gegründete Unispital?

Wenn man das Gesagte zu Ende denkt, würde das Kostensparargument bedeuten, dass langfristig auch das fusionierte Unispital schrumpfen muss – denn nur über Leistungsabbau werden bedeutsam Kosten gespart.

Dass das neue Megaspital schrumpfen soll, steht jedoch im Widerspruch zu der Aussage, das Unispital solle langfristig zu den Top-Five der Unispitäler in der Schweiz zählen.

Ob das neue Unispital sparen oder mit zusätzlichen Strukturen eher wachsen soll, ist unklar.

Um auch bei der Orthopädie führend zu sein, kündigt die Spitalleitung an, auf dem Bruderholz ein modernes Gesundheitszentrum zu bauen. Die Spitaldirektoren rechnen also nicht damit, dass die Kantone das Angebot in diesem Bereich einschränken werden – obwohl die Region gemessen an der Orthopäden-Dichte schweizweit bereits ganz weit vorne liegt.

Auch in der hochspezialisierten Medizin ist eher mit einer Erhöhung der Fallzahlen als mit einem Abbau zu rechnen. Ein erklärtes Ziel der Fusion ist nämlich, die Eingriffe in der Bauchchirurgie am Unispital zu halten.

Gewichtige Gesundheitsexperten äussern deshalb den Verdacht, die Fusion könnte zu einem Kostenwachstum statt zu Einsparungen führen.

Soll das Unispital langfristig Kosten sparen, ergo schrumpfen? Oder will man mit der Fusion die Strukturen ausbauen, also wachsen? Diese Frage ist noch ungeklärt.

Wie wird aus zwei Spitälern in Schieflage eines, das floriert?

Offiziell gehen die Kantone davon aus, dass das Kantonsspital Baselland (KSBL) einen Substanzwert von 246 Millionen Franken hat. Gleichzeitig sprechen Baselbieter Politiker offen davon, dass das KSBL ohne Fusion in einigen Jahren bankrott ginge.

Diese Annahme teilt wohl auch die Baselbieter Regierung. Denn in einem Bericht an den Landrat schreibt sie, es sei unklar, ob das KSBL im hypothetischen Fall eines Verkaufs überhaupt noch etwas wert sei.

Ist das KSBL also wirklich wie im Staatsvertrag vereinbart 246 Millionen Franken wert? Und ist das Bruderholzspital tatsächlich derart marode, wie in Stadt und Land vermutet wird?

Fakt ist: Das KSBL veröffentlicht in seinem Geschäftsbericht keine differenzierten Zahlen zu den einzelnen Standorten. So bleibt ungewiss, welche Standorte innerhalb des KSBL unternehmerisch gut laufen und welche nicht.

Politiker befürchten, die Investitionen seien beim Alleingang der Spitäler nicht finanzierbar. Dies sei der eigentliche Grund für die Fusion.

Der Gewinn betrug 2017 vor Abschreibungen und Zinsen 26,8 Millionen Franken. Das ergibt eine Ebitda-Marge von 6 Prozent – mit dieser Kennzahl wird die Rentabilität eines Unternehmens abgebildet. Beim Unispital betrug die Ebitda-Marge im gleichen Jahr 5,3 Prozent. Für ein solides Unternehmenswachstum gibt die Treuhandfirma PriceWaterhouseCoopers eine Ebitda-Marge von 10 Prozent vor.

Die beiden Spitäler florieren also nicht gerade. Sie rechnen gleichzeitig mit einem Investitionsbedarf von 3,2 Milliarden Franken in den kommenden 20 Jahren. Wie viel von diesem Investitionsvolumen auf welche Standorte fallen wird, bleibt unklar.

Am Petersgraben steht der Bau vom Klinikum 2 an. Dieser ist mit annähernd einer Milliarde veranschlagt. Beim KSBL bezifferte die Baselbieter Regierung den Sanierungsbedarf vor zwei Jahren auf 700 Millionen Franken. Wo der Rest der 3,2 Milliarden investiert wird, sagen die Spitalverantwortlichen nicht.

Einige Politiker aus der städtischen Gesundheitskommission befürchten, dass die Investitionen bei einem Alleingang der Spitäler nicht finanzierbar seien und es deshalb eine Fusion braucht. Nicht nur das KSBL, auch das Unispital sei auf einen grösseren Umsatz angewiesen, um die anstehenden Investitionen zu stemmen, so das Argument der Fusionsbefürworter.

Andere Politiker finden hingegen, die Investitionen müssten redimensioniert werden. Das geht aus dem Kommissionsbericht hervor.

Wie aus zwei Spitälern in Schieflage ein florierendes Megaspital werden soll, ist nur teilweise geklärt. Respektive: Die Prognosen, die die Entwicklung des fusionierten Spitals aufzeigen, sind mit Zahlen unterfüttert, die die Regierungen und Spitäler nur zum Teil öffentlich machen.

Ist es eine Privatisierung oder nicht?

