Wochenendlich im Val de Travers

Für die Aussicht auf den Creux du Van, für die Einsicht auf einen Absinthe. Ein guter Plan.

Grün die Feen, grün die Wiesen in diesem Val de Travers. Traumhaft! (Bild: Marc Krebs)

Für die Aussicht auf den Creux du Van, für die Einsicht auf einen Absinthe. Ein guter Plan.

Die prächtige Wettervorhersage jagt uns frühmorgens aus dem Bett: ab nach Neuchâtel, solange die Sonne noch scheint. Ausgangspunkt unseres Wochenendausflugs ist Noiraigue, ein kleines Kaff im Hinterland. Hier kann man Velos mieten, in unserem Fall E-Bikes, da wir nicht wissen, ob unsere Waden 50 Kilometer ohne Trethilfe krampflos überstehen würden.

Zunächst pedalen wir dem Flüsslein Areuse entlang, um uns saftige Weiden und sanfte Hügel. Nach zehn Kilometern schalten wir einen Gang runter und steigen den Berg hinauf. Etappenziel: Der Creux du Van, eine spektakuläre Felsformation, durch Erosion entstanden, lange bevor die Menschen das Amphitheater erfunden haben. Wir setzen uns in die erste Reihe und lassen das Naturschauspiel auf uns wirken. Der Ausblick macht schwindelig, die Sicht bis zum Neuenburgersee glücklich. Fantastisch.

Fondue und Absinthe

Der Creux du Van gilt als Kraftort, aber davon allein wird unsereiner nicht satt: In der Bergbeiz Le Soliat rühren wir das Brot im Caquelon, ehe wir den Berg runter­rollen und uns im Tal mit der grössten ­gastronomischen Spezialität der Region belohnen: einem Absinthe.

Fast 100 Jahre lang war dieses alkoholische Getränk made in Switzerland im Heimatland verboten. Weinbauern und die Anti-Alkohol-Bewegung hatten erfolgreich gegen die Wermut-Brenner lobbyiert, flankiert von den Medien, die Räubergeschichten verbreiteten: etwa jene, dass Absinthe wahnsinnig mache.

«Unsinn», sagt Claude-Alain Bugnon und lacht. Er muss es wissen, vergeht doch kaum ein Tag, an dem er sich nicht ein Gläschen gönnt. Aus beruflichen Gründen: Bugnon brennt in Couvet Eigenmarken. Das tat er schon vor der Legalisierung im Jahr 2005, stets auf der Suche nach neuen Rezepten und Mischungen des Kräutergetränks. Heute ist er einer von zwei Profis im Val de Travers, die vom Eigenbrand leben können. Weitere 20 Hersteller sind im Tourismusprospekt Route de l’Absinthe aufgeführt – auch sie geben auf Anfrage Einblicke in die Geschichte und in ihre Gläser. Wer noch nie Absinthe genossen hat, soll sich eine verfeinerte Version des französischen Pastis vorstellen. Et voilà!

Apropos Frankreich: nach Abgabe unserer Velos passieren wir die Grenze und übernachten in Pontarlier: ein Städtchen am Doubs, das abgesehen von einem kleinen Kern und einem Museum mit Absinthe-Schwerpunkt (das leider viele Fragen offen lässt) wenig zu bieten hat. Der zweite Tag führt uns zurück in die Schweiz, ­vorbei an verschlafenen Dörfern, verkommenen Fassaden und verwunschenen ­Wäldern. Hier ist sicher die grüne Fee ­versteckt! Und siehe da: Ein Schlucht­spaziergang führt uns am Rand von Môtiers zu einem Brunnen, wo kühles Quellwasser herauströpfelt. Nur eingeweihte Touristen wissen, dass in einem Holzversteck eine Flasche Absinthe verborgen ist – auf dass der Wanderer die mystische Umgebung durch den Blick der grünen Fee geniessen kann. Santé!

 

  • Anreisen: Startpunkt ins Val de Travers ist der Bahnhof Noiraigue, mit Touri-Infos und Velovermietung.
  • Anstossen: Mit Absinthe, latürnich! Besonders lecker fanden wir «La Clandestine» von Artemisia und «Le Chat» von Bovet (Môtiers)
  • Anschauen: Eine der vielen Distillerien. Wir waren bei Artemisia in Couvet, wo man auch Zubehör kaufen kann.
  • Aussicht: Der Blick vom Creux du Van Richtung Neuenburgersee ist fantastisch.
  • Ausspannen: Wir haben im Hotel Ibis in Pontarlier übernachtet. Sehr sauber, aber verkehrstechnisch uncharmant gelegen (Industriezone). Das Val de Travers ist hoteltechnisch noch Entwicklungsland. Sehr nett sah das Hotel Aigle in Couvet aus, war aber leider bei unserer Reise ausgebucht (frühzeitig reservieren.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12

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