Bei dieser Frage gibt es zwei Betrachtungsweisen:

  1. Es ist keine Privatisierung, weil die Kantone laut Staatsvertrag immer mindestes zwei Drittel an der neuen Aktiengesellschaft halten müssen. Zwar können sich Dritte an der Spital AG beteiligen, diese müssen aber «gemeinnützig» sein. Engelberger schliesst deshalb aus, dass sich gewinnorientierte Dritte beteiligen können und leitet daraus ab, dass es keine Privatisierung ist.
  2. Politiker wie der SP-Grossrat Kaspar Sutter finden hingegen: Es ist eine Privatisierungsvorlage, weil Mitsprache und Kontrollfunktion des Parlaments bei einer AG deutlich kleiner sind als bei einer öffentlich-rechtlichen Institution. Wenn der Staatsvertrag gekündigt würde, was nach zwölf Jahren möglich wäre, sei die Spital AG ein rein privates Unternehmen. Dann könnten sich auch gewinnorientierte Player, wie zum Beispiel eine Hirslanden Klinik, daran beteiligen.

In den Statuten steht allerdings, dass die Generalversammlung gewinnorientierte Käufer verweigern kann. Ob sie dies auch tut, weiss zum jetzigen Zeitpunkt niemand.

Grundsätzlich haben die Kantone immer ein Vorkaufsrecht. Wenn zum Beispiel Baselland seine Aktien abstossen wollen würde, könnte Basel-Stadt diese Anteile übernehmen.

Das Konstrukt ist in der Schweiz einzigartig. Zwar gibt es eine Handvoll Kantonsspitäler, die als AG organisiert sind – zum Beispiel das Spital Aarau oder die Berner Inselgruppe. Aber bei diesen hält immer nur ein Kanton die Aktienmehrheit.

Wer kann bei der AG überhaupt noch eingreifen?

Im Moment gibt es das Gesetz über die öffentlichen Spitäler des Kantons Basel-Stadt (ÖSpG). Dieses regelt die Organisation rund um das Unispital, das Felix-Platter-Spital und die Psychiatrischen Kliniken. An die Stelle des ÖSpG würde der Staatsvertrag treten, der hauptsächlich die Umwandlung in eine AG regelt.

Wenn das Parlament etwas am Spital ändern will, hat es nach der Fusion keine Kompetenzen mehr dafür.

Nach der Umwandlung untersteht die AG nicht mehr dem ÖSpG, sondern in erster Linie dem Aktienrecht, wie es im Obligationenrecht steht. Es gibt zwar auch ein Begleitgesetz, das die Gesundheitskommission formuliert hat. Aber dieses gibt dem Parlament de facto keine Handlungsmacht.

Wenn das Parlament etwas am Spital ändern will – sagen wir, eine Deckelung der Chefarztlöhne – so hat es dazu nach der Fusion keine Kompetenzen mehr. Beim Status quo könnte das Parlament dies hingegen über eine Gesetzesänderung verlangen.

Auch wenn die Geschäftsprüfungskommission (GPK) das Spital untersuchen will, muss sie sich an die Regierung wenden. Diese muss als Eigner respektive Mehrheitsaktionär beim Spital die nötigen Einsichts- und Informationsrechte verlangen. Das Spital muss dann die nötigen Untersuchungen zulassen oder kann sie je nach Ausgangslage gestützt auf das Aktienrecht stoppen.

Einige Politiker aus der Gesundheitskommission und GPK wollten einen Passus ins Begleitgesetz schreiben, der auch für Betriebe wie die BVB, IWB oder BKB gilt. Damit hätte eine interkantonale GPK die Oberaufsicht über die Spital AG erhalten. Engelberger intervenierte jedoch. Da der Passus nicht mit dem Aktienrecht vereinbar sei, wurde er gestrichen.

Obwohl das Thema Oberaufsicht und Kontrolle öffentlich praktisch ausgeklammert wird, ist die Sachlage hier klar: Das Parlament und wohl auch die Regierung verlieren in der neuen Spitalgruppe an ihrer Aufsichts- und Kontrollfunktion.

Was bedeutet die Fusion für die Angestellten?

Derzeit laufen die Verhandlungen für einen neuen Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Die Beteiligten kommen bisher aber kaum voran. Einzig klar ist bisher, dass die Pensionskasse Basel-Stadt für die Angestellten zuständig ist. Bis Ende Jahr wollen die Arbeitgeber und Gewerkschaften einen neuen GAV formulieren.

Ein wesentlicher Punkt für die Spitalangestellten ist auch die Betriebskultur. Wie wird das Personal in Entscheidungsprozesse involviert? Wie sehen die Hierarchien aus?

Welche Betriebskultur im fusionierten Spital vorherrschen soll, ist weitgehend ungeklärt.

Die Betriebskultur gelte am Unispital attraktiver als am KSBL, hiess es in der Gesundheitskommission. Am KSBL, das erst vor drei Jahren aus drei Standorten zusammengeführt wurde, gebe es in dieser Hinsicht noch «eine Herausforderung», sagten Mitarbeiter vom Gesundheitsdepartement in der Kommission.

Welche Betriebskultur im fusionierten Spital vorherrschen soll, ist noch weitgehend ungeklärt.

Für die Kaderangestellten kommt noch ein Unsicherheitsfaktor dazu. Für einzelne Abteilungen wird in der Spitalgruppe nur noch einen Chefarzt benötigt werden. Auch einige Verwaltungsräte wird es nicht mehr brauchen – und von zwei Direktoren nur noch einen. Wer das sein wird, ist noch offen.

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https://tageswoche.ch/politik/landrat-sagt-ja-zu-spitalfusion-jetzt-haengts-noch-am-volk/
https://tageswoche.ch/politik/spitalfusion-wie-entscheidet-der-grosse-rat/

Der Grosse Rat berät die Vorlage am Mittwoch, der Landrat in einer zweiten Lesung am Donnerstag. Die TagesWoche berichtet über die Entscheide.

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